Interview – Dr. Lothar Fiedler: Facharzt als Hausarzt

25.10.2010 | Politik

Das neue Hausarztmodell wirft auch einige Fragen auf. So zum Beispiel, wie künftig der Spagat zwischen Facharzt und Hausarzt möglich sein kann. Lothar Fiedler, Internist und geschäftsführender Obmann der Bundessektion Fachärzte der ÖÄK, gibt im Gespräch mit Birgit Oswald Antworten.


ÖÄZ: Das Hausärztemodell sieht vor, dass der Hausarzt seine Patienten zu Fachärzten überweist. Welche Fachärzte sollen und können zukünftig direkt vom Patienten angesteuert werden?

Fiedler: Primär ist es angedacht, dass jeder Patient einen Hausarzt festlegt. Meist wird es ein Allgemeinmediziner sein, manchmal auch ein Internist, im Prinzip jeder Facharzt, oft ein Kinderarzt. An den Hausarzt, den sich der Patient ausgesucht hat, sollen alle medizinischen Informationen, alle Befunde geschickt werden, damit dieser immer Bescheid weiß, ganz egal, wohin sich der Patient gewandt oder woher er eine medizinische Leistung erhalten hat. Auf diesem Weg wird es dem Hausarzt möglich, den Patienten durch das Gesundheitssystem zu lotsen und für ihn zu koordinieren. Es kann aber auch sein, dass ein Patient seinen HNO-Arzt als Hausarzt angibt, weil er eben ein ganz spezielles HNO-Problem, wie etwa Stimmbandkrebs, hat. Hier muss berücksichtigt werden, dass der Patient häufig zu Kontrollen gehen muss, ohne sich vorher überweisen zu lassen.

Es gibt Fachärzte wie etwa den Gynäkologen oder Augenarzt, die routinemäßig jährlich konsultiert werden. Unterliegen auch Befunde solcher Fachärzte der hausärztlichen Verwaltung?

Ja, außer der Patient möchte das nicht. Das muss dann auch zur Kenntnis genommen werden, aber prinzipiell ist es natürlich für den Patienten zum Vorteil, wenn sein Vertrauensarzt alle Befunde zur Verfügung hat und so über bestehende Krankheiten, die gesamte Medikation etc. Bescheid weiß.

Ist für diese Routinebesuche dann im Vorfeld auch eine Überweisung vom Hausarzt erforderlich?
Da muss man abklären, in welcher Form das Hausarztmodell von der Politik und den Sozialversicherungen angenommen wird. Bei einer Reihe von Sozialversicherungen gibt es in manchen Bundesländern einen beschränkten Zugang zum Facharzt, außer mit Überweisung. Zumindest muss jeder Patient automatisch einen Zugang zu zwei Fachärzten haben, wo er dann von seinem Hausarzt keine Überweisung fordern muss. Welchen der Fachärzte der Patient sich wählt, wird vielleicht in jedem Quartal ein anderer sein. Der Augenarzt wird wahrscheinlich einmal im Jahr besucht werden. In einem Quartal kann dann beispielsweise der Augenarzt und HNO-Arzt aufgesucht werden und im nächsten Quartal der Gynäkologe oder Internist. Sollten weitere Facharztkonsultationen notwendig sein, wird sich der Patient eine Überweisung vom Hausarzt holen müssen. In jedem Quartal kann der Patient auch wie bisher nur zu einem Allgemeinmediziner gehen.

Wie ist gesichert, dass der Patient nicht von sich aus mehrere Fachärzte pro Quartal besucht?
Auf der E-Card sind Vermerke, so wird auch jetzt bereits ‚gesteuert’. Beim Stecken der E-Card erscheint eine Meldung, welche eine Kassenabrechnung blockiert. In diesem Fall muss eine Überweisung vom deklarierten Hausarzt geholt werden, dieser kann unlimitiert zu Fachärzten überweisen.

Warum ist die Koordinationsfunktion im Hausarztmodell so zentral?
Es geht darum, dass der Patient sich nicht von selbst zwischen dem Hausarzt und dem Facharzt bewegen muss. Hier geht es auch um medizinische Kompetenz, da der Patient kaum dazu im Stande ist, zu entscheiden, bei welchem Facharzt er die entsprechende und notwendige Behandlung für das jeweilige Problem bekommt. Natürlich kann der Patient bei einigen Fachärzten wie dem Augenarzt oder dem Gynäkologen abschätzen, mit welchen Anliegen er diese aufzusuchen hat. Bei komplexeren Krankheitsbildern obliegt diese Entscheidungskompetenz aber seinem Vertrauensarzt, seinem Hausarzt.

Wenn auch Fachärzte als Hausärzte fungieren können, werden diese ebenso wie Allgemeinmediziner Hausbesuche tätigen?

Wenn sich ein Facharzt als Hausarzt zur Verfügung stellt, dann wird er das gegebenenfalls auch tun. Aber es ist auch jetzt nicht gesichert, dass ein Allgemeinmediziner Hausbesuche macht.

Was wird der nächste Schritt bezüglich des Hausarztmodells sein?

Die Politik muss das Modell annehmen. Die Ausarbeitung liegt dann im Detail.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2010