Stand­punkt Harald Schlö­gel: Das große Ganze

10.05.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

In den kom­men­den Mona­ten hat Öster­reich wie­der die Chance, sein Gesund­heits­sys­tem end­lich neu und zukunfts­si­cher auf­zu­stel­len. Diese Chance, bei den 15a-Ver­hand­lun­gen zum Finanz­aus­gleich nach­hal­tig die Wei­chen für die Gesund­heits­ver­sor­gung unse­rer Bevöl­ke­rung zu stel­len, muss unbe­dingt ergrif­fen wer­den. Bis zu den nächs­ten Ver­hand­lun­gen könnte der Scha­den bereits zu groß sein.

Die Rich­tung, in die es gehen muss, ist aus Sicht der Ärz­te­schaft klar: Es muss Schluss sein mit dem Her­um­schie­ben von Pati­en­ten und von Geld. Im Mit­tel­punkt aller Über­le­gun­gen hat immer noch der Mensch und seine best­mög­li­che medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung zu ste­hen. Diese wird durch die älter wer­dende Bevöl­ke­rung und den medi­zi­ni­schen Fort­schritt auch mehr kos­ten – und vor allem benö­tigt sie auch mehr Per­so­nal. Dafür braucht es mehr Geld im Sys­tem und kein Umfül­len zwi­schen kom­mu­ni­zie­ren­den Gefä­ßen. Ent­schei­dend wird es sein, ein Werk­zeug zur Pati­en­ten­len­kung zu schaf­fen, das zum einen prak­ti­ka­bel ist, zum ande­ren aber auch die freie Arzt­wahl gewährleistet.

Ein Land mit acht Mil­lio­nen Ein­woh­nern, das neun unter­schied­li­che Kata­loge für Kas­sen­leis­tun­gen hat, das ist alles andere als eine moderne und pati­en­ten­ori­en­tierte Form der Gesund­heits­vor­sorge. Das bedeu­tet näm­lich im Extrem­fall, dass auf der einen Stra­ßen­seite andere Leis­tun­gen bezahlt wer­den als auf der ande­ren, weil dort die Bun­des­län­der­gren­zen ver­lau­fen. Ebenso ist es nicht erklär­bar, warum kranke und bett­lä­ge­rige Men­schen gezwun­gen wer­den, sich auf den Weg zur nächs­ten offe­nen Apo­theke zu machen, statt den Ärz­ten das Dis­pen­sier­recht zu geben. Es ist erfreu­lich, dass sich die Kas­sen­spitze nun dafür stark machen möchte, dass mehr Geld ins Gesund­heits­sys­tem kommt, damit end­lich ein ein­heit­lich hono­rier­ter Gesamt­ver­trag in Öster­reich mög­lich wird. Es bleibt zu hof­fen, dass auch bei der ärzt­li­chen Medi­ka­men­ten­ab­gabe ein Nach­denk- und Ein­lenk­pro­zess einsetzt.

Mein Appell an die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen: Ergrei­fen Sie die Chance, ver­ges­sen Sie den engen Hori­zont der Legis­la­tur­pe­ri­oden und schauen Sie auf das große Ganze. Die kom­men­den Gene­ra­tio­nen und ihre Gesund­heit wer­den von die­ser Wei­chen­stel­lung abhän­gig sein. Wir Ärz­te­ver­tre­ter ver­fü­gen über haut­nahe Exper­tise in die­sen Fra­gen, arbei­ten wir gemein­sam an die­sem Ziel!

Dr. Harald Schlögel
1. Vize­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2023