Die Nationalratswahl ist geschlagen und Koalitionen werden sich in den politischen Verhandlungen mit taktischem Geschick finden müssen. Wo es aber keine taktischen Manöver geben darf, ist unsere Gesundheitsversorgung. Die Österreichische Ärztekammer wird genau schauen, welche Wahlversprechen eingehalten werden. Etwa die 800 neuen Kassenstellen, die uns die ÖVP verheißen hat oder dass sich alle Parteien, bis auf die FPÖ, zu einer verbindlichen Lenkung der Patienten durch das Gesundheitssystem bekannt haben.
Die Patientenlenkung ist das zentrale Postulat für die Zukunft. Die Patienten dürfen nicht länger ungesteuert im System schwimmen und dort andocken, wo es ihnen gerade passt. Die ÖÄK hat in ihrem im August präsentierten „Regierungsprogramm“, das wir den Parteien übergeben haben, Konsens erzielt, dass die Patienten zuerst – falls eine digitale Abklärung nicht genügt – im niedergelassenen und erst dann im stationären Bereich zu versorgen sind. Als Eintrittskarte ins System könnte die e-Card oder die Gesundheitshotline 1450 fungieren. Wir stehen für eine gemeinsame Umsetzung gerne zur Verfügung.
Gleiches gilt für die Kooperation mit der Gesundheit Österreich GmbH, die jene Daten an die Politik liefert, auf deren Basis das Gesundheitssystem aufgestellt wird. Welche Schlüsse aus diesen Daten gezogen werden, das wissen wir als Ärzte am besten – und auch, was für unsere Patienten am besten ist. Die ÖÄK muss mit einbezogen werden.
Und wir wissen auch, dass es sinnlos ist, Ärzten oder Medizinstudium-Absolventen mit Zwangsverpflichtungen zu drohen. Ich warne vor dem Irrglauben, jemanden mit Zwang zu etwas verpflichten und damit reüssieren zu können. Und ich gebe auch zu bedenken, dass – auch wenn die Politik aktuell auf dieser Welle schwimmt – es nicht überall in Österreich zielführend ist, neue Primärversorgungszentren als Lösung aller Probleme zu propagieren.
Wir haben ein organisch gewachsenes Gesundheitssystem, in dem unsere Ärztinnen und Ärzte in herausragender Weise ihre Leistungen erbringen. Wir müssen daher aufpassen, dass die Politik nicht massiv Einfluss nimmt und zentralistische Methoden anwendet, ohne zu bedenken, welche Effekte das auf bestehende Systeme hat. Wir werden daher auch gegenüber der neuen Regierung einfordern, dass die Politik denjenigen zuhört, die die Leistung erbringen.
Dr. Harald Schlögel
1. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2024