Spitalsärzteumfrage: Erschreckende Zahlen

10.04.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die aktuelle Spitalsärzteumfrage der Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK hat gezeigt: Das Arbeiten im Spital ist unangenehmer geworden, nur 62 Prozent der Befragten würden nochmals den Arztberuf wählen.

Thorsten Medwedeff

Den Spitalsärzten geht zunehmend die Freude an der Arbeit verloren. Nur 62 Prozent der Befragten würden wieder den Arztberuf ergreifen, wenn sie noch einmal die Chance zur Berufswahl hätten – diesen alarmierenden Trend zeigt die aktuelle Spitalsärzteumfrage der Bundeskurie angestellte Ärzte (BKAÄ) der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) in Kooperation mit IMAS-International, Institut für Markt- u Sozialanalysen, mit Sitz in Linz.

„Die Zahlen sind erschreckend“, fasste Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, bei einer Pressekonferenz treffend zusammen. „Die nun vorliegenden Ergebnisse sind ein lauter Hilferuf der Spitalsärzteschaft“, bilanziert Mayer. Es werde leider nicht besser, sondern schlechter. Die Folge:  Nur 62 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich tatsächlich nochmals für den Arztberuf entscheiden würden. 19 Prozent sind massiv unzufrieden in ihrem Beruf: „Das sind keine guten Aussichten für die künftige Patientenversorgung in Österreich. Wir müssen rasch handeln und jene Arbeitsbedingungen schaffen, die dazu führen, dass uns die Ärztinnen und Ärzte nicht davonlaufen“, warnt Mayer.

60 Prozent der Befragten gaben außerdem an, dass die Arbeit im Krankenhaus in den vergangenen fünf Jahren unangenehmer geworden sei. Mayer kopfschüttelnd: „Das ist total konträr zu dem, was eigentlich seit der bisher letzten Umfrage von 2019 geschehen hätte sollen, nämlich dafür zu sorgen, dass unsere Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf so ausüben können, wie es die Patienten verdienen.“

Patientenlenkung stoppt Belastungsspirale

Dabei gebe es als erste mögliche Maßnahme einen ersten Lösungsansatz, um die Belastung der Spitalsärzteschaft zu verringern: „Wir müssen endlich eine einheitliche, bundesweite und verbindliche Patientenlenkung zur Entlastung der Spitalsambulanzen einführen – mit einem Schlag wären damit viele Probleme gelöst. Man sieht am Beispiel der Niederlande, wie gut das funktionieren kann. Dort gelangt niemand ohne Überweisung vom niedergelassenen Arzt in eine Krankenhausambulanz. Vielen Menschen kann somit schon in der Niederlassung optimal geholfen werden. Bei uns dagegen kann jeder wie er will beliebige Ebenen des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen, egal ob notwendig oder nicht. Ich bin zuversichtlich, dass die neue Gesundheitsministerin und die neue Staatssekretärin diesen notwendigen Reformschritt umsetzen werden, da es ja im Regierungsprogramm klar als Problem erkannt wurde.“

Zeitfresser Bürokratie

Weitere belastende Faktoren für die Zufriedenheit beim Arbeiten im Spital sind zu viel Verwaltungsaufgaben und Patientendokumentation (hier gaben 35 Prozent an, dass dadurch eine starke Belastung besteht), Zeitdruck (28 Prozent), Nachtdienste (25 Prozent) sowie Patientenaufnahmedruck bei Überbeleg im Spital (23 Prozent). „Dass es bei der Belastung durch bürokratische Aufgaben eine Steigerung von fünf Prozent gegenüber 2019 gegeben hat, zeigt, dass wir als Standesvertretung auch hier mit unserer langjährigen Forderung richtig liegen – es geht viel zu viel Zeit für Administration drauf. Das ist Zeit, die den Ärzten bei den Patienten fehlt“, befindet Mayer. Die langjährige Forderung der Bundeskurie angestellte Ärzte nach einer flächendeckenden Einführung von Dokumentationsassistenten in den heimischen Spitälern sei daher weiterhin aufrecht und dringlicher denn je.

74 Prozent wollen oder können nicht länger als 65 arbeiten 

So sei es auch nicht verwunderlich, dass 74 Prozent der Befragten unter 65 Jahren „eher oder sehr unwahrscheinlich“ die derzeitige Tätigkeit im Spital bei gleichbleibender Belastung auch noch im Alter von 65 Jahren ausüben wollen. „Wenn sich nichts ändert, werden also drei Viertel der Ärzte vor oder mit dem Regelpensionsalter das Gesundheitssystem verlassen. Diese Entwicklung ist angesichts der bevorstehenden Pensionierungswellen der Generation der Baby-Boomer und der sinkenden Zahl an Ärztinnen und Ärzten in den kommenden Generationen fatal“, so Mayer. Man müsse flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen, um diese Ressourcen zu halten und auch, um deren Expertise – etwa in der Ausbildung der jungen Ärzte – weiter zu nützen.

Mit Freude Arzt sein

Generell müsse es gelingen, der Spitalsärzteschaft die Freude an der Arbeit und somit der Arbeit im solidarischen Gesundheitssystem und für die Patientenversorgung zu bewahren oder zurück zu bringen. Mayer: „Für acht von zehn Befragten ist dieser Aspekt der wichtigste, noch vor persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten und der materiellen Absicherung. Der Arztberuf ist auch eine Berufung, diese darf nicht aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen zur Qual werden.“


Fakten zur Studie
Die Befragung wurde mit Online-Interviews, einer sogenannten Totalbefragung, durchgeführt. Zwischen 6. Dezember 2024 bis 6. Jänner 2025 nahmen insgesamt 3.851 Spitalsärztinnen und Spitalsärzte teil.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2025