Mutter-Kind-Pass: Expertenkommission nimmt Arbeit auf

10.02.2014 | Politik

Den Stillstand in Sachen MUKIPA wollte man nicht so einfach hinnehmen. Deswegen haben Vertreter der ÖÄK eine neue „Interdisziplinäre Expertenkommission Mutter-Kind-Pass“ initiiert; diese hat kürzlich ihre Arbeit aufgenommen. Von Agnes M. Mühlgassner

Den Kindesschuhen ist der MUKIPA – er feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen – längst entwachsen. Anlass genug, wieso man sich innerhalb der ÖÄK dazu entschlossen hat, aktiv zu werden und eine Interdisziplinäre Expertenkommission Mutter-Kind-Pass ins Leben zu rufen. Aktiv wird man auch deswegen, weil die beim Obersten Sanitätsrat angesiedelte MUKIPA-Kommission nach dem Ende ihrer Funktionsperiode im Dezember 2012 nicht mehr weiter bestellt wurde. „Ein solches Instrument wie der MUKIPA, der noch dazu aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht derart erfolgreich war und ist, braucht einfach eine ständige fachliche Begleitung“, erläutert Fachgruppenobmann für Gynäkologie und Geburtshilfe in der ÖÄK, Thomas Fiedler, die Hintergründe für diese Aktivität.

Über die breit gefächerte Zusammensetzung der Expertenkommission – ihr gehören Vertreter der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin sowie Vertreter der jeweiligen Fachgruppen in der ÖÄK an – ist Fiedler erfreut. Denn „schon allein aufgrund der hochkarätigen Besetzung und der breiten Vielfalt an involvierten Institutionen ist hier mit einem kräftigen Innovationsschub bei der Versorgung von schwangeren Frauen zu rechnen.“

Die Implementierung der von Fiedler geleiteten Expertengruppe sei „ein erster Schritt“, wie er erklärt. Man habe sich intern darauf geeinigt, primär Vertreter der Kernfächer in die Expertengruppe einzubeziehen. In einem nächsten Schritt sei vorgesehen, auch alle anderen am MUKIPA beteiligten Fachgruppen wie etwa HNO, Orthopädie oder Augenheilkunde einzubinden.

Eine „Erfolgsgeschichte der modernen Medizin“ – das ist der MUKIPA jedenfalls, sagt Fiedler. Lag bei der Einführung desselben im Jahr 1974 die perinatale Mortalität in Österreich bei 23,5 Promille, beträgt sie heutzutage 3,2 Promille.

Allerdings: Der MUKIPA ist in die Jahre gekommen, weswegen – darin sind sich die Mitglieder der Interdisziplinären Expertenkommission einig – eine inhaltliche Adaptierung längst überfällig sei. Univ. Prof. Dagmar Bancher-Todesca von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien dazu: „Seit der Abschaffung der MUKIPA-Kommission hat sich nichts getan. Hier ist wissenschaftlich gesehen seit drei Jahren nichts weiter gegangen.“ Als Beispiel für die zahlreichen Entwicklungen, die es inzwischen auf diesem Gebiet gegeben hat, nennt sie etwa die Prä-Eklampsie-Marker. Und Walter Arnberger – Gynäkologe und ebenfalls Mitglied der Interdisziplinären Expertenkommission – ergänzt: „In Deutschland ist es inzwischen auch selbstverständlich, dass im Rahmen der Schwangerenvorsorge auch auf Chlamydien gescreent wird.“

Kommission hat „Schrittmacher-Funktion“

Als „Schrittmacher“ in der Weiterentwicklung des MUKIPA sieht Fiedler die neue Kommission. So soll evaluiert werden, inwieweit der jetzige MUKIPA in medizinisch-wissenschaftlicher Hinsicht dem „State of the Art“ entspricht, welche ergänzenden Maßnahmen und Untersuchungen jedenfalls notwendig sind und auch, wie künftig die Untersuchungsergebnisse evaluiert werden sollen. Denn bislang wurden die im Rahmen der MUKIPA-Untersuchungen erhobenen Werte nicht ausgewertet.

Bestätigung für die Aktivitäten der Expertenkommission sieht Fiedler durch das Regierungsprogramm gegeben: Ist doch darin explizit die Rede von der „Weiterentwicklung und Attraktivierung des Mutter-Kind-Passes“ …

Der MUKIPA

Mit der flächendeckenden Einführung des Mutter-Kind-Passes im Jahr 1974 hat Österreich eine Entwicklung nachvollzogen, die in vielen anderen europäischen Ländern schon längst etabliert war: Schwangeren-Betreuungsprogramme gibt es in Schweden (seit 1937), in Norwegen (1947), Dänemark (1948), Großbritannien (1951), der Schweiz (1964), Deutschland (1968) und Frankreich (1970).

In Österreich waren zu Beginn der 1970er Jahre die perinatale Mortalität und die Säuglingssterblichkeit doppelt so hoch wie in den skandinavischen Ländern, in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden. Bereits innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Einführung des Mutter-Kind-Passes sank die perinatale Mortalität von 23,5 Promille auf 14,5 Promille.

Modifizierungen folgten: 1987 wurden die ursprünglich vier Untersuchungen um eine fünfte ergänzt sowie auch um zwei (fakultative) Ultraschalluntersuchungen. Auch die Laboruntersuchungen wurden dem aktuellen Wissen angepasst mit dem Ziel, eine sich anbahnende Risikosituation rechtzeitig zu erkennen.

Quelle: Univ. Prof. Sepp Leodolter: 40 Jahre Mutter-Kind-Pass; Gyn-Aktiv 3/2013

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2014

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