E-Health & Digitale Medizin: e-card-System: „Friss, Vogel, oder stirb“

10.10.2025 | E-Health und Digitale Medizin, Politik

Autorin: Sophie Niedenzu

Wahlärzte werden ab nächstes Jahr das e-card-System nutzen. Im Vorfeld dazu gibt es Diskussionsbedarf zu einer Nutzungsvereinbarung. Die Österreichische Ärztekammer fordert eine klare Trennung der gesetzlichen Verpflichtungen von zusätzlichen freiwilligen Modulen.

Sophie Niedenzu

Wenn schon, denn schon: Das sei der Grundtenor in Vorbereitung auf die gesetzliche Verpflichtung gewesen, wonach Wahlärzte ab 1. Jänner 2026 das e-card-System verwenden müssen: Wenn schon eine Verpflichtung zur Nutzung bestehe, sollten zumindest alle Funktionalitäten freigeschaltet werden, analog zu den Kassenärzten: „Das wurde uns sowohl vom Gesundheitsministerium als auch vom Dachverband im März dieses Jahres vollumfänglich zugesagt“, erinnert sich Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Soweit, so gut. Jedoch: „Die SVC (Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft, die für e-card-System und ELGA zuständig ist, Anm.) hat eine Nutzungsvereinbarung für e-card-Funktionen online gestellt, die vorgibt, ident mit jener der Vertragsärzte zu sein“, ergänzt Momen Radi, Leiter des Referats für Wahlärzte. Und genau diese online publizierte Nutzungsvereinbarung der SVC sei problematisch: „Damit wird der Eindruck erweckt, als ob die gesetzliche Verpflichtung zu den ELGA-Anwendungen unmittelbar mit der Nutzungsvereinbarung der e-card-Funktionalitäten zusammenhängt, tatsächlich handelt es sich aber um zwei verschiedene Gesetze, das Gesundheitstelematikgesetz und das ASVG, die hier unzulässig vermischt werden“, kritisiert Wutscher. Es gebe zwei Optionen für eine allfällige Nutzung der e-card-Infrastruktur: Die e-card Basis Wahlpartner-Option entspricht dem Anschluss an die e-card Infrastruktur zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen per 1.1.2026. „Für diese Option ist jedoch keine Vereinbarung zur Nutzung der e-card Services zu unterfertigen“, stellt Wutscher klar. Die „e-card Plus-Wahlpartner“-Option sei jene, die nun für Unmut sorgt. „Hier müssen noch Gespräche mit der Sozialversicherung stattfinden, daher empfehlen wir weiterhin allen Wahlärzten, Abstand von einem Abschluss der Vereinbarung zu nehmen“, sagt er.

Druckmittel Rezepturbewilligung

Grund dafür: Anwendungen wie e-Zuweisung (e-Kos) und e-Verordnung seien bislang noch nicht mit den Vertragsärzten verhandelt worden, da weder medizinischer noch administrativer Nutzen bestehe: „Aber Wahlärzte müssten jetzt schon eine entsprechende Verpflichtung eingehen – das kann sich nicht ausgehen“, sagt Wutscher. Und Radi ergänzt: „Über die Hintertür versucht man mit einem Knebelvertrag nach dem Motto ‚Alles oder Nichts‘ die Wahlärzte – und damit indirekt auch die Vertragsärzte – in die Pflicht zu nehmen.“ In weiterer Folge habe die SVC sogar gedroht, dass eine bereits bestehende Rezepturbewilligung wieder abgenommen wird – obwohl die SVC gar nicht die Kompetenz habe, dies zu beurteilen: „Auch wenn die SVC als Teil des Dachverbands betont, dass diese Vereinbarung ja freiwillig sei, kalkuliert sie offenbar damit, dass viele Wahlärzte aus Unkenntnis der Sachlage und unter dem Druck des Rezepturrechts unterschreiben werden“, kritisiert Wutscher. Zudem hält er fest, dass die SVC das Gespräch mit der Ärztekammer ablehnte, ohne Abstimmung mit den politischen Funktionären der Sozialversicherungen handelte und damit de facto eine Umgehung des ASVG begeht: „In diesem ist ausdrücklich festgeschrieben, dass sämtliche Vereinbarungen mit Ärztinnen und Ärzten nur mit der Ärztekammer und deren Zustimmung abgeschlossen werden dürfen“, erklärt Radi.

Module selbst aussuchen

Wutscher fasst zusammen: „Diese ‚Vereinbarung‘ bedeutet „Friss, Vogel, oder stirb“. Wahlärzte würden damit eine wesentlich umfangreichere Verpflichtung als derzeit Kassenärzte eingehen.“  Gleichzeitig werde von der SVC betont, die Vereinbarung sei freiwillig, daher sehe sie keinen Gesprächsbedarf mit der Ärztekammer. Aus Sicht der Ärztevertreter gebe es folgende Lösung: „Wesentlich sinnvoller und patientenfreundlicher ist es, dass sich jeder Wahlarzt sein passendes Modul aussuchen kann. Nur eine rechtlich saubere und fair verhandelte Lösung schafft Vertrauen und Akzeptanz bei allen Ärztinnen und Ärzten“, sagen Wutscher und Radi. Folgende Herangehensweise sei daher sinnvoll:

  • Neuverhandlung einer Nutzungsvereinbarung in transparenter Abstimmung mit der Ärztekammer
  • Sofortige Entfernung des aktuellen Vertragsvorschlags von der Homepage der SVC/ÖGK
  • Überführung bereits unterschriebener Vereinbarungen in eine neu und korrekt verhandelte Fassung
  • Klare Trennung der gesetzlichen Verpflichtungen (ELGA-Anwendungen) von zusätzlichen freiwilligen Modulen
  • sich jeder Wahlarzt sein passendes Modul aussuchen kann.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2025