Die kli­ma­fitte Ordination

von | 09.06.2022 | Medizin im Klimawandel

Als mein Vater in den 1960-Jah­ren seine Ordi­na­tion eröff­nete, hatte er Pro­bleme mit dem Hei­zen. In einer Ecke des Rau­mes stand ein Auto­klav, da es keine Ein­mal­sprit­zen und kaum ande­res Ein­mal­ma­te­rial gab. Statt mit Hand­schu­hen wurde mit Fin­ger­lin­gen gearbeitet.

Heute ste­hen die Vor­zei­chen anders: Wie kön­nen wir Ordi­na­tio­nen an Kli­ma­fol­gen anpas­sen und den Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen mini­mie­ren – nach dem Prin­zip „Do not harm“?

Hei­zen

Wär­me­pum­pen machen aus einer Kilo­watt­stunde (kWh) Strom – die nur ein Drit­tel des CO2-Abdrucks hat wie Erd­gas – meist 4 kWh Wärme. Sie sind also zwölf­mal CO2-effi­zi­en­ter. Warm­was­ser her­stel­len und Küh­len sind bei guter Aus­le­gung mög­lich, Letz­te­res benö­tigt Nie­der­tem­pe­ra­tur­heiz­kör­per, Wand- oder Fuß­bo­den­hei­zung. In vie­len Lan­des­haupt­städ­ten gibt es kaum mehr Eis­tage, an denen es nicht über 0 °C warm wird. Eine Nut­zung über Mit­tag und den Nach­mit­tag kann einen Puf­fer­spei­cher für die Wär­me­ver­sor­gung von 24 Stun­den fül­len. Dann braucht die Luft­wär­me­pumpe nachts nicht weni­ger effi­zi­ent zu lau­fen und ver­ur­sacht kei­nen Lärm, wobei es heute bereits sehr leise Geräte gibt.

Küh­len

Eine Küh­lung mit Klima-Split­ge­rä­ten wirft ther­mi­schen Abfall sozu­sa­gen auf die Straße und ver­wir­belt die Luft innen nur, trock­net sie bei star­ker Küh­lung auch. Damit wer­den Aero­sole klei­ner und infek­tiöse Par­ti­kel sin­ken nicht mehr ab, wes­halb diese Lösung weni­ger zu emp­feh­len ist. Falls Kli­ma­an­la­gen nicht ver­meid­bar sind, wäh­len Sie HEPA-Fil­ter: Diese sind hygie­nisch, müs­sen aller­dings gewar­tet werden.

Fens­ter sol­len der Belich­tung und dem Aus­blick die­nen und nicht grö­ßer als nötig sein. Außen lie­gende Abschat­tun­gen soll­ten hell sein oder wie ein Vor­dach die Som­mer­sonne fern­hal­ten (ideal: Süd mit Pho­to­vol­taik). West- und Ost­sei­ten kön­nen mit Laub­bäu­men abge­schat­tet wer­den. Nacht­küh­lung braucht viel Durch­zug, zum Bei­spiel durch Quer­lüf­ten oder durch den Kamin­ef­fekt eines hohen Stiegenhauses.

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KASTEN

Fern­kälte

Das gezielte Küh­len gro­ßer Gebäude oder Gebäu­de­kom­plexe wird immer popu­lä­rer. Bei der Fern­kälte wird über eigene Lei­tun­gen kal­tes Was­ser in Groß­bau­ten gepumpt, um diese zu küh­len, ähn­lich wie es in der kal­ten Jah­res­zeit mit war­mem Was­ser durch Fern­wär­me­netze geschieht. Die Ener­gie fürs Küh­len stammt aus der Abwärme von Müll­ver­bren­nungs­an­la­gen. Mit die­ser Tech­no­lo­gie spare man bis zu 70 Pro­zent des Ener­gie­auf­wands und 50 Pro­zent der CO₂-Emis­sio­nen im Ver­gleich zu her­kömm­li­chen Kli­ma­an­la­gen, heißt es vom Ener­gie­ver­sor­ger.70 In Wien hän­gen diverse Hotels, die BOKU sowie das AKH und andere Groß­bau­ten am soge­nann­ten Fern­käl­te­netz, das ste­tig wächst.

Quelle: Priv.-Doz. Dr. Hanns Mos­ham­mer, Med­uni Wien

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Beleuch­tung

Ein­spa­ren mit Licht emit­tie­ren­den Dioden: LED braucht nur ein Zehn­tel des Stroms einer Glüh­birne, kann belie­big ein- und aus­ge­schal­tet wer­den und gerich­tet beleuch­ten – dadurch ist noch mehr Ein­spa­rung mög­lich. Beim Elek­tro­auto ist hin­sicht­lich des CO2-Aus­sto­ßes ein Ver­hält­nis von 1:10 gegen­über Ver­bren­nern mög­lich, bei Mopeds beträgt es 1:30!

Strom und Fortbewegung

Elek­tri­fi­zie­rung und Ener­gie­spa­ren bedeu­ten weni­ger Lärm (Zwei­rä­der, Laub­blä­ser gibt es auch elek­trisch und dadurch geräusch­är­mer). Weni­ger heiß wer­dende Geräte emit­tie­ren weni­ger Schad­stoffe wie Weich­ma­cher und Flamm­hem­mer (endo­krine Dis­rup­t­o­ren = Hor­mon­stö­rer) und ver­wir­beln weni­ger Staub. Öko­strom bezahlt zusätz­li­che Erneu­er­bare Kraft­werke statt Gas- und Atomstrom.

In der Nacht kön­nen E‑Autos über­schüs­si­gen Strom auf­neh­men. Wer­den Nacht­strom-Boi­ler durch Wär­me­pum­pen ersetzt, wird noch weni­ger Strom nachts ver­braucht, wäh­rend Wind- und Was­ser­kraft­werke lie­fern. Mit dem Kon­zept „Vehicle to grid“ – Ent­nahme von Strom aus dem Auto – kann nicht nur das Strom­netz sta­bi­li­siert, son­dern auch mit Strom­han­del Geld ver­dient wer­den. Die Bat­te­rie­preise sind in zwölf Jah­ren auf ein Zehn­tel gesun­ken, die öko­lo­gi­sche Ver­träg­lich­keit nimmt zu (in Sicht sind Bat­te­rien frei von Kobalt und sel­te­nen Erden bei 95-pro­zen­ti­gem Recy­cling). Es gibt Auto­her­stel­ler, die auf Bat­te­rie und Motor eine Garan­tie für 1 Mil­lion Kilo­me­ter geben – ideal fürs Autoteilen.

Letzt­lich sollte unser Ver­kehrs­sys­tem auf kör­per­li­cher Bewe­gung basie­ren, um unser Gesund­heits­sys­tem finan­zier­bar zu hal­ten; zwei­tens auf öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln und erst der Rest kann mit elek­tri­schen KFZ zurück­ge­legt wer­den. Stich­wort Nud­ging („Anstup­sen“): „Gesund anste­cken“ kön­nen Sie Pati­en­tin­nen auch, wenn sie per Fahr­rad zur Visite fah­ren und aus­rei­chend tro­ckene, beleuch­tete, absperr­bare Rad­ab­stell­plätze anbieten.

Unwet­ter­vor­sorge

Gegen Unwet­ter gibt es eini­ges an Vor­sor­ge­mög­lich­kei­ten. Dru­cken Sie sich zuerst den kos­ten­lo­sen staat­li­chen Gebäu­de­pass unter www.hora.gv.at für Ihre Adresse aus. Was­ser kann nicht nur von Flüs­sen, son­dern auch von Stark­wet­tern her fast über­all stauen – hier gilt es, mit Schutz­maß­nah­men gegenzuwirken.

Medi­ka­tion

Schließ­lich – ihre Kern­kom­pe­tenz: Ver­mei­dung von Über­dia­gnos­tik und ‑Medi­ka­tion nutzt allen. Bei der Medi­ka­tion gilt gene­rell: Choo­sing wisely.71 Bei­spiel: Es besteht ein welt­wei­ter Über­kon­sum von Anti­bio­tika, der die Aus­brei­tung mul­ti­re­sis­ten­ter Keime beför­dert und eine glo­bale Gesund­heits­ge­fahr dar­stellt. Auch inad­äquate Medi­ka­tion, vor allem Poly­phar­ma­zie bei älte­ren und mul­ti­mor­bi­den Men­schen, sollte über­dacht wer­den. Wei­ters: Pul­ver­in­ha­la­to­ren haben nur einen Bruch­teil der Emis­sio­nen jener mit Treib­gas.91

Wei­ters: Recy­cling­pa­pier ist das Mar­ken­zei­chen unse­rer Natio­nal­bank, warum auch nicht jenes von Ordinationen?

Mit Unter­stüt­zung des deut­schen Umwelt­bun­des­am­tes ent­steht in Deutsch­land ein Bera­tungs­netz­werk für Pra­xen: klima-gesund-praxen.de.

Dort fin­den Sie zum Bei­spiel eine Check­liste und Anre­gun­gen für Klimasprechstunden.

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