ELGA/E-Medikation: Auf der Kippe?

10.10.2010 | Politik


Die Diskussionen rund um ELGA und E-Medikation nehmen kein Ende. Während ELGA als Großprojekt insgesamt nicht ausgereift erscheint, könnte aufgrund von ungelösten Finanzierungsfragen auch der Start der geplanten E-Medikation-Pilotprojekte noch in letzter Minute scheitern.

Von Ruth Mayrhofer

Als „eine sehr unausgereifte Angelegenheit“ bezeichnet Artur Wechselberger, Vizepräsident der ÖÄK und Präsident der Tiroler Ärztekammer die Bemühungen, ELGA auf die Beine zu bringen. Derzeit liegt zum ELGA-Gesetz, das 2011 beschlossen werden soll, ein Vorentwurf vor; der Begutachtungsentwurf steht somit unmittelbar vor der Tür. „Es kann aber nicht sein, dass ‚schnell, schnell‘ dieses ELGA-Gesetz beschlossen wird und alles andere egal ist“, gibt Wechselberger zu bedenken. Denn: Zum einen sei noch immer kein schlüssiger Beweis für eine ausgewogene Kosten-Nutzen-Relation von ELGA erbracht, weiters gäbe es noch immer beim Datenschutz ungelöste Fragen. Das zu beschließende Telekommunikationsgesetz, in dem ELGA und E-Medikation geregelt sein werden und das sich mit dem Schutz von doch höchst sensiblen Gesundheitsdaten im elektronischen Bereich befasst, wird sicherlich noch große Diskussionen zum Thema Datenschutz auslösen.

ELGA: ein Rohrkrepierer?

Außerdem besteht die Gefahr, dass mit ELGA ein technisch tatsächlich schon veraltetes System eingeführt werden könnte. „ELGA soll doch bitte alles ausspielen, was die moderne Elektronik den Ärzten zur Verbesserung des Behandlungsprozesses anbieten kann!“, appelliert Wechselberger. So wäre es wichtig, wenn seitens der Ärzteschaft punktgenau auf Einzelparameter, die zu verschiedenen Zeitpunkten und an verschiedenen Orten erstellt wurden, zugegriffen werden könnte, um diese auf einen Blick vergleichen zu können: Zum Beispiel einzelne für die Behandlung eines Patienten wichtige Parameter aus den letzten zehn Blutbefunden eines Zeitraumes, ohne sich zunächst durch einen Wust von überflüssigen Informationen (Stichwort: Befund-Sammelsystem) durchkämpfen zu müssen. „Hier geht es einerseits um den Zeitfaktor und die Haftung, andererseits um einen tatsächlichen Mehrwert für die Ärzte genauso wie für die Patienten“, erklärt der Vizepräsident. Dafür müssten jedoch die Befunde sehr detailliert erfasst werden, dass sie über ELGA mit Mehrwert für die Anwender abrufbar sind. Wechselbergers Schlussfolgerung: „Solange ELGA auf einem Befund-Sammlungs- und Managementkonzept aufbaut und letztlich lediglich den Befundaustausch bewerkstelligt, kann das Projekt nur ein sündteurer Rohrkrepierer werden!“

E-Medikation: Scheitern in letzter Minute?

Als Teilprojekt von ELGA sollen ab Anfang Dezember 2010 Pilotversuche in Sachen E-Medikation in Wien, Tirol und Oberösterreich starten (die ÖÄZ hat berichtet). Die E-Medikation erlaubt im Zusammenspiel mit Arzt-, Krankenhaus- und Apotheken-Software den Abgleich von Medikationsdaten. Allerdings spießt es sich auch hier. Anspruch der ÖÄK war und ist es, dass dadurch der Ärzteschaft keine zusätzlichen Kosten im Software-Bereich und im Praxisablauf entstehen dürften. In der Realität zeigt sich jedoch, dass gerade Software-Firmen das große Geschäft wittern dürften. Softwarekosten von zwischen 2.000 und 700 Euro pro Arzt stehen im Raum; nicht mitgerechnet sind dabei die Folgekosten, etwa im Bereich der Wartung. „Wir (die ÖÄK, Anm.) haben in einem Brief an Bundesminister Stöger deutlich gemacht, dass, wenn man die E-Medikation will, dieses Projekt nicht zu Lasten der Dienstleistungserbringer gehen darf“, stellt Wechselberger klar. Und außerdem: „Wir werden erst bereit sein, unsere Unterschrift zu leisten, wenn diese Frage beantwortet ist“.

Conclusio: Man wird wohl weiter gespannt der künftigen Entwicklungen harren (müssen).

„Es gibt noch immer keinen schlüssigen Beweis für eine ausgewogene Kosten-Nutzen-Relation“
Artur Wechselberger

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2010