Welche digitalen Tools im ärztlichen Alltag sinnvoll sind, warum es eine abgestimmte digitale Roadmap braucht und wo sich Budget in der Digitalisierung einsparen ließe – darüber spricht Dietmar Bayer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin, im Interview mit Sophie Niedenzu.
Als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin (ÖG-Telemed) sind Sie stark im Austausch mit anderen Akteuren. Wo hapert es in der Umsetzung bei digitalen Lösungen? Die intersektorale und interdisziplinäre Verschränkung muss auch digital möglich werden. Das erhält durch das seit Jahresanfang geltende Faxverbot eine noch höhere Priorität. Leider ist die Planbarkeit ein ziemliches Problem. Denn dass das Faxgerät in den Ruhestand geht, war schon seit Jahren klar, es gab ja seitdem nur Übergangsregelungen. Die ELGA GmbH hat aber nur sehr kurzfristig den Auftrag für eine zentrale Lösung als Ersatz für das Faxgerät erhalten. Dass wir nun also mit kurzfristigen Lösungen arbeiten, liegt am mangelnden digitalen Weitblick der Politik: Etwas wie das Übermitteln von Gesundheitsdaten über Fax abzuschaffen, bevor eine adäquate digitale Lösung angeboten werden kann, ist der beste Beweis für die Kurzsichtigkeit. Wir haben uns hier sehr eng mit allen Stakeholdern abgesprochen, um kurzfristige digitale Lösungen zu finden. Wir empfehlen hier die Verwendung der bereits etablierten digitalen Befund-Übermittlungs-Systeme. Und seit kurzem gibt es auch das kostenfreie Angebot des Postfachdruckers (siehe Infobox).
Welche digitalen Projekte sind gerade in Bearbeitung? Es laufen parallel sehr viele Projekte, wie etwa das e-Privat-Rezept, die Online-Termin-Buchung, die e-Diagnose und das Codierservice, der elektronische Eltern-Kind-Pass, um nur ein paar zu nennen. Generell verteilen sich die E-Health und IT-Infrastruktur-Agenden in Österreich auf sehr viele Köpfe. Es gibt neben der ELGA GmbH auch die Informationstechnologie der Sozialversicherung GmbH (ITSV), die Peering Point Betriebs GmbH (PPG), dazu noch den Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) sowie diverse Forschungseinrichtungen und Universitäten. Die Umsetzung der digitalen Projekte liegt in unterschiedlichen Händen: so kümmert sich die ELGA GmbH um eine zentrale Lösung für die Faxablöse, entwickelt Tools wie die e-Medikation oder den e-Impfpass weiter, während die Umsetzung des elektronischen Eltern-Kind-Passes in die Zuständigkeit der SVC fällt. Es fehlt derzeit noch eine mit allen Stakeholdern abgestimmte digitale Roadmap.
Wie kann eine erfolgreiche digitale Roadmap aussehen? Grundsätzlich müssen Ärztinnen und Ärzte bei der Weiterentwicklung von digitalen Tools von Anfang an eingebunden sein. Es braucht eine klare Priorisierung, welche digitalen Projekte wie zeitnah umzusetzen sind. Alle Akteure müssen an einen Tisch. Jedes digitale Tool muss auf viele Punkte hin analysiert werden: Die Systeme müssen so gestaltet sein, dass sie Ärztinnen und Ärzte gerne damit arbeiten, sie müssen eine Unterstützung im ärztlichen Alltag sein. Jede digitale Lösung, die mehr Arbeit, mehr Bürokratie bedeutet, ist in ihrer Kernidee gescheitert. Eine kluge digitale Lösung hat einen klar erkennbaren Mehrwert – es muss mehr sein, als einen analogen Prozess 1:1 auf einen digitalen Prozess zu übertragen. Das sind nur einige der Ansprüche, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung in der Medizin sind.
Wo sehen Sie angesichts des Budgetlochs Einsparungspotential? Gerade im Bereich der Digitalisierung gibt es noch eine Menge Potenzial, das wir endlich heben müssen. Schon bisher hat in Österreich und auch international niemand verstanden, warum sich Österreich den Luxus von drei verschiedenen ITFirmen leistet – und in den Zeiten eines Budgetlochs noch viel weniger: Wir haben die ELGA GmbH, die SVC und die ITSV – jede von diesen drei Firmen arbeitet an unterschiedlichen Projekten. Wir verlieren hier täglich Geld durch diese Doppelgleisigkeiten und den Abstimmungsbedarf beziehungsweise den Reparaturbedarf nach fehlerhafter Koordinierung. Dem muss ein Ende gesetzt werden, indem die drei Firmen endlich zusammengelegt werden. Stellen Sie sich vor, wir hätten in Österreich drei verschiedene Firmen für den Autobahnbau, die entweder abwechselnd Streckenabschnitte bauen, die dann nicht zusammenpassen oder überhaupt jeder für sich parallele Strecken baut, ohne das große Ganze zu beachten – dann verstehen Sie die Absurdität, die in Österreich Alltag ist. Zudem kann uns der Ausbau von Digitalisierung und Telemedizin noch stark dabei helfen, das Gesundheitssystem zu entlasten. Wenn ich hier etwa an Entlastung bei bürokratischen oder administrativen Aufgaben denke: Ein konkretes Beispiel wäre eine Softwarelösung, die mit Spracherkennung meine Diagnose gleich mitprotokolliert und codiert. Dafür brauchen wir Investitionen in Infrastruktur wie Breitbandnetze und Anwendersoftware.
Welche Voraussetzungen sollten noch geschaffen werden? Es muss natürlich auch sichergestellt werden, dass ArztsoftwareAnbieterwechsel ohne Mehrkosten und ohne Datenverlust möglich sind. Wir brauchen eine Art„Gütesiegel“ für Digitalisierungstools beziehungsweise Lastenhefte zur Programmierung von digitalen und KI-Lösungen. Die öffentliche Hand muss eine digitale Roadmap schaffen und die Kosten für die Digitalisierungsprozesse übernehmen. Daraus wird dann auch ein mittel- und langfristiger gesundheitsökonomischer Benefit resultieren.
Wie sehen Sie die Rolle der KI in der Medizin? Künstliche Intelligenz ist eine sinnvolle Unterstützung, um Ressourcen zu sparen und die Patientenversorgung auch im ländlichen Bereich zu verbessern. Sie ist unabdingbar, wenn man sich die demografische Entwicklung ansieht und diese mit der ärztlichen Ressource vergleicht: Die Bevölkerung wächst, aber die Zahl der Ärztinnen und Ärzte stagniert. Künstliche Intelligenz kann die Arbeit der Ärzteschaft unterstützen – aber nicht mehr. Es muss immer der Arzt die Letztentscheidung treffen, nicht ein Algorithmus. Das soll auch so bleiben.
Info: Postfachdrucker
Aufgrund es Inkrafttreten des gesetzlichen Faxverbots und der Gespräche mit den Interessenvertretungen der Befundprovider ist nun für den gerichteten Befundversand der Postfachdrucker kostenlos verfügbar. Er ist universell für alle Befundprovider (HCS, DaMe und GNV) verfügbar und bietet insbesondere Ärztinnen und Ärzten, deren Arztsoftwareprodukte keine integrierte Befundübermittlung ermöglichen, eine arztsoftwareunabhängige Möglichkeit zum direkten Versenden. Das Tool ermöglicht es, Befunde und Dokumente per Druckauftrag als PDF direkt über das jeweilige Produkt datenschutzkonform und sicher zu übertragen. Sobald ein Dokument über den Postfachdrucker gedruckt wird, öffnet sich eine Benutzeroberfläche. Der Empfänger kann dann aus einem sich regelmäßig aktualisierten Verzeichnis aller im Befundübertragungsnetz registrierten Teilnehmer auswählen. Beim Versand eines Befundes können optional zusätzliche Patientendaten angegeben werden.
Voraussetzungen für die Nutzung des Postfachdruckers:
- bereits bestehende gerichtete Befundkommunikation mit Versandlizenz
- Microsoft Windows 10 oder 11 Professional (64 bit) inkl. aller Windows Updates
Mehr Informationen inkl. einer Videoanleitung zur Installation und das Benutzerhandbuch können auf folgender Seite angeschaut bzw. heruntergeladen werden: www.cgm.com/aut_de/lp/postfach-drucker.html
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2025