Energie, Gesundheit und Frieden: Zum Nachdenken

von | 20.06.2022 | Medizin im Klimawandel

Die WHO stuft die Kombination aus Luftschadstoffen und Klimawandel als das größte Gesundheitsrisiko weltweit ein: 8,8 Millionen Menschen sterben jährlich an Luftschadstoffen, die EU ist stärker betroffen als die USA.

 

Feinstaubreduktion

Die Energiewende ist daher ein Gesundheitsprojekt: Rund zwei gesunde Lebensjahre können wir gewinnen, wenn keine Verbrennungsluftschadstoffe mehr emittiert werden. Vor allem durch Feinstaubreduktion. Hier hat sich schon viel getan, wie die Beendigung privater Kohleverbrennung und Dieselpartikelfilter bei Pkw. Der wichtigste – und im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehene, aber ohne Druck wohl nie umgesetzte – Schritt im Bestand wäre eine Nachrüstung der Schwerfahrzeuge mit diesen Filtern, denn zwei Drittel des in Österreich getankten Diesels fließen nicht in Pkw. Die Schweiz und Israel haben diese Nachrüstung aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt. Ein LKW-Filter kostet rund 5.000 Euro (in der Nachrüstung 10.000 Euro), das Fehlen eines solchen hingegen verursacht gesundheitliche Folgekosten von rund 50.000 Euro. Vor allem ein Produktionsausfall durch Krankenstände oder nach verbrachter Nacht am Bett des asthmakranken Kindes sind teuer.

 

Holz zur Stromerzeugung

Holzverbrennung in Einzelöfen verursacht bei manueller Verbrennung sehr viele Abgase, auch krebserregende polyzyklische Aromaten. Der romantische Kaminofen sollte Ausnahme und nicht Standard sein. Holz werden wir zum Bauen, für Kleidung und als Plastikersatz benötigen. In Kraft-Wärme-Kopplung (gleichzeitige Gewinnung von mechanischer Energie und nutzbarer Wärme in einem gemeinsamen thermodynamischen Prozess) im Winter zur Stromerzeugung eingesetzt, kann Holz Teil der Energiewende sein. In Kopenhagen zum Beispiel springt das Kraftwerk an, wenn im Winter der Wind schwächelt und zu wenig Strom im Netz ist; die überschüssige Wärme wird in riesigen Heißwasserbecken zwischengespeichert.

 

Energiemonopol

Der Kampf um fossile Energien war früh mit Kriegen verbunden. Eine monopolartige Abhängigkeit kann genutzt werden, den Preis fast beliebig zu erhöhen oder Druck durch Lieferstopps auszuüben. Auch wenn wir Öl aus mehreren Staaten beziehen, kann beispielsweise eine zwischen Russland und Saudi-Arabien abgesprochene Lieferreduktion auf je 50 Prozent den Preis vervielfachen. 2008 löste eine Unterdeckung von 4 Prozent am Ölmarkt eine Verfünffachung des Ölpreises aus, mit dem Effekt, dass der Hauskreditnehmer in den USA 150 Dollar pro Monat mehr für Benzin zahlen musste. Die Folgen sind bekannt: Finanzkrise mit Einbruch des weltweiten Handels, zahlreiche US-Amerikaner verloren ihr Haus und ihre Ersparnisse.

Wir importieren derzeit zu 80 Prozent russisches Gas: 52 Prozent wird von der Industrie benötigt, 25 Prozent geht in die Stromerzeugung, das Heizen im Winter benötigt 23 Prozent. Die chemische Industrie – so wie Spitäler! – sollte für die Dampferzeugung auf Hochtemperatur-Wärmepumpen wechseln. Stahl- und Zementindustrie benötigen den Wasserstoff, den wir erzeugen (tausende Windkraftwerke) oder importieren (ca. 11.000 Züge pro Jahr) können.

 

Erneuerbare und Speicher

Österreich hat das Glück, im Sommer mit Wasserkraft rund zwei Drittel seines Strombedarfs zu decken, Photovoltaik könnte das restliche Drittel liefern. Im Winter liefern beide schwach, hier ist es die Windkraft, die zwei Drittel ihrer Jahresleistung erbringt und in Deutschland bis zu zwei Drittel des Stroms liefert. Entscheidend sind die Speicher: Während Elektroautos Strom für zwei Tage ins Netz rückspeisen werden können, können Österreichs Hochgebirgsspeicher 17 Tage lang Strom liefern, wenn andernorts keiner erzeugt wird. Wir könnten also zu 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren schaffen, wenn wir Windräder auf bereits stark erschlossene Bergkämme und -pässe stellen und Dachflächen sowie Südfassaden und Parkplätze mit Photovoltaik abschatten.

Es liegt eine enorme Aufgabe vor uns. Sie ist aus gesundheitlicher Sicht mehrfach lohnend: 100.000 Arbeitsplätze werden geschaffen, saubere Luft und ruhigere Orte sorgen für mehr Gesundheit und Lebensqualität. Und wir tragen zum Frieden bei, wenn Autokraten nicht mit hunderten Milliarden fossiler Einnahmen (Saudi-Arabien 2008: 300 Milliarden Dollar Mehreinnahmen als im Jahr 2007) ihre Kriege finanzieren können.

 

Unsere Kleidung

 

Energie sparen lässt sich auch in der Kleidungsindustrie. Oder bereits beim Konsum: Das Motto der sogenannten Slow Fashion lautet „Langlebigkeit statt Wegwerfartikel“.

Qualitativ hochwertige und öko-fair-zertifizierte Kleidung hält länger und ist umweltverträglich gefärbt – das bedeutet auch, weniger Giftstoffe auf der Haut. Naturfasern hinterlassen zudem kein Mikroplastik beim Waschen. Vor allem Arbeiterinnen in Ländern, die weit entfernt von Standards und Gesetzen zum Arbeitnehmerschutz sind, erhalten auf diese Weise Unterstützung aus wohlhabenden Ländern, die sich Gesundheitsschutz leisten können und sollten – einem Land wie unseres. Weitere klimafreundliche Optionen sind übrigens Secondhandmärkte und Kleidertausch statt Neukauf.

 

Sinnstiftung durch Klimaengagement

 

Die Sorgen und Ängste um das Weltklima und unsere Gesundheit haben berechtigterweise zugenommen – vor allem unter den Jungen, was teils zu Generationenkonflikten führt.

Doch es gibt auch Grund für Zuversicht: Weltweit wächst der Einsatz von Erneuerbaren rapide. Bereits im Jahr 2020 wurde doppelt so viel zugebaut wie 2015. In der EU sind Wind, Solar und Wasser inzwischen stärker in der Stromerzeugung als Kohle und Gas und Elektroautos werden im Jahr 2026 nicht nur im Betrieb billiger sein als Verbrenner. In Österreich rechnet sich die Ökostrom-Milliarde laut dem Institut für Höhere Studien (IHS) 21-fach.

 

Die Zeitenwende kann auch positiv sein und Sinn geben. Wir müssen – und können! – nur noch mehr ins Handeln kommen – gemeinsam.

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