Mutter-Kind-Pass: Konsequenz hat sich gelohnt

10.02.2010 | Politik

Die Hartnäckigkeit und die Konsequenz der Ärzte haben sich gelohnt: Das Untersuchungsprogramm zum Mutter-Kind-Pass, bei dem noch im Vorjahr drastische Einschränkungen drohten, wird jetzt im Interesse der Mütter und Kinder erweitert und damit entscheidend verbessert. Von Kurt Markaritzer   

Hitzig wurde im Sommer des Vorjahres eine problematische Änderung beim Mutter-Kind-Pass diskutiert, die von der früheren Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky initiiert worden war: Die bis dahin üblichen internen Untersuchungen bei Schwangeren sollten gestrichen werden. Ein Vorhaben, gegen das Experten wie der Gynäkologe Walter Arnberger, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer in Salzburg, massive Vorbehalte hatten: „Die Annahme, dass man auf diese Untersuchungen problemlos verzichten könnte, lässt sich mit Fakten nicht begründen. Es hat nie eine gründliche Evaluierung der verschiedenen Untersuchungen gegeben. Bei den internen Untersuchungen kann man auch nicht ausländische Beispiele zum Vergleich heranziehen, weil sie in anderen europäischen Vorsorgeprogrammen für Schwangere nicht vorgesehen sind.“

Diesen Standpunkt brachten Arnberger, der steirische Allgemeinmediziner Jörg Pruckner und ÖÄK-Jurist Johannes Zahrl – das Team vertrat die Interessen der Ärzteschaft bei den Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium – in den Verhandlungen mit allem Nachdruck vor. Schließlich hat sich die Kraft der Argumente durchgesetzt. Es ist gelungen, die internen Untersuchungen zu erhalten und die geplanten wesentlichen Neuerungen im Interesse von Mutter und Kind zu erreichen. Neu ist der HIV-Test bei der Erstuntersuchung im Rahmen der Laboruntersuchung bis Ende der 16. Schwangerschaftswoche. Wenn eine bestehende HIV-Infektion nicht bekannt ist, besteht ein bis zu 40-prozentiges Risiko der Übertragung auf das Kind. Durch eine medikamentöse Behandlung und einen geeigneten Geburtsmodus kann die Gefahr aber auf unter zwei Prozent reduziert werden. Deshalb ist die frühzeitige Untersuchung der Schwangeren wichtig; sie ist ab 1. Jänner 2011 eine Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes.

Eine weitere Neuerung ist der orale Glukosetoleranztest im Rahmen der dritten Untersuchung. Auch dieser Test ist ab 1. Jänner 2011 eine Bedingung dafür, dass das Kinderbetreuungsgeld weiter in voller Höhe ausbezahlt wird. Arnberger: „Er bringt ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes auf breiter Basis.“ Das ist deswegen von Bedeutung, weil man damit rechnet, bis zu zehn Prozent mehr Schwangerschaftsdiabetes-Fälle zu entdecken als bisher. Schwangerschafts-Diabetes kann beim Ungeborenen zu übermäßiger Gewichts- und Größenzunahme führen, so dass es nach der Geburt Anpassungsstörungen bekommen kann. Darüber hinaus kann es vermehrt beziehungsweise früher zu Diabetes mellitus beim Kind selbst, aber auch bei der Mutter kommen, wenn Schwangerschaftszucker unentdeckt bleibt. Ist der Glukosetoleranztest in der 25. bis 28. Schwangerschaftswoche auffällig, kann eine engmaschigere Betreuung der Schwangeren, eine Diäteinstellung und unter Umständen eine Insulinbehandlung notwendig werden.

Ein entscheidender Vorteil ist die neue Ultraschalluntersuchung in der 8. bis 12. Schwangerschaftswoche. Arnberger: „Sie ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die weiteren Untersuchungen, die im Mutter-Kind-Pass vorgesehen sind,   möglichst zielgerichtet vorgenommen werden können.“ Durch den Ultraschalltest lässt sich eine exaktere Bestimmung des errechneten Geburtstermins erzielen, man sieht auch frühzeitig, ob es sich um eine vitale Schwangerschaft handelt und ob eine Mehrlings-Schwangerschaft vorliegt. Wenn ja, können die weiteren Untersuchungen rechtzeitig angepasst werden.

Im Mutter-Kind-Pass weiterhin nicht inkludiert ist – nicht nur aus Kostengründen – ein „first-trimester-Screening“ mit einer Nacken-Transparenz-Messung.

Während die rechtlichen Voraussetzungen für die neuen Untersuchungen geschaffen wurden, ist die Frage der Honorierung noch nicht vollständig geklärt. Es ist in den vergangenen Jahren nicht gelungen, eine Valorisierung der Entgelte für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen zu erreichen und die jetzt beschlossenen Neueinführungen erfordern natürlich auch neue Regelungen der Honorierung. Arnberger: „Die Verordnung zum Mutter-Kind-Pass mit den Neuregelungen wurde allerdings erst im Bundesgesetzblatt von 17. Dezember 2009 veröffentlicht und ist bereits mit 1. Jänner 2010 in Kraft getreten. So kurz vor dem Jahreswechsel war es nicht mehr möglich, die Verhandlungen über die Vergütung der Untersuchung mit den Krankenkassen aufzunehmen. Jetzt sind die Gespräche aber in vollem Gange und ich kann sagen, dass sie sehr harmonisch verlaufen.“ Es sind noch „technische“ Fragen zu klären, weil beispielsweise für die neue Ultraschall-Untersuchung erst eine Leistungsposition geschaffen werden muss, doch stehen die Chancen auf eine Einigung gut. Zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe schienen die verrechnungstechnischen Probleme in den meisten Bundesländern bereits geklärt worden zu sein.

Der beachtliche Erfolg im Ringen um Verbesserungen beim Mutter-Kind-Pass motiviert die Verhandler auf Seiten der Ärztekammer, weitere Fortschritte anzustreben. Arnberger: „Wir werden die Kritik, die im Vorjahr an den internen Untersuchungen geübt wurde, nicht ad acta legen, sondern sehen es als unsere Aufgabe an, diese Untersuchungen zu evaluieren und nach Möglichkeit weiter zu entwickeln. Schließlich gibt es nichts Gutes, das nicht noch verbessert werden könnte!“   

Der rechtliche Rahmen

Der Mutter-Kind-Pass dient der gesundheitlichen Vorsorge für Schwangere und Kleinkinder. Er beinhaltet die im Mutter-Kind-Pass-Programm vorgesehenen Untersuchungen während der Schwangerschaft und bis zum fünften Lebensjahr des Kindes, die für Mutter und Kind wichtig sind. Die Untersuchungen sind kostenlos wenn sie von Vertragsärzten der Krankenversicherungsträger durchgeführt werden, bei Wahlärzten erfolgt ein Rückersatz zu 100 Prozent des Kassentarifs.

Die Mütter sollen motiviert werden, möglichst konsequent am Untersuchungsprogramm teilzunehmen. Für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld müssen sie die ersten zehn Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen korrekt durchführen lassen und das auch nachweisen, andernfalls wird das Kinderbetreuungsgeld halbiert.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2010