Pflege in Zei­ten des Klimawandels

von | 09.06.2022 | Medizin im Klimawandel

Die Gesund­heits- und Kran­ken­pflege spielt als größte Berufs­gruppe im Gesund­heits­sek­tor eine zen­trale Rolle im Hin­blick auf Kli­ma­schutz- und Kli­ma­an­pas­sungs­maß­nah­men. Pfle­ge­kräfte erle­ben aus ers­ter Hand die schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels auf die Gesund­heit der Bevöl­ke­rung, vor allem der vul­nerabels­ten Grup­pen. Sie haben dar­über hin­aus auch die Mög­lich­keit, Ent­schei­dun­gen an ihrem Arbeits­platz direkt zu beein­flus­sen und sich für Ver­än­de­run­gen ein­zu­set­zen, die zur drin­gend not­wen­di­gen Reduk­tion des CO2-Fuß­ab­drucks des Gesund­heits­sys­tems beitragen.

Kli­ma­be­zo­gene Akti­vi­tä­ten stärken

Im Gegen­satz zu Öster­reich ist in den eng­lisch­spra­chi­gen Län­dern das Thema Kli­ma­wan­del in der Pflege schon lange ange­kom­men, auch in der Aus­bil­dung. Trotz­dem zei­gen Umfra­gen auch dort, dass es an Wis­sen um die Zusam­men­hänge zwi­schen Kli­ma­wan­del und Gesund­heit und damit an eige­nen Res­sour­cen zur Plat­zie­rung des The­mas fehlt. Cook et al.86 nen­nen zusätz­lich Zeit­man­gel, kon­kur­rie­rende Prio­ri­tä­ten am Arbeits­platz sowie man­gelnde insti­tu­tio­nelle Unter­stüt­zung als Bar­rie­ren zur Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Thema. Um in Zukunft diese Berufs­gruppe in der Über­nahme kli­ma­be­zo­ge­ner Akti­vi­tä­ten zu stär­ken und inner­insti­tu­tio­nelle Ver­än­de­run­gen vor­an­zu­trei­ben, schla­gen But­ter­field et al.87 unter ande­rem vor,

  • der Pflege eine Füh­rungs­rolle in Bezug auf Kli­ma­schutz/-anpas­sung inner­halb der eige­nen Insti­tu­tion zu geben,
  • ver­pflich­tende Aus- und Wei­ter­bil­dung ein­zu­füh­ren und
  • indi­vi­du­el­les Enga­ge­ment zu fördern.

Anpas­sung an Hitzebelastungen

In Öster­reich, wie auch in Deutsch­land, wer­den in Bezug auf die Pflege bis­her pri­mär die Aus­wir­kun­gen von Hitze und die damit not­wen­di­gen Kli­ma­an­pas­sungs­maß­nah­men the­ma­ti­siert. Hit­ze­be­las­tun­gen stel­len bereits jetzt eine große Her­aus­for­de­rung für Gesund­heits- und Pfleg­ein­rich­tun­gen dar. Beson­ders betrof­fen sind ältere, kranke oder pfle­ge­be­dürf­tige Men­schen, aber auch die Beschäf­tig­ten in der Pflege sel­ber, da längst nicht alle Ein­rich­tun­gen mit Kli­ma­an­la­gen aus­ge­rüs­tet bzw. bau­lich ange­passt sind. Pfle­ge­kräfte sind somit in drei­fa­cher Hin­sicht gefor­dert:88, 89

  • Im Rah­men der Patient*innen- und Ange­hö­ri­gen-Edu­ka­tion: The­ma­ti­sie­rung der Aus­wir­kun­gen hoher Tem­pe­ra­tu­ren auf Blut­druck, Flüs­sig­keits­haus­halt, Wund­in­fek­tion, bestimmte Krank­heits­bil­der (v. a. neu­ro­lo­gi­sche Erkran­kun­gen) sowie die Lage­rung und Ein­nahme von Medi­ka­men­ten und der Umgang mit trans­der­ma­len the­ra­peu­ti­schen Systemen;
  • Zum Schutz der Patient*innen Umset­zung von Hit­ze­an­pas­sungs­maß­nah­men: ver­stärkte Kran­ken­be­ob­ach­tung und Vital­zei­chen­kon­trolle; Flüs­sig­keits­bi­lan­zie­rung; Sturz­pro­phy­laxe auf­grund mög­li­cher Kreis­lauf­pro­bleme; ver­mehrte Grund- und Haut­pflege; häu­fi­ge­rer Wäsche­wech­sel; Schaf­fung eines ange­neh­men Zimmerklimas;
  • Zum Selbst­schutz im Sinne des Erhalts der eige­nen Leis­tungs- und Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit: Ein­füh­ren zusätz­li­cher (Trink-)Pausen, Klei­dungs­wech­sel bei star­kem Schwit­zen, Ver­la­gern kör­per­lich anstren­gen­der Tätig­kei­ten in Mor­gen- und Abend­stun­den (wenn mög­lich), Ach­ten auf Raumtemperatur.

Nach­hal­ti­ges Gesundheitssystem

Pfle­ge­kräf­ten kommt aber auch eine zen­trale Rolle in Bezug auf den Kli­ma­schutz zu. Sie kön­nen auf der einen Seite Pati­en­tin­nen zu einem gesund­heits­för­der­li­che­ren und damit in Folge kli­ma­freund­li­che­ren Ver­hal­ten moti­vie­ren (bei­spiels­weise in Bezug auf Ernäh­rung und Bewe­gung) und auf der ande­ren Seite an ihrem Arbeits­platz Kli­ma­schutz­maß­nah­men selbst umset­zen bzw. das Thema mit ihren Füh­rungs­kräf­ten und der Unter­neh­mens­lei­tung auf­grei­fen und so zu einem nach­hal­ti­ge­ren Gesund­heits­sys­tem bei­tra­gen. Letz­te­res umfasst laut Cook et al.86:

  • Ein­füh­rung effi­zi­en­te­rer Betriebs­ab­läufe, um durch auto­ma­ti­sche Heiz- und Kühl­pro­zesse Ener­gie zu sparen;
  • Umstel­lung auf ein gesun­des Ernäh­rungs­sys­tem (im Sinne der Pla­ne­tary Health Diet) und Lebens­mit­tel aus loka­lem Anbau mit mög­lichst wenig Verpackung;
  • Nut­zung weni­ger gif­ti­ger Che­mi­ka­lien und Reinigungsprodukte;
  • Vermeidung/​Reduktion medi­zi­ni­scher Abfälle sowie Rege­lung der Abfall­ent­sor­gung ins­be­son­dere gefähr­li­cher Stoffe, Arz­nei­mit­tel, Betäu­bungs­mit­tel und infek­tiö­ser Abfälle.

Um in Zukunft kli­ma­wan­del­re­le­vante Ver­än­de­run­gen sowohl in Hin­sicht auf das indi­vi­du­elle wie orga­ni­sa­tio­nale Ver­hal­ten in die Umset­zung zu brin­gen, müs­sen Ärzte und Pfle­ge­kräfte eng mit­ein­an­der koope­rie­ren. Über­ra­schen­der­weise wird dem in der Lite­ra­tur jedoch keine Rech­nung getra­gen. Es muss also davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass es nicht nur an einem Ver­ständ­nis der Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels auf die Arbeit der jeweils andere Berufs­gruppe man­gelt, son­dern auch keine Syn­er­gien im gemein­sa­men Han­deln zum Schutz des Kli­mas ent­ste­hen. Auch stellt sich die Frage, wel­che der bei­den Berufs­grup­pen für eine „Klima-Gesund­heits­be­ra­tung“ von Pati­en­ten und Ange­hö­ri­gen zustän­dig ist.

Neue Ver­sor­gungs­for­men

Der Ruf nach neuen Ver­sor­gungs­for­men in Öster­reich und die in die­sem Zusam­men­hang dis­ku­tier­ten neuen Berufs­fel­der in der Pflege könn­ten hier viel­ver­spre­chende Wege eröff­nen. Eine wohn­ort­nahe Pati­en­tin­nen­be­treu­ung, wie sie im Rah­men von Pri­mär­ver­sor­gungs­ein­hei­ten modell­haft in Öster­reich zur­zeit imple­men­tiert wird, würde es den dort täti­gen Berufs­grup­pen ermög­li­chen, orga­ni­sa­tio­nale und struk­tu­relle Res­sour­cen im Sinne des Kli­ma­schut­zes gemein­sam zu nut­zen, sowie „Klima-Gesund­heits­sprech­stun­den“ für Pati­en­ten einzuführen.

Ähn­lich ver­hält es sich in Bezug auf das Pilot­pro­jekt „Com­mu­nity Health Nur­ses“. Als zen­trale Ansprech­per­son vor Ort sol­len Com­mu­nity Health Nur­ses pfle­ge­ri­sche Leis­tun­gen und Leis­tungs­an­bie­te­rin­nen koor­di­nie­ren, eine rei­bungs­lose Ver­sor­gung gewähr­leis­ten sowie prä­ven­tiv tätig wer­den, um die Gesund­heits­kom­pe­tenz und das Wohl­be­fin­den der Bevöl­ke­rung in der Gemeinde zu stär­ken. Durch diese Schnitt­stel­len­funk­tion ist davon aus­zu­ge­hen, dass auch hier Res­sour­cen von Ärz­tin­nen und Pfle­ge­kräf­ten bes­ser koor­di­niert wer­den kön­nen – mit posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf Kli­ma­schutz wie Kli­ma­an­pas­sung. In all die­sen zukunfts­ge­rich­te­ten Pro­jek­ten müsste jedoch öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit von Anfang an mit­ge­dacht wer­den, da nur so ein Bewusst­sein für die Co-Bene­fits zwi­schen Klima und Gesund­heit geschaf­fen und die not­wen­dige „Cli­mate Health Liter­acy“ lang­fris­tig bei allen Betei­lig­ten auf­ge­baut wer­den kann.

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