Interview Markus Opriessnig: „Richtiger Einsatz der Jungen“

15.07.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Der neue Präsident der Ärztekammer Kärnten, der Allgemeinmediziner Markus Opriessnig, spricht im Interview mit Sophie Niedenzu über die Eingangskriterien beim Medizinstudium, die Gefahr, zu viele Wissenschaftler zu produzieren, über Sabbatical-Modelle und die Einbindung von erfahrenem Personal in die Ausbildungstätigkeit.

Sie sind in einer gemeinsamen Liste der niedergelassenen und angestellten Ärzte angetreten, das symbolisiert einen gewissen Zusammenhalt zwischen den beiden Kurien. Was haben Sie sich für Ihre Funktionsperiode vorgenommen? Unsere Liste WSKTN (Verein Wahlärzte Spitalsärzte und Kassenärzte Kärnten) ist traditionell eine Liste, die es sich von Anfang an zum Ziel gesetzt hat und es sich auch hinkünftig zum Ziel setzen wird, sich für die Wahrung der Interessen der Kärntner Ärzteschaft im Gesamten, unter Miteinbeziehung aller Kollegen – sowohl Angestellte als auch Niedergelassene, sowohl Kassen,- als auch Wahlärzte – einzusetzen. Themen gibt es hier einige zu behandeln: Attraktivierung des Hausarztberufes, Verbesserungen des Leistungskatalogs der Niedergelassenen, der Erhalt des vielfach systemrelevanten Wahlarztsystems, bessere Arbeitsbedingungen für die Angestellten, um nur ein paar zu nennen.

Sie sind als Allgemeinmediziner sowohl als Kassenarzt, als auch als Privatarzt tätig. Weswegen haben Sie sich dafür entschieden? Ich würde mich in erster Linie als einen klassischen „Hausarzt“ bezeichnen, der Kassenmedizin betreibt und nicht als Privatarzt. Natürlich biete ich auch Privatleistungen an, die dem Patienten von der Krankenkasse nicht bezahlt werden und auch ab und an von Patienten in Anspruch genommen werden. Dies ist aber nur eine Randerscheinung in unserer Ordination, bei der ich keine wesentlichen Vorteile erkennen kann.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation für Kassenvertragsärzte allgemein und für die Jüngeren? Der Einstieg in das Kassenvertragsverhältnis ist derzeit kein einfacher. Man findet sich plötzlich und relativ unvorbereitet in verschiedensten Materien unseres Rechtssystems wieder und wird noch dazu mit einer massiven Welle von Bürokratie konfrontiert. Auch ist es so, dass die hohen Investitionskosten bei gleichzeitig häufig fehlender Unterstützung von Land bzw. Gemeinden viele Kollegen davon abhalten, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Inwieweit kann die Allgemeinmedizin aufgewertet werden? Der erste Schritt in die richtige Richtung wäre es, den Facharzt für Allgemeinmedizin zu implementieren. Nichtsdestotrotz wird man sich in weiterer Folge aber auch Strategien überlegen müssen, wie man den Beruf des Allgemeinmediziners vor allem in ländlichen Regionen wieder attraktiver macht und auch die dazugehörigen Ausbildungstakte modifizieren kann.

Welche Meilensteine hat es in Kärnten bzw. Österreich gegeben, die zu einer Verbesserung der Arbeitssituation bei Ärzten geführt hat? In Kärnten hat es im Jahr 2015 im Angestelltenbereich unter Federführung von WSKTN und dem damaligen Präsidenten Josef Huber eine massive Verbesserung der Arbeitssituation gegeben. Leider hat man es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, an diesen damaligen Erfolg anzuknüpfen.

Stichwort junge Generation: Was halten Sie davon, dass österreichweit viele private Medizinunis neben den öffentlichen bestehen? Es geht nicht darum, wo die Ausbildung stattfindet. Privatunis sind eine durchaus nützliche Ergänzung zum öffentlichen Angebot. Hauptsache ist es doch, eine geeignete und ausreichende Anzahl an Nachwuchs zu lukrieren.

Inwiefern sollte die Quotenregelung als Eingangskriterium für das Medizinstudium überarbeitet werden? An der Quotenregelung und den Eingangskriterien, sprich dem Medizin-Aufnahmetest Med-AT, wird man insofern Überarbeitungen anstreben müssen, als dass es gelingen muss, einerseits wieder mehr einheimische Studenten zu gewinnen die auch in weiterer Folge ihren beruflichen Mittelpunkt in Österreich planen. Hier spielt auch die Anzahl der Studienplätze bzw. die Anzahl der Absolventen eine wesentliche Rolle. Im derzeitigen System ist es ja auch so, dass die aktuellen Zulassungsmodalitäten zum Studium für viele motivierte und wahrscheinlich durchaus geeignete Kandidaten eine unüberwindbare Hürde darstellen, überhaupt das Medizinstudium beginnen zu können. Das System läuft Gefahr, zu viele „Wissenschaftler“ und zu wenig „Basispersonal“, ohne die es aber vor allem in Peripheriekrankenhäusern und der ländlichen Niederlassung nicht gehen wird, zu produzieren. 

Welche Anreize müssten geschaffen werden, damit junge Ärzte nach ihrer Ausbildung in Österreich bleiben? Die Ausbildung muss attraktiver und spannender

werden, sodass es gelingt, vermehrt Kollegen für das Krankenhaus zu motivieren und zu gewinnen. Der richtige Einsatz der Jungen ist dabei der entscheidende Faktor. Das beginnt bereits im KPJ: Beibringen und Vorzeigen ist hier die Devise, anstatt den Nachwuchs mit sinnloser Zettelwirtschaft und inadäquater Tätigkeit zu demotivieren. Ausbildungsverantwortliche müssen sich ihrer Verantwortung wieder bewusstwerden und die Bürokratie gehört aus der Ausbildung größtmöglich verbannt!

Umgekehrt: Was müsste getan werden, damit erfahrene angestellte Ärzte auch bis ins hohe Alter im Spital bleiben, um die Weitergabe vom Knowhow zu sichern?

Was wären altersgerechte Arbeitszeitmodelle? Hier sind natürlich in erster Linie die Betreiber der Krankenanstalten in die Pflicht zu nehmen, entsprechende Modelle zu entwickeln und anzubieten. Nachtdienstreduktionen, Arbeitszeitreduktionen bei adäquatem Gehalt oder individuelle Stundenmodelle beispielsweise. Erfahrenes Personal gehört vermehrt in die Ausbildungstätigkeit eingebunden. Ein anderer Ansatz wäre es, auch „Sabbatical“-Modelle anzubieten, um so Stress und Überforderungen hintanzuhalten und zugleich in der Auszeit Kraft und neue Motivation schöpfen zu können. Ich denke hier nicht an die klassischen Jahresmodelle, sondern vielmehr an Monatsmodelle, bei denen beispielsweise mittels des Sabbatical-Prinzips zwei bis dreimonatige, bezahlte Auszeiten genommen werden könnten. Wenngleich dieses aktuell ein eher schwer, bis kaum zu realisierender Ansatz ist, denn hierfür benötigt man entsprechende Personalressourcen, die derzeit fehlen.

Sie haben selbst drei Kinder – was müsste verbessert werden, um Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bekommen? Im angestellten Bereich kann es nur in Richtung flexiblerer und individuell angepasster Arbeitszeitmodelle gehen. Bei den Niedergelassenen wird es eher darum gehen, attraktivere Zusammenarbeitsformen anzubieten und geeignete Karenzmodelle zu entwickeln.

Was zeichnet das österreichische Gesundheitssystem besonders aus? Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Spitzenmedizin. Diese Medizin muss uns und dem Staat aber auch etwas Wert sein. Verbesserungsbedarf ist natürlich ständig gegeben und sinnvolle Investitionen in Gesundheit und Vorsorge können nie genug sein. Die vorgegebenen Ausgabenobergrenzen und nicht inflationsbereinigte Kostendeckel könnten in der jetzigen Phase aber zu einer akuten Bedrohung unseres Gesundheitssystems werden. Hier hoffe ich doch, dass dies von Seiten der politisch Verantwortlichen entsprechend erkannt und korrigiert wird.

Welche Lehren sollte man aus der Pandemie im Bereich der Gesundheitsversorgung ziehen? Die Pandemie hat uns gelehrt, dass man nie auslernt und jederzeit situationselastisch reagieren muss. Die vielen COVID-bedingten Personalausfälle führten zu einer massiven Personalausdünnung sowohl in Krankenhäusern als auch in der Niederlassung. Die Überbelastung der Kollegenschaft, die am und zum Teil über dem Limit arbeiten musste, war kaum zu übersehen. Den Ärzten gebührt hierfür, wie im Übrigen dem gesamten Gesundheitspersonal, höchste Wertschätzung und Anerkennung für die erbrachten Leistungen der vergangenen zweieinhalb Jahre. In Zukunft wird, abhängig von Pandemie-Wellen und Bettenbelegungen, in erster Linie kluges Personalmanagement gefragt sein. Eines hat sich jedoch definitiv sehr deutlich gezeigt, nämlich, dass das föderalistische Grundprinzip im Rahmen des Pandemiemanagements alles andere als ideal ist. Hier muss es meiner Meinung nach hinkünftig einheitliche Vorgangsweisen und klare transparente Regelungen unter einheitlicher Führung für gesamt Österreich geben.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2022