Interview – Univ. Prof. Peter Hofmann: Ärzte-Burnout: Start der Online-Umfrage

10.11.2010 | Politik

Eine Online-Umfrage unter Ärzten, die von der ÖÄK initiiert wurde und mit 10. November startet, soll harte Fakten liefern, wie sehr Österreichs Ärztinnen und Ärzte von Burnout betroffen sind, wie Univ. Prof. Peter Hofmann von der Universitätsklinik für Psychiatrie der Medizinischen Universität Graz, im Gespräch mit Ruth Mayrhofer erklärt.

ÖÄZ: Sie sind der wissenschaftliche Leiter jener Umfrage, die erstmals für Österreich auf wissenschaftlicher Basis das tatsächliche Burnout-Potenzial bei Ärzten aufzeigen soll. Wie soll diese Studie ablaufen?
Hofmann: Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine sogenannte Onlinebefragung, das heißt, unter maximaler Geringhaltung des bürokratischen Aufwandes haben wir hier ein schlankes, methodisch jedoch sehr ausgereiftes Studiendesign. Der Befragungszeitraum beträgt circa zwei Monate.

Welche wissenschaftlichen Methoden wenden Sie an?
Wir bedienen uns etablierter Erhebungsinstrumente wie Hamburger Burnout-Inventar und Depressionsindex. Bei beiden Fragebögen handelt es sich um sichere, statistisch aussagekräftige Erhebungsinstrumente.

Wie können sich Ärzte konkret an dieser Umfrage beteiligen?
Konkret funktioniert das so, dass Ärzte sich einloggen müssen unter www.burnout-studie.at und das Passwort ‚check‘ eingeben und schon geht es los.

Wieviel Zeit muss ein Arzt für das Ausfüllen des Fragebogens veranschlagen und gibt es dabei Punkte, die zu beachten sind?
Bei allen unseren Untersuchungen stand zentral im Vordergrund, dass die Erhebung für den Einzelnen nicht zu lange dauern darf, sonst wirkt es ermüdend und die Rücklaufquote ist schlecht. Daher haben wir ein Modell entwickelt, das tatsächlich sehr vernünftig mit unseren Zeitressourcen umgeht, mit einem Wort, je nach Schnelligkeit sollte der Zeitaufwand nicht mehr als zehn bis 15 Minuten betragen. Dies hat dazu geführt, dass wir zum Beispiel in unserer letzten großen Untersuchung bei der österreichischen Richterschaft eine Rücklaufquote von über 40 Prozent erreichen konnten, was für diese Art von Untersuchung schlichtweg sensationell ist.

Wie hoch muss die Beteiligung der Ärzteschaft an dieser Studie sein, damit sie als repräsentativ gelten kann?
Zur Frage, ob eine epidemiologische Untersuchung repräsentativ ist, sind Bibliotheken einschlägiger Fachartikel mit verschiedenen Meinungen gefüllt worden. Wir sehen heute Veröffentlichungen von sogenannten bevölkerungsrepräsentativen Stichproben, die einen winzigen Anteil an der Bevölkerung ausmachen und von den Meinungsforschern aber als repräsentativ eingestuft werden. Umgekehrt setzen manche Statistiker einen Anteil von circa einem Drittel als repräsentativ an. Das bedeutet, dass die Bandbreite sehr, sehr groß ist. Aufgrund unserer Erfahrung gehen wir aber davon aus, dass ab einer Rücklaufquote von 20 Prozent zu Recht große Zuversicht besteht, diese Daten sinnvoll interpretieren zu können. Wir gehen aber ganz ehrlich gesagt davon aus, dass das Interesse bei den österreichischen Ärzten sehr groß ist. Dies wissen wir aus zahlreichen persönlichen Kontakten und Rückmeldungen, auch von einschlägigen Veranstaltungen und Seminaren, sodass wir mit einer deutlich höheren Rücklaufquote rechnen.

Warum sollten möglichst viele Ärzte an dieser Umfrage teilnehmen oder anders gefragt: Welchen Nutzen können Ärzte persönlich daraus ziehen?

Nun, gerade der ärztliche Beruf wird immer wieder mit „Ausgebrannt sein“, Überforderung, überlangen Arbeitszeiten, hohem Verantwortungsdruck in Zusammenhang gebracht. Es stellt sich schlichtweg die Frage, was ist hier wirklich dran. Wir lesen Überschriften in Tageszeitungen des Boulevards, wo festgestellt wird, dass zwei Drittel der Ärzte übermüdet, im Burnout, sind. Das verunsichert. Auf der anderen Seite haben wir aus kleineren klinischen Studien konkrete Hinweise, dass die Burnout-Rate bei Ärzten nicht anders ist als in anderen herausfordernden Berufen. Somit geht es schlichtweg darum, einfach tatsächlich einmal festzustellen, wie hoch die Burnout-Quote wirklich ist. Dies ist hier als Möglichkeit gegeben, noch dazu in einer Größenordnung der zu erwartenden Teilnehmenden, sodass wir wirklich fundierte Aussagen treffen werden können. Der Nutzen für die Ärzte liegt zum Einen darin, dass sie unmittelbar, sobald sie alles ausgefüllt haben, eine Rückmeldung in Form einer Auswertung bekommen. Jeder Arzt kann sich daher selbst ein Bild machen, wo er sich als Person ungefähr einordnen kann. Er kann dann im Bedarfsfall hier auch schon entsprechend reagieren, seine Situation überdenken, vielleicht Ressourcen aktivieren beziehungsweise auch einfach zufrieden sein: damit, dass er sehr gut leistungsfähig ist und einen hochverantwortungsvollen Beruf ausübt, ohne dadurch in irgendeiner Form in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein.

Wann ist mit dem Vorliegen der Ergebnisse dieser Studie zu rechnen?

Da es sich um eine Onlinebefragung handelt, ist es im Zeitalter der Computer möglich, praktisch sofort eine Auswertung zu machen. Das heißt, wenn das Zeitfenster innerhalb dessen erhoben wird, geschlossen ist, können wir sofort damit beginnen – nachdem wir zuvor natürlich schon entsprechende Zwischenanalysen gemacht haben – das Gesamtergebnis zu berechnen. Wir werden dann auch Detailfragen analysieren und gehen davon aus, dass wir circa drei bis vier Wochen nach Abschluss der Onlinebefragung ein profundes Elaborat zur Verfügung stellen können. Sollten sich in diesem Zusammenhang für die Landesärztekammern oder andere Gruppierungen innerhalb der Ärztekammer Spezialfragen auftun, die wir dann vielleicht auch noch beantworten können, so ergeben sich weitere Möglichkeiten der Spezialanalyse. Wann dann aber die Ergebnisse ganz konkret der Öffentlichkeit präsentiert werden, kann aus heutiger Sicht noch nicht gesagt werden.

Warum ist für Sie persönlich das Thema Burnout bei Ärzten so wichtig?
Weil wir aufgrund der Tatsache, dass wir in einem helfenden Beruf tätig sind und in diesem oftmals auch aufgehen immer wieder Gefahr laufen, den Grad der Selbstausbeutung zu unterschätzen. Daher ist es sehr wichtig, dass wir Ärzte auch auf uns selber schauen. Uns geht es in dieser Untersuchung beileibe nicht darum festzustellen, wie „krank“ sind die Ärzte, sondern andersherum: Ärzte sind eine Berufsgruppe, die im modernen Betrieb durch die Gesellschaft sehr belastet und beansprucht sind und es geht darum realistisch einzuschätzen, wo brauchen wir Hilfe und genau diese soll ja dann auch bei Einzelnen, wo es auch wirklich notwendig ist, angeboten werden. Wir werden in diesem Zusammenhang einen Algorithmus entwerfen, an dem sich sehr belastete Kollegen hinsichtlich ganz konkreter Hilfsangebote orientieren können.

Sie haben bereits Berichte einer ähnlichen Studie abgeschlossen, erzählen Sie uns doch ein wenig darüber und über die Ergebnisse!
Zu den Ergebnissen kann ich leider noch keine Stellungnahme abgeben, da diese von Seiten der österreichischen Richterschaft noch nicht der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Was man aber sagen kann ist, dass die österreichische Richterschaft genauso wie viele andere Berufsgruppen (Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftstreibende, Wirtschaftstreuhänder etc., Anm.), mit denen wir genau die gleichen Untersuchungen gemacht haben, sehr offenherzig auf diese Projekte zugegangen sind. Die Teilnehmerzahl war sehr, sehr groß. Also die Ärzte werden sich hoffentlich an den anderen Berufsgruppen ein Beispiel nehmen – beispielsweise Vertrauen in die Datensicherheit – aber auch hinsichtlich zu erwartender Ergebnisse. Weil eines können wir aufgrund unserer Datenbasis generell feststellen: Die Belastungen in geforderten Berufsgruppen sind im Wesentlichen gleich.

Zur Person

a.o.Univ. Prof. Dr. med. Peter Hofmann

geb. 1961 in Wien
Studium an der medizinischen Fakultät an der Universität Wien mit Schwerpunkt Psychopharmakologie bei Univ. Prof. Dr. G. Langer
1987: Promotion
Ausbildung zum Facharzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien, AKH
Seit 1990 an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Graz tätig
Seit 1993: Facharzt für Psychiatrie und Neurologie
1996: Verleihung der Venia docendi für Psychiatrie
Seit 1997: Gerichtspsychiater
Zahlreiche Publikationen in Büchern und internationalen Fachzeitschriften, Vortragender, Seminarleiter und Coach

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2010