Standpunkt: Johannes Steinhart: Kaputtgespart

25.01.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Was wir jetzt erleben im Gesundheitssystem, sind die Auswirkungen von eineinhalb Jahrzehnten verfehlter Gesundheitspolitik: An allen Ecken und Enden fehlen Ärztinnen und Ärzte, die Infrastruktur in den Spitälern ist zum Teil heillos veraltet, die Wartezeit für Patientinnen und Patienten auf eine Behandlung oder Operation unerträglich lang. Dazu kommt eine in meinen Augen völlig abstruse Diskussion über die Wahlärzte: Tatsache ist, dass ohne sie die gesundheitliche Versorgung in vielen Bereichen schon längst kollabiert wäre.

Was uns die damals Verantwortlichen bei der Gesundheitsreform 2012 vollmundig als ‚Dämpfungspfad‘ präsentiert haben, damit die Kosten im Gesundheitswesen nicht explodieren, war reiner Aktionismus. Dieser Dämpfungspfad – ein Euphemismus – war und ist in Wirklichkeit nichts Anderes als ein knallharter Sparkurs im gesamten Gesundheitswesen. Nur der Vollständigkeit halber: Auch bei der Planung dieser Gesundheitsreform war die Ärztekammer nicht eingebunden.

Das Ergebnis: Ein bis dahin in vielen Bereichen gut funktionierendes – in manchen Bereichen sogar sehr gut funktionierendes – Gesundheitssystem wurde systematisch kaputtgespart.

Die Leidtragenden sind Ärzte und Patienten gleichermaßen: Strukturen wurden zurückgefahren, Kassenstellen und Planposten werden und können nicht nachbesetzt werden, die Honorierung der ärztlichen Leistungen hinkt der tatsächlichen Preisentwicklung schon lange hinterher. Die Pandemie hat schonungslos offengelegt, woran unser Gesundheitssystem schon lange krankt – und was dringend notwendig ist: Investitionen in Ärzte und Pfleger, Investitionen in die medizinische Ausstattung von Spitälern, Zeit für Ärztinnen und Ärzte für die Patienten und für die Ausbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen.

Die Frustration über diesen Zustand hat bei Ärztinnen und Ärzten sowie bei Patientinnen und Patienten ein noch nie da gewesenes Ausmaß erreicht. Die unterschiedlichsten Befragungen über Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit sind eine traurige Bestätigung dessen, was Ärzte und Patienten Tag für Tag gleichermaßen erleben: Das Gesundheitssystem ist kaputtgespart. Nichts geht mehr.

Die Verhandlungen zum Finanzausgleich stehen an: Allen Beteiligten muss klar sein, dass endlich Schluss sein muss mit dem permanenten Sparkurs im Gesundheitswesen. Und allen Beteiligten muss spätestens jetzt klar sein, dass mehr Geld ins Gesundheitssystem fließen muss – und zwar in alle Bereiche.

Dr. Johannes Steinhart
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2023