Österreichische Gesundheitskasse: Wie die ÖGK saniert werden kann

25.04.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die medizinische Versorgung ist die Kernaufgabe der ÖGK. Sie macht nur einen Bruchteil der Ausgaben aus. Statt ärztliche Leistungen zu kürzen, sollten daher lieber Synergieeffekte seit der Fusion tatsächlich umgesetzt werden, um die ÖGK nachhaltig zu sanieren, betont die Österreichische Ärztekammer. 

Sascha Bunda, Sophie Niedenzu

800 Millionen Euro, 900 Millionen Euro, eine Milliarde, dazwischen Konkurswarnungen: Der genaue Blick auf ein entsprechendes Papier zeige eine lange Auflistung von Gründen für die finanziellen Nöte der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK): Angeführt werden beispielsweise die schwächelnde Wirtschaft, die gestiegene Arbeitslosenquote oder der demographische Wandel. „Aber keine Zeile darin befasst sich mit den hausgemachten Strukturproblemen oder den noch nicht genützten Synergieeffekten aus der Kassenfusion“, kritisierte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, in einer Pressekonferenz. Es sei außerdem bemerkenswert, dass die ÖGK binnen weniger Monate von einem kleinen Plus auf ein Minus von bis zu einer Milliarde Euro komme: „Der Rechnungshof hat in seinem Bericht zur Kassenfusion schon 2022 empfohlen, die voraussichtliche Entwicklung in der Gebarungsvorschaurechnung möglichst realistisch abzuschätzen.“

Die Reaktion auf die öffentlich kommunizierte finanzielle Lage sei jedoch nicht, wirtschaftliche Maßnahmen abzuleiten, sondern stattdessen von Ärzten einen „Solidarbeitrag“ einzufordern: „Dieser Vorschlag des ÖGK-Chefs ist reiner Populismus und soll nur vom eigenen Versagen des Managements in der ÖGK ablenken“, sagte Steinhart. Die Konsequenzen dieses Vorschlags seien „desaströs“: Es sei weder für junge Ärztinnen und Ärzte, ins Kassensystem einzusteigen, motivierend, wenn der Vertragspartner öffentlich so agiere, noch für jene Ärztinnen und Ärzte, die nur noch wenige Jahre eine Kassenpraxis hätten oder jene, die schon länger schwanken, aus dem Kassensystem auszusteigen – immerhin sind ziemlich genau zehn Prozent der Kassenärzte bereits 65 Jahre alt oder älter: „Mit einem einzigen Satz hat der ÖGK-Obmann also der Motivation eines erheblichen Teils seiner Vertragspartner oder seiner potentiellen Vertragspartner eine eiskalte Dusche verpasst“, sagte Steinhart.

Medizinische Leistungen sind ÖGK-Kerngeschäft

Bei der medizinischen Behandlung statt beim Management sparen zu wollen, sei jedenfalls der falsche Weg: „Das Kerngeschäft der ÖGK sollte sein, die Versicherten durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte medizinisch zu betreuen, denn dafür werden auch die monatlichen Beiträge bezahlt“, sagte Steinhart. „Es können jetzt nicht die Patienten und Ärzte zur Kasse gebeten werden, indem man ihnen sagt, sie gehen zu oft zum Arzt und fordern Leistungen, die ihnen der Arzt aber aus Spargründen verwehren muss, weil die ÖGK offensichtlich nicht fähig ist, ihre Kernaufgabe zu erfüllen“, betonte Steinhart. Zumal die ärztlichen Leistungen nur einen Bruchteil des Budgets ausmachen würden. Diese machen im Jahr 2023 laut eigener Einnahmen-Ausgabenrechnung nur knapp 15 Prozent (ca. 3 Mrd.) der Gesamtausgaben (18,9 Mrd.) aus. „In diesen 15 Prozent sind aber auch noch COVID-Leistungen enthalten, die vom Bund refundiert wurden beziehungsweise auch Mutter-Kind-Pass-Leistungen, die auch durch das Gesundheitsministerium und Finanzministerium mitfinanziert werden“, sagte Steinhart.

Synergieeffekte wirtschaftlich nutzen

Einen Solidarbeitrag zu fordern, sei ein „starkes Stück“, ergänzte Dietmar Bayer, stellvertretender Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte und erinnert an die Deckelungen für ärztliche Leistungen: viele Patienten erhalten ärztliche Leistungen, die der Arzt gar nicht mehr von der Kasse bezahlt bekomme. „Österreich ist nicht, wie der ÖGK-Chef kommuniziert hat, nur eines von zwei Ländern, das seinen Versicherten hundert Prozent des medizinischen Fortschritts auf Kassenkosten zugänglich macht“, stellte er klar. Ein Blick in den einheitlichen Leistungskatalog, den die Bundeskurie vor Jahren zur Verfügung gestellt habe, zeige folgendes: „Im einheitlichen Leistungskatalog befinden sich ca. 200 ärztliche Leistungen, die es schon längst gibt, aber noch nicht in den ÖGK Honorarordnungen umgesetzt sind“, erklärte Bayer.

Anstatt die medizinischen Leistungen zu kürzen, solle die ÖGK nach sechs Jahren Fusion beginnen, Synergieeffekte tatsächlich umzusetzen: Eine Möglichkeit sei etwa ein besseres Immobilienmanagement: „Der Rechnungshof empfiehlt beispielsweise die Erstellung eines Immobilienkonzeptes zur wirtschaftlichen und räumlichen Optimierung“, führte Bayer aus. Seit der Fusion sei lediglich das ÖGK-Logo verändert worden, kritisierte er. Wenn in der freien Wirtschaft ein Konzern derart mit finanziellen Problemen zu kämpfen habe, dann werde in erster Reaktion meist das Management ausgetauscht und Experten für ein Krisenmanagement eingesetzt: „Das fehlt hier offensichtlich“, sagte Bayer. Daher hat die Bundeskurie nun einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet, der helfen soll, die ÖGK nachhaltig zu sanieren.


Zehn-Punkte-Plan zur ÖGK-Sanierung

  • Implementierung eines externen Krisenmanagers zur finanziellen Sanierung samt Erstellung eines umzusetzenden Maßnahmenkatalogs
  • Erstellung eines Immobilienkonzeptes zur wirtschaftlichen und räumlichen Optimierung (RH-Empfehlung) sowie dessen Umsetzung
  • Kritische Überprüfung der ÖGK-Ambulatorien bzw. deren Schließung, sofern sie nicht effizient, selbstkostendeckend und nachhaltig ohne Subventionierungen betrieben werden können.
  • Keine weiteren Ambulatoriumsgründungen, bevor die finanzielle Schieflage nicht aufgearbeitet ist
  • Nachvollziehbare und transparente Ausschreibungskriterien für die Besetzung der obersten Führungsebene (RH-Empfehlung)
  • Übertragung von ÖGK-eigenen Reha-Einrichtungen an die PVA, um Synergien zu nutzen und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden
  • Fusionierung der IT-Unternehmen die im Voll- oder Teileigentum der SV stehen (SVC, ELGA, IT-SV) überprüfen, um dadurch Synergien zu nutzen.
  • Aufsicht stärken, damit Fehlentwicklungen früher erkannt werden und schnellere Maßnahmen getroffen werden können
  • Kassasturz für alle Träger des DV (AUVA, PVA, ÖGK, BVAEB, SVS) – gemeinsamer Einkauf, gemeinsame IT-Systeme, einheitliches Immobilienmanagement
  • Finanzierung auf neue Beine stellen: Temporäre Co-Finanzierung aus Steuermitteln über Anhebung der Hebesätze

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2025