Standpunkt Harald Schlögel: Die große Chance

10.06.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben – das ist derzeit überall zu hören. Es ist wahr, gerade in der Medizin gibt es keinen Bereich, der nicht von der KI zumindest berührt werden wird. Auch der Arztberuf selbst wird sich dadurch verändern, die Aufgaben werden sich wandeln. Das ist aber nichts, wovor man Sorge haben müsste. Ich denke, die wenigsten von uns würden es schmerzlich vermissen, händisch Arztbriefe zu erstellen und die wenigsten würden eine automatische Terminvergabe ablehnen. Zudem könnte eine KI nach Befundung durch Spracheingabe die Symptome erheben, automatisch codieren und darauf basierend Therapievorschläge erstellen.

Auch für die Patientinnen und Patienten ließen sich erhebliche Verbesserungen erreichen, die gleichzeitig auch unser System entlasten könnten: Für Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen würden die Teilnahmeraten durch Erinnerungsfunktionen oder automatisierte Einladungen via App deutlich steigen. So könnte die Digitalisierung den Gesundheitsstatus der Bevölkerung heben, wobei sich gleichzeitig die Frage stellt, inwieweit eine Sozialversicherung auch Pflichten für die Versicherten mit sich bringt.

Investitionen in Digitalisierung zahlen sich auch wirtschaftlich aus: Im Digitalisierungsbericht der Republik wird mit Berufung auf WIFO-Berechnungen festgehalten, dass jeder investierte Euro nicht nur wieder eingespielt wird, sondern weitere 1,2 Euro im Wirtschaftssystem einbringt. Alleine durch den verstärkten Einsatz von KI ließen sich bis 2035 sieben Milliarden Euro mehr Wertschöpfung in Österreich realisieren.

Entscheidend ist: Die Ärzteschaft muss federführend am digitalen Wandel der Medizin mitarbeiten. Gegen das Unaufhaltsame anzukämpfen ist sinnlos und auch der Datenschutz darf kein Hemmschuh sein. Der Arztberuf wird sich wie erwähnt verändern – hin zum Interpreten der KI-Therapievorschläge und zum Entscheider, denn es ist klar, dass die Hoheit über Diagnose und Therapie weiterhin bei Arzt und Ärztin liegen muss. Und schlussendlich muss die Vernetzung zwischen niedergelassenem und angestelltem Bereich verbessert werden. Wer jemals Krankenhaus-Befunde auch 2024 noch auf Papier bekommen hat, weiß, wovon ich spreche. Auch die Umsetzung einer vernünftigen patient summary wäre für alle Beteiligten ein großer Gewinn. Sehen wir also die Digitalisierung als das, was sie ist: Eine große Chance.

Dr. Harald Schlögel
1. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2024