Pressegespräch Nuklearmedizin: Riesiges Potential

09.06.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Kassenstellen für Nuklearmedizin könnten Patienten großen Nutzen bringen und wären ein Paradebeispiel für die Möglichkeiten, Leistungen in den niedergelassenen Bereich zu verschieben. Doch die Verhandlungen mit der Kasse laufen zäh.

Sascha Bunda

Klein, unscheinbar und doch lebensnotwendig fristet die Schilddrüse ein Nischendasein – ebenso wie das Sonderfach, das sich ihr besonders annimmt. Viele Menschen sind von Funktionsstörungen oder Knoten dieses Organs betroffen. „In Österreich nimmt sich der Mehrzahl der Fälle die Nuklearmedizin an, weil sie die gesamten diagnostischen Maßnahmen und einen Großteil der Therapie aus einer Hand als ‚One-Stop-Shop‘ anbietet“, beschreibt Alexander Becherer, Obmann der Bundesfachgruppe Nuklearmedizin der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Er verknüpft damit gleich eine wichtige Botschaft: „Die Nuklearmedizin und ihre Nöte müssen unbedingt sichtbar gemacht werden“, appelliert er. Erstens leide das Fach unter einem geringen Bekanntheitsgrad, „zweitens wurde bei der Schaffung des eigenständigen Sonderfaches Nuklearmedizin nicht zugleich für eine Möglichkeit der Ausübung im niedergelassenen Bereich gesorgt“, konstatiert Becherer. Es fehle an Tarifen mit den Krankenkassen und der Möglichkeit, als Wahlarzt tätig zu werden, so Becherer.

Die Mängel stellen nicht nur Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen vor ein ernstes Problem. „Für ihre Betreuungstermine gehen die Wartezeiten in den Spitalsambulanzen mittlerweile überall in mehrmonatige Bereiche – das ist bei nicht-schwerwiegenden Erkrankungen unangenehm, bei ernsten Erkrankungen potentiell bedrohlich“, schildert Becherer.

Aber auch Menschen mit ganz anderen Erkrankungen seien davon betroffen. „Diagnostische Leistungen werden in zunehmender Frequenz und ständig dringend von anderen Fächern angefragt, weil die Befunde therapieentscheidend sein können“, so der Fachgruppenobmann. Gleichzeitig seien die Leistungen immer komplexer und viel zeitaufwändiger geworden. Nun komme eine neu zugelassene nuklearmedizinische ­Therapie gegen metastasierenden Krebs der Prostata hinzu. „So sehr wir uns über den Fortschritt in unserem Fach freuen, so wenig sehen wir, wie wir in der Zukunft mit immer weniger Ärzten den Bedarf an unseren Untersuchungen und ­Therapien decken werden können“, sagt Becherer.

Zukunftspotential

Michael Gabriel, Präsident elect der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung (ÖGN-MB), betont das große Potential, das noch in der Nuklearmedizin steckt. So sei etwa die Vielzahl der molekularen Angriffspunkte bei Krebszellen sehr groß. Das mache das Fachgebiet der Nuklearmedizin so innovativ und spannend. „In Zukunft dürfen wir auf zusätzliche nuklearmedizinische Th­erapien gegen Tumorerkrankungen ho‑en“, meint Gabriel.

Schlüsselfunktion

Dem niedergelassenen Kassenarzt-Bereich wird in der Zukunft eine ganz besondere Schlüsselrolle zukommen, ist Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, überzeugt. Schließlich könne man bereits jetzt sehen, wozu Lücken in der niedergelassenen Versorgung führen – unter anderem zu einer Überlastung der Spitalsambulanzen. Das wiederum zieht einen Rattenschwanz an weiteren Problemen mit sich, etwa in der Ausbildung

Daher müsse der erste Schritt die sofortige Stärkung des niedergelassenen Bereichs sein, appelliert der ÖÄK-Vizepräsident. Die Nuklearmedizin ist für ihn ein Paradebeispiel für das große Potential, das im niedergelassenen Bereich immer noch brachliegt – in Form von Leistungen, die hierher ausgelagert werden könnten. „Das würde auch die dringend nötige Entlastung der Spitäler bedeuten“, so Wutscher. „Um attraktiv und erfolgreich Nuklearmedizin im niedergelassenen Bereich anbieten zu können, brauchen wir daher Tarife und Kassenstellen beziehungsweise Verträge für Institute“, sagt Wutscher und weist darauf, dass die Ärztekammer schon seit 2021 einen fertig vorliegenden Leistungskatalog für Nuklearmedizin ausgearbeitet hat. Die Verhandlungen mit der Kasse würden immer noch zäh verlaufen, aber langsam deute sich ein Licht am Ende des Tunnels an, gab sich Wutscher optimistisch. Die Einsicht über den großen Nutzen für den Patienten könnte sich langsam, aber doch durchsetzen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2023