Pneumokokken: Verhindern von Langzeitschäden

10.02.2021 | Medizin


Säuglinge und Kleinkinder sowie immundefiziente Personen haben ein erhöhtes Risiko für eine invasive Pneumokokken-Erkrankung. Bei einer Pneumokokken-Meningitis gilt es vor allem, Langzeitfolgen wie bleibende Hörschäden oder andere neurologische Defizite zu verhindern.
Laura Scherber

Pneumonie ist bei allen Altersgruppen die typische Erkrankung bei Pneumokokken, an die man als erstes denkt. Noch viel gefährlicher sind bei den besonders kleinen Kindern allerdings die invasiven Pneumokokken-Erkrankungen“, erklärt Priv. Doz. Volker Strenger von der Klinischen Abteilung für pädiatrische Pulmonologie und Allergologie der Medizinischen Universität in Graz. Bei letzterer findet man im normalerweise sterilen Material wie Liquor und Blut den entsprechenden Nachweis.

Bei der Pneumokokken-Sepsis und Pneumokokken-Meningitis, die besonders kleine Kinder und Säuglinge betreffen, handelt es sich um meldepflichtige Erkrankungen, die von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) dokumentiert werden. So wurden gemäß dem Surveillance-System der AGES im Jahr 2018 insgesamt 611 invasive Pneumokokken-Erkrankungen registriert, was in einer Inzidenz von 6,9 auf 100.000 Personen resultiert. Serologisch können dabei mehr als 90 Kapseltypen, die eine typenspezifische Immunität hervorrufen, unterschieden werden. Bei den Pneumonien gibt es Strenger zufolge hingegen aufgrund der fehlenden Meldepflicht nur Schätzungen. Die häufigsten, aber leichtesten Folgen einer Pneumokokken-Infektion sind in der Regel die bakterielle Otitis media und die bakterielle Sinusitis. Insgesamt seien die Erkrankungen im Zusammenhang mit den Pneumokokken-Erregern mit zunehmender Schwere der Erkrankung seltener, wie Strenger ausführt. Nichtsdestotrotz haben Säuglinge und Kleinkinder sowie immundefiziente Personen, insbesondere jene, die von einer anatomischen oder funktionellen Asplenie betroffen sind, ein erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokken-Erkrankungen. So ist es dem Experten zufolge wichtig, insbesondere Langzeitschäden im Rahmen der Pneumokokken-Meningitis wie bleibende Hörschäden oder andere neurologische Defizite zu verhindern.

Frühe Impfung ist essentiell

Aufgrund der Tatsache, dass vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern die invasiven Pneumokokken-Erkrankungen im Fokus stehen, nimmt die frühe Impfung im ersten Lebensjahr eine sehr wichtige Rolle ein. „Viele Eltern haben das Gefühl, dass ihre Kinder im ersten Lebensjahr an und für sich sehr viele Impfungen erhalten“, weiß Strenger. Dennoch sei es gerade bei den Pneumokokken nicht zielführend, weiter abzuwarten, da man die Kinder schützen sollte, wenn das Hauptrisiko für eine entsprechende Erkrankung am bedrohlichsten sei. Laut dem Experten nimmt die Mehrheit der Eltern – abgesehen von Impfgegnern beziehungsweise Impfskeptikern – die Pneumokokken-Impfung im Rahmen des Kinderimpfprogramms positiv an, zum einen dadurch, weil sie empfohlen wird, zum anderen aber sicher auch deswegen, weil die Kosten von der Krankenkasse refundiert werden. „Seitdem die Pneumokokken-Impfung im kostenlosen Kinderimpfprogramm ist, wird sie sehr gut angenommen. Impfungen, die gratis sind, werden allgemein gut akzeptiert, aber das ist nicht der einzige Grund“, führt Strenger aus. Die Folge sei, dass es dadurch einfach fixierte, routinierte Termine gebe, auf welche die Kinderärzte achten. Natürlich gebe es bei der Durchimpfungsrate immer noch Luft nach oben. Im Vergleich zu den Pneumokokken-Impfungen im Kindesalter werden die empfohlenen Impfungen bei den über 60-Jährigen vermutlich seltener angenommen, da man im Alter „nicht mehr so“ an Impfungen denkt, vermutet der Experte. Analog dazu sei gerade die Pertussis-Impfung bei den Erwachsenen ein Thema, die trotz der Notwendigkeit einer Auffrischung auch bei jungen Erwachsenen häufig nicht angenommen werde.

Kostenfrei im Kinderimpfprogramm

Bei den Impfstoffen gegen Pneumokokken werden derzeit zwei unterschiedliche Arten von Impfstoffen eingesetzt: der 13-valente konjugierte Impfstoff (PNC13) und der 23-valente Polysaccharidimpfstoff (PPV23). Nach den ursprünglich eingesetzten 7- und 10-valenten ist nun der 13-valente konjugierte Impfstoff ein kostenfreier Bestandteil des Kinderimpfprogramms, bei dem die Antigene an ein Protein konjugiert sind und damit eine gute und langanhaltende Immunantwort bereits bei Kindern im Säuglingsalter bewirkt. Ziel ist, dass alle Kinder diesen Impfstoff in drei Teilimpfungen (insgesamt drei Teilimpfungen im dritten, fünften sowie zwölften bis 14. Lebensmonat) erhalten. Zusätzlich gibt es den 23-valenten Polysaccharidimpfstoff, der zwar gegen insgesamt 23 Stämme wirkt, jedoch eine schwächere und weniger langanhaltende Immunantwort hervorruft. „Bei Kindern mit Asplenie wird empfohlen, dass man sie zuerst mit dem 13-valenten konjugierten Impfstoff impft, weil der einfach die bessere Immunität hervorruft, und danach erst den 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff nachimpft, der die Immunität gegen weitere zehn Serotypen bewirkt“, fasst Strenger zusammen. Und weiter: „Umgekehrt soll man es nicht machen, da der 13-valente Impfstoff dann möglicherweise nicht mehr so gut wirkt, wenn schon ein 23-valenter geimpft wurde.“

Ein wesentlicher Aspekt der Pneumokokken-Impfung ist das Serotypen-Replacement. So verändert sich mit der Zeit und dem zunehmenden Einsatz des aktuellen Impfstoffs die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Serotypen. Während die Impfung natürlich gegen die entsprechenden Stämme, für die sie entwickelt wurde, wirkt, treten andere Serotypen vermehrt auf, die vorher weniger vertreten waren und nicht in der Impfung enthalten sind. Das können auch Serotypen sein, die potentiell schwerere Infektionen hervorrufen oder durch Antibiotika-Resistenzen gekennzeichnet sind.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2021