Wer als politisch interessierter Mensch aktuell die Unzahl an diversen Elefantenrunden, Gipfelduellen, Zweierduellen, Sommergesprächen und was es an Formaten sonst noch gibt, verfolgt, der wird sich angesichts der Themen vielleicht etwas wundern. Nämlich über den Stellenwert, den Gesundheitsthemen einnehmen. Die Frage, mit welchen Konzepten die Gesundheitsversorgung in diesem Land wieder nach vorne gebracht werden soll, bleibt meist eine kurze Randnotiz mit ein oder zwei Sätzen oder auch gänzlich inexistent. Das ist erschütternd – fast ebenso wie die „Ideen“, die dann doch hin und wieder in Spurenelementen zur Sprache kommen: Termingarantie hier, Berufspflicht da – das sind vielleicht griffige Sager aus der Populismus-Schublade, aber keine ernsthaften Lösungskonzepte für die Herausforderungen, die uns und unserem Gesundheitssystem gerade in den nächsten fünf Jahren bevorstehen werden: Konzernisierung, die Finanzierung des solidarischen Gesundheitssystems, der Umgang mit Digitalisierung und KI – all das wären Problemstellungen, die es verdient haben, dass man ihnen mit der nötigen Denktiefe und dem gebotenen Verantwortungsbewusstsein begegnet.
Wartezeiten und Versorgungsengpässe werden sich bessern, wenn das Gesundheitssystem mit unseren Lösungsrezepten behandelt wird: Bessere Arbeitsbedingungen, verbindliche Patientenlenkung, Erhöhung der Gesundheitskompetenz, Ausbau der Prävention, um nur einige unserer zahlreichen Forderungen und Ansätze zu nennen.
In eine ganz falsche Richtung führen uns jedenfalls Zwangsverpflichtungen nach dem Studium. Das haben wir bereits mehrfach betont: Zwangsverpflichtungen verschärfen die aktuellen Probleme nur und bescheren Österreich einen klaren Wettbewerbsnachteil im internationalen Wettstreit um die besten Köpfe für unsere medizinische Versorgung. Es ist unverständlich, dass die Politik nicht auf uns hört und lieber Luftschlösser baut. Denn natürlich wissen wir aus dem Gutachten des Medizinrecht-Experten Karl Stöger, dass zwangshafte Verpflichtungen nicht nur verfassungswidrig, sondern auch unionsrechtswidrig wären. Niemand kann ernsthaft dem Fachkräftemangel mit Zwangsverpflichtungen begegnen wollen – wer weiß, wer nach den Ärztinnen und Ärzten die nächsten wären? Die DDR lässt grüßen.
Notwendig sind bessere Anreize, damit Ärztinnen und Ärzte wieder gerne im öffentlichen Gesundheitssystem arbeiten – anders wird es nicht gehen.
Dr. Johannes Steinhart
Präsident der Österreichischen Ärztekammer
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.9.2024