Profitorientiere Medizin: Riegel vorschieben

09.05.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Regierung müsse klare rechtliche Vorgaben beschließen, um zu verhindern, dass Großinvestoren den öffentlichen Gesundheitssektor für sich einnehmen, fordert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer.

Auch in Österreich haben internationale Investoren die öffentliche Gesundheitsversorgung als attraktiven Bereich für Investitionen erkannt, darunter Banken und Baukonzerne. Das derzeitige Milliarden-Defizit im Budget, das die Politik zu sanieren hat, könne eine Einladung an die Verantwortlichen sein, zusätzliches Geld ins Budget zu bekommen, befürchtet Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Ein Investoren-gesteuertes Gesundheitswesen bringt aber Nachteile für die Versorgung in unserem sozialen, solidarisch finanzierten Gesundheitssystem“, warnt er. Es bestehe die Gefahr, dass gute Medizin nur mehr für Wohlhabende betrieben werde. Zudem gefährde eine Konzernisierung die freie ärztliche Wahl der Diagnose- und Behandlungsmethoden, ohne Vorgaben von Betriebswirten: „Unser solidarisches Gesundheitssystem und die ärztliche Freiberuflichkeit sind ein hohes Gut, das nicht auf dem Altar privater Profitinteressen geopfert werden darf“, sagt Steinhart. Eine profitorientierte Medizin sorge für Über-, Unter- und Fehlversorgung und behindere eine seriöse Qualitätssicherung. Zudem hätten Patienten eben auch das Recht, einem Arzt gegenüberzustehen, bei dem sie sicher sein können, dass dieser nach medizinischen Kriterien entscheidet.

„Die ärztliche Freiberuflichkeit halte ich für eine wichtige zivilisatorische Errungenschaft für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für Patientinnen und Patienten, die wir keinesfalls leichtfertig aufgeben dürfen“, sagt Steinhart. Denn wenn der Maßstab für eine Diagnose oder Therapie nicht die medizinische Notwendigkeit sei, sondern die Gewinnmaximierung und das Investoreninteresse, dann falle das all jenen Menschen auf den Kopf, die sich eine individuell angebrachte Behandlung nicht leisten können – also sehr vielen. „Und genau das ist unausweichlich der soziale und gesundheitliche Preis der Konzernisierung“, sagt der ÖÄK-Präsident.

Irrtümer korrigieren

Oft seien Angebotsverknappungen im derzeitigen österreichischen Gesundheitssystem auch unvernünftigen politischen Konzepten wie den sogenannten Kostendämpfungspfaden geschuldet. Diese Sprachschöpfung der Politik tue so, als könnte man bei den Gesundheitsausgaben in der aktuellen demografischen Situation tatsächlich Kosten einsparen, ohne dass es die Qualität und Quantität der Versorgungsleistungen gefährden würde, kritisiert Steinhart: „Aber solche Irrtümer halte ich für etwas grundsätzlich politisch Korrigierbares, und nicht für einen Systemfehler wie eine fortschreitende Kommerzialisierung und Konzernisierung, die außerdem in aller Regel ein nicht umkehrbarer Prozess ist“, hält er fest.

Daher fordert der ÖÄK-Präsident klare rechtliche Vorgaben. Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass die Sozialversicherung nur Verträge mit Ambulatorien abschließen kann, wenn zuvor alle Anstrengungen unternommen wurden, die Versorgung durch niedergelassene Ärzte sicherzustellen. Zudem müssten ärztliche Entscheidung frei von wirtschaftlichem Druck bleiben und Patienten nicht nach Profitkriterien behandelt werden. Auch sollten private Investitionen in die Gesundheitsversorgung begrenzt werden: „Medizinische Einrichtungen müssen dem Patientenwohl dienen, nicht den Renditeerwartungen von Investoren“, sagt Steinhart. (sb)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2025