E-Health & Digitale Medizin: Interview Ulrike Königsberger-Ludwig – „Ohne Daten im Blindflug unterwegs“

25.06.2025 | E-Health und Digitale Medizin, Politik

Autorin: Sophie Niedenzu

Bestehendes nützen und gegebenenfalls optimieren, Doppelbefundungen vermeiden, ein bundesweites Basisprogramm für 1450 aufbauen und mit Telemedizin vernetzen: Die Staatssekretärin für Gesundheit, Ulrike Königsberger-Ludwig, spricht im Interview mit Sophie Niedenzu über einige Ziele in der digitalen Medizin, über Datenqualität und Präventionsplanung.

Es laufen bundesländerweit verschiedene digitale Projekte in der Gesundheit, etwa HerzMobil oder die Teledermatologie. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Projekte in die Fläche zu bekommen? In der Digitalisierung gibt es viele Stakeholder. Die große Herausforderung, die zum Gelingen beiträgt, ist, dass man erst einmal voneinander weiß: Was macht jeder, mit welchem Ziel? In einem weiteren Schritt sollten die Best Practice Beispiele herausgefiltert werden, um in Gespräche zu treten, wie man diese Vorzeigeprojekte in die Fläche bringt. Bei der Teledermatologie beispielsweise geht es auch darum, dass die versendeten Fotos auch von der Kasse akzeptiert werden. Man muss daher auch schauen, dass die digitalen Anwendungen, die es gibt, auch tatsächlich Eingang in das System finden. Und es werden Schnittstellen nötig sein, um die Systeme gut zu verbinden. Darin sehe ich meine Aufgabe: zu steuern, zu koordinieren und dann umzusetzen, um Best Practice Projekte in die Fläche zu bringen.

Die eHealth-Roadmap, die kürzlich vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie in Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern veröffentlicht wurde, widmet sich genau diesem: Sie stellt alle kommenden Projekte grafisch dar und gibt einen guten Überblick über die Projektphasen. Warum ist das Ministerium bei dieser Roadmap nicht involviert? Wir orientieren uns an der e-Health Strategie in der Bundes-Zielsteuerungskommission. Daher ist nicht geplant, dass wir uns an der eHealth-Roadmap aktiv beteiligen, das ist eine Initiative der Privatwirtschaft. Sie ist allerdings sehr interessant, weil sie gut zeigt, wie weit die Industrie in der Umsetzung ist. Wir werden die eHealth-Roadmap daher auch in unsere jährliche Evaluierung mit aufnehmen.

Förderungen im niedergelassenen Bereich können helfen, digitale Projekte voranzutreiben. Inwiefern sind diese in der aktuellen Legislaturperiode geplant? Derzeit haben wir im Regierungsübereinkommen keine Fördermittel vorgesehen. Wir müssen die vorhandenen – personellen und finanziellen – Mittel so einsetzen, dass sie optimal genutzt werden. Ich habe den Eindruck, dass der Einsatz von digitalen Tools bei vielen Ärztinnen und Ärzten bereits gang und gäbe ist, da fängt man nicht bei Null an. Es ist wichtig, dass man mit anderen Begleitmaßnahmen, wie etwa optimalen Schnittstellen, das vorhandene Potenzial ausschöpft. Viele engagierte Ärztinnen und Ärzte haben etwa sehr gute Terminsysteme. Wenn man dieses gute Bestehende über Schnittstellen dann zu 1450 bringen kann, ist das auch in Hinblick auf die Patientenlenkung zum Vorteil. Man muss das Bestehende nützen und gegebenenfalls optimieren. Es gibt allerdings schon viele gute Projekte, auf denen man aufbauen kann.

Apropos Bestehendes nützen: Erst kürzlich hat die ÖGK EU-weit ein Vergabeverfahren ausgeschrieben, wonach ein Bieter mit der Beschaffung von umfassenden technischen und organisatorischen Dienstleistungen zur Bereitstellung eines österreichweit telemedizinischen ärztlichen Angebots betraut wird. Was halten Sie davon? Ich finde, das ist eine gute Initiative. Meines Wissens nach ist die Überlegung, Patientinnen und Patienten über 1450 zu einem Telearzt oder einer Teleärztin weiter zu verbinden. Das erscheint mir vernünftig, weil Menschen nicht immer nur eine Auskunft holen, sondern tatsächlich auch gerne mit einem Arzt, einer Ärztin, sprechen möchten. Wenn 1450 tatsächlich auch mit Telemedizin arbeitet, dann schont das auch die Ressourcen im niedergelassenen Bereich, es erspart Wege und würde die Ambulanzen entlasten. Das ist eine Win-Win-Situation.

1450 ist bundesländerabhängig unterschiedlich ausgebaut. Ist geplant, die Hotline österreichweit zu vereinheitlichen? Wir haben aktuell eine Erhebung über die Angebote in den einzelnen Bundesländern gemacht, da sichten wir gerade die Ergebnisse. Wir planen eine Art bundesweites Basisprogramm. Wenn die einzelnen Bundesländer darüber hinaus mehr machen wollen, ist das natürlich sinnvoll. Wien zum Beispiel organisiert die Impftermine über 1450, weil es viele Impfservicestellen gibt.

Die digitalen Projekte, die erfolgreich waren, waren auch die, in denen die Ärzteschaft stark eingebunden war, Beispiel e-Impfpass. Auch bei der Erstellung der nationalen e-Health Strategie hat sich die ÖÄK eingebracht. Inwieweit ist geplant, weitere Gespräche miteinander zu führen? Die Absprache mit der Ärzteschaft ist notwendig und wichtig, um digitale Projekte gemeinsam weiterzuentwickeln. Es hat in der Vergangenheit Gespräche gegeben und wir werden natürlich diese Gespräche weiterführen. Ein wichtiges Thema ist ELGA: Ich bin davon überzeugt, dass ELGA gut ist. Auch die anfängliche Skepsis der Ärztinnen und Ärzte hat sich mittlerweile gelegt. Aber, und jetzt kommt das große Aber: Es ist einfach noch nicht so anwenderfreundlich, wie wir es bräuchten. Auch im Hinblick auf eine „Patient Summary“ ist es problematisch, wenn man in ELGA keine Suchbegriffe eingeben kann, und stattdessen pdf-Dateien durchscannen muss. Daher ist es umso wichtiger, mit der Ärzteschaft zu sprechen, um ELGA gut weiterzuentwickeln.

Welches Potenzial sehen Sie durch erfolgreich umgesetzte Digitalisierungsprojekte? Digitalisierung, egal ob im Sinne von Datensammlung, Datentransfer oder telemedizinischen Angeboten, soll allen nutzen und einen Mehrwert haben. Im Gesundheitswesen soll sie Ärztinnen und Ärzte soweit unterstützen, dass sie mehr Zeit für die Zuwendungsmedizin haben. Und auf Patientenseite soll die Digitalisierung helfen, Patientinnen und Patienten durchs Gesundheitssystem zu leiten. Damit ließen sich etwa auch Doppelbefundungen besser vermeiden, was natürlich auch finanzielle Mittel spart. Ein weiterer Aspekt ist die zentralisierte und qualitätsgesicherte Datensammlung für die Präventions- und Versorgungsplanung. Derzeit wissen wir nicht einmal gesichert, wie viele Menschen wir beispielsweise mit Diabetes oder Bluthochdruck haben – weil es bisher im niedergelassenen Bereich keine standardisierte, digitale Codierung nach ICD-10 gibt. Das ändern wir mit 1.1.2026: Dann müssen alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, inklusive Wahlärztinnen und Wahlärzte, Diagnosen verpflichtend und digital nach ICD-10 erfassen. Voraussetzung ist, dass alle im System bereit sind, die Daten zu erheben und weiterzugeben. Das wird einer unserer Schwerpunkte sein: Gutes Datenmaterial ist Voraussetzung für die Gesundheitsplanung. Ohne Daten sind wir im Blindflug unterwegs.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2025