Ärztliche Leitung im Krankenhaus: Der Arzt als Manager

10.03.2014 | Politik

Motivierende Arbeitsfaktoren hängen ganz wesentlich von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab, aber noch viel mehr von den Führungskräften – sagt der Kurienobmann-Stellvertreter der angestellten Ärzte Tirol, Dieter Kölle. Von Agnes M. Mühlgassner

Sind Begriffe aus dem klassischen Management wie beispielsweise Strategieziele, operative Planung oder auch Zielvereinbarung auch auf die Führung eines Krankenhauses übertragbar? „Eingeschränkt“ – lautet die Antwort von Dieter Kölle, Kurienobmann-Stellvertreter angestellte Ärzte der Ärztekammer Tirol und Leiter der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Bezirkskrankenhaus Schwaz. Natürlich brauche es auch im Krankenhaus eine strategische Planung: etwa beim Personal oder auch bei der Frage, wie sich ein Krankenhaus entwickeln soll.

„Problematisch“ wird es nach Ansicht von Kölle dann, wenn beispielsweise Vorgaben für eine bestimmte Anzahl von zu absolvierenden Operationen gemacht werden müssen. „In dieser Hinsicht können Zielvereinbarungen schon bedenklich sein, weil wir ja Menschen behandeln, die ein Problem haben und nicht Handlungen durchführen, um eine bestimmte Zahl zu produzieren wie in einer Fabrik.“ Das könne man nicht machen, wenn man Medizin „ethisch“ betreiben wolle.

Ein Krankenhaus sieht Kölle „grundsätzlich“ als Dienstleistungsbetrieb, der einen bestimmten Grundauftrag – der zu definieren ist – zu erfüllen hat und zwar „bestmöglich“. Der Kurienobmann-Stellvertreter führt weiter aus: „Es ist auch in Ordnung zu sagen, dass dieser Auftrag mit einem vernünftigen, ökonomischen Einsatz zu erfüllen ist.“ Denn unnötig Ressourcen zu verschwenden sei auch unethisch. Wie ist also vorzugehen? Für Kölle ist klar: „Das, was zu tun ist, muss medizinisch bestmöglich und ökonomisch effizient gemacht werden. Das ist ethisch vertretbar.“

In einem engen Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sieht der Vertreter der angestellten Ärzte auch die Motivation – wobei hier nicht immer nur das Geld gemeint ist, wie er ausdrücklich betont. „Viel wesentlicher“ sei es, motivierende Arbeitsbedingungen zu gestalten, nicht unnötig am Personal zu sparen, den Mitarbeitern aktiv Fortbildungen anzubieten und diese dabei finanziell zu unterstützen – oder die Kosten zur Gänze zu übernehmen. „Das sind motivierende Arbeitsfaktoren, die ganz wesentlich von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängen, aber noch viel mehr von den Führungskräften“, wie Kölle betont. Wenn auch seit rund zehn Jahren im Anforderungsprofil für Führungspositionen im Krankenhaus das Absolvieren eines Management-Kurses als Voraussetzung genannt wird, zweifelt Kölle, „ob diese Kurse für den ärztlichen Bereich auch tatsächlich das Rüstzeug mitgeben, das man dann wirklich braucht“. Seine Kritik: Es werde zwar jede Menge über Public Health und wirtschaftliche Aspekte vermittelt; die Bereiche psychologische Führung, Motivation von Mitarbeitern oder aber wie man Arbeitsabläufe so gestaltet, dass die Mitarbeiter motiviert sind, fehlen oft. Auch der erfolgreiche Abschluss einer solchen Ausbildung sei keine Garantie für die Umsetzung, denn das wiederum hänge „ganz stark von der Einzelperson ab“.

Große Herausforderungen für die Institution Krankenhaus insgesamt sieht Kölle auch durch die Generation Y gegeben. Diese nach 1985 Geborenen wollen geregelte und planbare Arbeitszeiten, Arbeitsinhalte und Arbeitszeiten müssen sinnvoll gestaltet sein. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, sind sie eher bereit, den Arbeitsplatz zu wechseln als sich anzupassen. Kölle ist überzeugt, dass „Platz ist“ für die Angehörigen der Generation Y. Doch deren Lebens- und Arbeitsmodell lasse sich nur umsetzen, wenn entsprechend Personal und auch finanzielle Ressourcen vorhanden sind. Ansätze, die diesen Ansprüchen zumindest etwas gerecht werden – Stichwort Arbeitszeitgesetz – sieht Kölle gegeben. Allerdings wirkt die demographische Situation den Bestrebungen der Generation Y nach mehr Freizeit zuwider, denn „im ärztlichen Bereich wird es immer schwieriger, die jetzt erforderlichen personellen Ressourcen aufzuweisen“, weiß Kölle aus eigener Erfahrung. Hier könnte ein Circulus vitiosus entstehen: Viele Vertreter der Generation Y sind dadurch noch weniger motiviert und werden dem Spital den Rücken kehren. Etwas, woran man „arbeiten muss“, wie Kölle sagt. Und er schränkt auch gleichzeitig ein: „Eine Lösung dafür ist auch schwierig zu erreichen.“ Das Thema Generation Y sei zwar in den Führungsebenen der Spitäler bekannt, lasse sich aber schon jetzt nicht umsetzen – „einfach aus Personalmangel“.

Besonders kritisch sieht der Kurienobmann-Stellvertreter die „zunehmende Tendenz, die Funktion des ärztlichen Direktors sehr zu beschneiden“. Verwaltung und wirtschaftliches Management würden zunehmend die allein bestimmenden Kräfte in Krankenhäusern. Hier gilt es, gegenzusteuern, sagt Kölle: „Ärzte können im Management und auch in der Verwaltung sehr viel einbringen.“ Erst kürzlich hätten Untersuchungen von Versorgungszentren in der Schweiz ergeben, dass die ärztlich geführten letztlich auch wirtschaftlich besser abschneiden.

Ärzte führen besser

Welche positiven Auswirkungen es hat, wenn Ärzte Spitäler führen, belegt eine Studie von McKinsey&Company und der London School of Economics unter Mitarbeit von Akademikern der US-amerikanischen Universitäten Stanford und Harvard aus dem Jahr 2010 („Management in Healthcare: Why good practice really matters“). Dafür wurden im Jahr 2006 zunächst 104 Spitäler des National Health Service (NHS) und 22 private Spitäler in Großbritannien untersucht und 2009 auf 1.194 Spitäler in den USA, Kanada, Schweden, Deutschland, Frankreich und Italien ausgeweitet. Um das Management zu evaluieren, wurden doppelblinde Befragungen der Abteilungs- und Bereichsleiter sowie der Krankenhausmanager durchgeführt. Fazit: Jene Spitäler, an deren Spitze ein Arzt steht, hatten insgesamt bessere Bewertungen beim Management. Spitäler mit einer hohen Anzahl an ärztlichen Führungskräften schnitten insgesamt um 50 Prozent besser ab als andere. Daraus schlossen die Studienautoren, dass Führungskräfte, die aus der Medizin kommen, den Spitalsbetrieb scheinbar besser verstehen und ärztliches Personal dadurch auch besser führen können.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2014

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