Standpunkt Johannes Steinhart: Stillstand ist Rückschritt

26.09.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

So wie es derzeit aussieht, wird das 50-jährige Jubiläum des Mutter-Kind-Passes nur wenig Anlass zum Feiern geben. Die Einführung des MUKIPA, die auf die Initiative von Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter zurückging, war einst wegweisend: Konnte doch damit die Säuglingssterblichkeit in Österreich, die damals doppelt so hoch war wie zum Beispiel in Deutschland, auch in Österreich rasch verringert werden.

Der medizinische Fortschritt der 1980er und 1990er Jahre spiegelte sich unmittelbar im MUKIPA wider mit der Weiterentwicklung des Leistungsangebots. Dafür sorgte die beim Obersten Sanitätsrat angesiedelte und mit Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen besetzte MUKIPA-Kommission. Vor einigen Jahren jedoch, als Alois Stöger zuständiger Gesundheitsminister war, war Schluss damit: Die MUKIPA-Kommission wurde mit dem Auslaufen der Funktionsperiode Ende 2012 nicht mehr wiederbestellt.

Ab diesem Zeitpunkt konnte dieses beratende Gremium nicht mehr mitreden. Um die medizinisch-wissenschaftliche Aktualität weiterhin zu gewährleisten, hat die ÖÄK im Jahr darauf zusammen mit den wissenschaftlichen Gesellschaften die interdisziplinäre Expertenkommission ins Leben gerufen. Denn der medizinische Fortschritt hat nicht innegehalten. Während etwa Deutschland schon längst das Chlamydien-Screening implementiert hat, lassen fachliche Adaptierungen in Österreich derzeit auf sich warten – das gilt auch für den Prä-Eklampsie-Marker. Und dass es den MUKIPA im Jahr 2022 noch immer nicht digital gibt, ist fast schon ein Anachronismus.

Auch die unzähligen Entwicklungen in der modernen Geburtshilfe sind nicht berücksichtigt: die enorme Zahl der durch IVF herbeigeführten Schwangerschaften, die Entwicklungen in der Pränataldiagnostik und der hohe Anteil der Wunschkaiserschnitte. All diesen Entwicklungen gemeinsam ist der damit einhergehende enorme Aufklärungsbedarf – bei unverändert 18 Euro Honorar. Die Anpassung des Honorars für die MUKIPA-Untersuchung liegt 28 Jahre zurück.

Österreich darf vom einstigen Vorreiter in punkto MUKIPA nicht zum Nachzügler werden. Der von einer Ärztin zum Wohl von Müttern und Kindern ins Leben gerufene MUKIPA soll auch im 50. Jahr seines Bestehens, im Jahr 2024, eine Erfolgsgeschichte sein.

Dr. Johannes Steinhart
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2022