Arzt und Ärztin als Führungskraft: Worauf es ankommt

25.01.2011 | Politik

Natürlich Autorität, die immer vom Menschen und nicht von der Position kommt sowie Glaubwürdigkeit sind zwei zentrale Aspekte, die eine Führungskraft auszeichnen, erklärte der Festredner der 122. Vollversammlung der ÖÄK, der internationale Unternehmensberater Paul F. Röttig.
Von Agnes M. Mühlgassner

Zunächst benötige es die eigene, persönliche Kraft, sich selbst zu managen, bevor man andere und auch anderes wirklich glaubhaft führen könne, betont Paul Röttig, der Management- und Wirtschaftserfahrung in 45 Staaten weltweit nachweisen kann. In seinen Ausführungen richtet er den Blick auf das Morgen. Entscheidend sei weg vom Content hin zum Context zu kommen, vom Managen, von Aufgaben hin zur Menschenführung, von der Administration hin zur Entwicklung von Mitarbeitern, von der Fähigkeit, die eigene Person managen zu können, „bevor ich mich an die Führung von Menschen heranwagen kann.“ In der Hilflosigkeit und dem Unvermögen, aus der Vielzahl auf uns einströmenden Informationen Zusammenhänge zu gestalten, also aus dem Content einen Context zu gestalten, Zusammenhänge zu erkennen und zu übersetzen, sieht der Experte die vielleicht wesentlichste Herausforderung unserer Zeit.

Röttig zitiert den US-amerikanischen Management Guru, Peter F. Drucker, der klar unterscheidet zwischen einer Person, die Manager ist und einer Person, die sich als Führungskraft bezeichnen darf: „Ein Manager tut die ihm überantworteten Dinge richtig. Eine Führungskraft tut (auch) die richtigen Dinge“. Wie Röttig aus seiner langjährigen Erfahrung weiß, fällt „die berufliche Befähigung nicht immer und überall mit der Führungstätigkeit zusammen.“

Grundsätzlich sei es so, dass die Gesellschaft und die Wirtschaft profunde Fach- und Führungskompetenz erwarteten. Laut Röttig gelte jedoch für alle Lebensfragen: Ob wir in unserem eigenen professionellen Bereich Spezialisten bleiben wollen oder ob wir die Führungskompetenzen breit ausbauen wollen oder sollen. Die für ihn überzeugendste persönliche Entwicklung weise allerdings dahin, sowohl Fachkompetenz zu erweitern als auch Führungskompetenz zu erwerben. Werden Manager oder Führungskräfte geboren? „Begabung gibt es. Sie bleibt aber in den Kinderschuhen, wenn sie nicht weiter entwickelt wird.“

Situative Lebensplanung

Während das Leben unserer Großeltern vor 100 Jahren chronologisch eingeteilt war in lernen, arbeiten und ruhen, weicht dieses Bild langsam auf: wir lernen länger, gehen früher in Pension und arbeiten vielfach eine kürzere Lebensspanne. „Wir müssen in Zukunft eine situative Lebensplanung anstreben“, so Röttig. „Wir wissen um die Notwendigkeit, lernen, arbeiten und ruhen situativ in unser Leben einzubauen und in die richtige Balance zu bringen.“

Fünf Faktoren

Wie man Führungskompetenzen erwerben kann? Erstens muss dies auf einer profunden Fachkompetenz begründet sein. Darauf aufbauend müsse man zweitens Fitness für das Leben in einer Organisation erlangen: planen, motivieren, Zeitmanagement, entscheiden, delegieren etc. Drittens ist interdisziplinäres fachliches Wissen notwendig („über den eigenen Tellerrand zu schauen“) sowie viertens General Management: Hier geht es um Strategie, Struktur und Kultur der Organisation; vor allem aber darum, „wie ich selbst mit Mitarbeitern und Kollegen zusammenarbeite“. Fünftens: die Umwelt, also die technischen und politischen Veränderungen sowie der gesellschaftliche Wertewandel.

Was zeichnet nun eine Führungskraft aus? „Es geht um natürliche Autorität. Sie kommt immer von Menschen, nicht vom Titel, nicht von der Position“, sagt Röttig. Der zweite wichtige Aspekt: Glaubwürdigkeit. Diese manifestiere sich in der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels sowie in der Kommunikation als tragender Säule des Zusammenlebens.

Er, Röttig, habe 27 Jahre Berufserfahrung benötigt, ehe er erkannte, dass menschliche Leistung nicht nur vom ‚Können’ und ‚Wollen’ bedingt ist, sondern dass es auch des ‚Dürfens’ bedarf. „Eine Führungskraft, die Dürfen nicht zulässt, in dessen Umfeld Mitarbeiter nicht ‚dürfen’ dürfen, ist eigentlich eine contradictio per se.“ Was Röttig in seiner langjährigen Berufserfahrung noch erfahren hat: „Viele haben Angst vor starken Mitarbeitern“ – und dass an ihrem Sessel gesägt wird. Bei der Entwicklung von Mitarbeitern gehe es aber um mehr, als sich davor zu schützen. „Es geht um Menschen, die uns anvertraut sind. Und: Mitarbeiter wollen und können nicht gleich wie jeder andere behandelt werden: der eine braucht Weiterbildung, der andere Motivation, der dritte ein klares Wort über das, was von ihm erwartet wird.“

Worum es einer Führungskraft also gehen muss? „Um das Engagement der Mitarbeiter“, betont Röttig. Dies lässt sich anhand der drei „S“ definieren: say, stay und serve. Say bedeutet: Die Mitarbeiter äußern sich gegenüber Freunden, Kollegen etc. positiv über ihr Arbeitsumfeld. Stay: Die Mitarbeiter wollen der Ordination, dem Spital verbunden sein. Serve: Die Mitarbeiter setzen sich besonders für den Erfolg der Organisation ein. „Und solches Engagement ist mess- und vergleichbar“, betonte der Experte.

Führungskräfte von morgen

Das Führungskräfte-Profil von morgen zeichnet Röttig wie folgt: „Die Führungskraft muss profunde Professionalität an den Tag legen, aber auch ganzheitliches Denken gelernt haben“. Das gelinge allerdings nur dann, wenn man über eigene nationale und kulturelle Grenzen hinausgeht (Trans-Nationalität). Hand in Hand damit geht das lebens-begleitende Lernen(wollen) sowie das soziale Bewusstsein der Führungskraft.

Die fünf gravierenden Führungsfehler – Röttig will sie als ehrliches Herantasten an eine Realität verstanden wissen, an der auch er tagtäglich zu arbeiten habe – benennt er wie folgt: kein Feedback geben, keine Verantwortung übertragen, Mitarbeiter unterfordern, Konflikten ausweichen und Entscheidungen aufschieben.

Was Ärztinnen und Ärzte täglich anstreben, sei die ganzheitliche Gesundheit oder das ganzheitliche Gesundwerden der Patienten. Oder mit anderen Worten: die glückliche Zufriedenheit des Patienten. Was die Zufriedenheit des Patienten mit der Zufriedenheit und dem Engagement der Mitarbeiter zu tun hat? „Alles“ – so Röttig abschließend. Sein Appell: „Unterschätzen Sie niemals die Wichtigkeit Ihrer Mitarbeiter und Ihrer Patienten.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2011