Standpunkt: Johannes Steinhart: Sorge um Versorgung

25.10.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Strukturplanung – gute Strukturplanung – hat auch etwas damit zu tun, dass man die Rahmenbedingungen kennt. Jahrelange Erfahrung mit den örtlichen Gegebenheiten spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Expertise in diesem konkreten Bereich. Und es hat auch etwas damit zu tun, dass man diejenigen, die von solchen Planungen betroffen sind, miteinbezieht. Ganz besonders dann, wenn es sich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung handelt.

Geht es nach aktuell in der Politik kursierenden Plänen, soll in Sachen Planung für den niedergelassenen Bereich nichts so bleiben wie es ist. Den Stellenplan in der derzeitigen Form soll es nicht mehr geben. Künftig soll die Sozialversicherung Kassenstellen ausschreiben. Einzelverträge außerhalb des Gesamtvertrages sollen ebenso möglich sein wie Sondervereinbarungen neben dem Einzelvertrag. All das soll künftig ohne Zustimmung der Ärztekammern erfolgen. Die Überlegungen gehen noch weiter: Auch die Parteistellung der Kammern bei der Gründung von Ambulatorien soll es nicht mehr geben. Dafür soll nun die Wirkstoffverschreibung Realität werden.

Zu glauben, dass die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich besser wird, wenn die Ärztekammer von allen Planungen und Entscheidungen ausgeschlossen wird, ist ein Trugschluss. Zu glauben, dass dann – bei unverändert unattraktiven Rahmenbedingungen – mehr Ärztinnen und Ärzte in diesem System arbeiten wollen, ist eine Illusion. Denn dass die Rahmenbedingungen für eine ärztliche Tätigkeit im Kassenbereich verbessert werden sollen, davon ist nicht die Rede. Was wir brauchen, ist ein modernes System, in dem Ärztinnen und Ärzte gerne arbeiten, genug Zeit haben, um ihre Patienten betreuen zu können, und in dem zeitgemäße Leistungen auch entsprechend honoriert werden.

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind die Gestalter der medizinischen Versorgung im niedergelassenen Bereich. Der niedergelassene Arzt ist ein freier Beruf. Wer wissen will, was passiert, wenn Systeme verstaatlicht werden, muss nur nach Großbritannien schauen. Dort erleben es die Menschen Tag für Tag, dass das Gesundheitssystem nicht funktioniert.

Es ist ein Akt der Respektlosigkeit und auch der Ignoranz, so mit denjenigen umzugehen, die die Versorgung im niedergelassenen Bereich in den vergangenen Jahrzehnten in hervorragender Weise sichergestellt haben: die Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin sowie die Fachärztinnen und Fachärzte.

Dieses bewährte System der medizinischen Versorgung im niedergelassenen Bereich aufs Spiel zu setzen, ist fahrlässig.

Dr. Johannes Steinhart
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2023