ÖGK-Sparprogramm: An einen Tisch

25.06.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Autorin: Sophie Niedenzu

Neben der Sicherstellung der optimalen ärztlichen Versorgung müssten Selbsthilfe- und Patientenorganisationen endlich gesetzlich eingebunden werden, sagten ÖÄK-Vizepräsident Edgar Wutscher und BVSHOE-Präsidentin Angelika Widhalm.

Sophie Niedenzu

Mit den angekündigten Finanzspritzen des Bundes sei es nicht getan: „Nach unserer Auffassung braucht es eine grundlegende Erneuerung“, sagte Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte im Rahmen einer Pressekonferenz, in der die ÖÄK zum Dialog einlud und das ÖGK-Sparprogramm aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten beleuchtete. Im Detail erhält die ÖGK mehr Geld, unter anderem durch die Verdoppelung der e-Card Gebühr bzw. Einführung der e-Card Gebühr für Pensionistinnen und Pensionisten, sowie über die Erhöhung deren Krankenversicherungsbeiträge von 5,1 auf sechs Prozent. Damit soll in den kommenden beiden Jahren Finanzmittel in erheblicher dreistelliger Millionenhöhe in die ÖGK fließen. „Damit sollte das Defizit eigentlich erledigt sein. Wir erwarten, dass die ÖGK jetzt unverzüglich die seit Monaten stillstehenden Honorarverhandlungen im Sinne einer optimalen Patientenversorgung aufnimmt“, sagte Wutscher.

Weniger Leistungen für Patienten

Im Gesamtbudget der ÖGK würden lediglich 15 Prozent die Kosten für die ärztlichen Behandlungen ausmachen: „Ohne die ÖGK belehren zu wollen können wir Ärztinnen und Ärzte zahl-reiche Vorschläge einbringen, an welchen Stellen ohne Belastung für die Patienten Einsparungen erzielt werden können“, sagte Wutscher. Statt bei den 85 Prozent des ÖGK-Budgets Strukturverbesserungen anzudenken, würden Ärztinnen und Ärzte unter anderem dazu angehalten, weniger MR/CTs und Physiotherapieeinheiten zu verordnen. MRTs seien aber Diagnoseinstrumente der modernen Medizin, es sei gut, dass diese Möglichkeiten der Diagnose auch genutzt werden: „Die Kosteneinsparungen sind gering und rechnen sich nicht, wenn gleichzeitig das medizinische Risiko eingegangen wird, etwas zu übersehen“, sagte Wutscher. Besonders bitter seien Leistungseinsparungen, wenn das Potenzial für Einsparungen ja grundsätzlich vorhanden wäre – aber an anderen Stellen. Als Beispiel nannte Wutscher etwa den Abbau von Parallelstrukturen, etwa mit ÖGK-eigenen Telemedizinangeboten und ÖGK-eigenen Ambulatorien: „Auch die Apps wie „meine SV“ und „meine ÖGK“ sind Parallelstrukturen, die keinen Mehrwert bieten, aber mehr Kosten verursachen“, erklärte Wutscher.

Mehr Prävention

Gerade in wirtschaftlich schwächeren Zeiten bräuchten Menschen mehr Leistungen, nicht weniger. „Wir müssen die medizinischen Fortschritte in den Leistungen abbilden, neben einem modernen Leistungskatalog sollten gerade im Bereich der Vorsorgemedizin die Leistungen der Krankenkassen für die Versicherten verbessert werden“, sagte Wutscher. Er verwies auf die SVS, die – anders als die ÖGK – in die Prävention investiert: „Die Investition in die Prävention kostet natürlich – aber sie bringt langfristig Einsparungen im System“, betonte Wutscher. Eine weitere Investition sei essentiell: die in die digitale Infrastruktur: „Nur so können wir die Patientinnen und Patienten viel umfassender betreuen und nur so lassen sich doppelte Untersuchungen auch effizient vermeiden“, sagte Wutscher und betonte: „Die Versicherten dürfen nicht für das ÖGK-Finanzloch zur Kasse gebeten werden – das trifft genau die Schwächsten.“

Patienten-Vertretungen stärken

„Unser Ziel ist, dass sich alle Partnerinnen und Partner an einen Tisch setzen, mit dem Willen, eine Lösung zu suchen“, ergänzte Angelika Widhalm, Präsidentin des Bundesverbandes Selbsthilfe Österreich (BVSHOE). Wichtig sei die Kommunikation auf Augenhöhe, um die optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten in Österreich zu sichern. „Dabei ist es wichtig, dass nicht mehr nur über Patientinnen und Patienten, sondern mit ihnen gesprochen und diese auch mit einbezogen werden“, sagte Widhalm. Es fehle in Österreich im Unterschied zu anderen EU-Ländern ein entsprechendes Gesetz, um die Patientenvertretungen zu stärken, nämlich ein Patientenbeteiligungsgesetz. Eine Forderung, die seit Gründung des BVSHOE vor über acht Jahren bestehe: „Ein Patientenbeteiligungsgesetz würde die, gemäß EU vorgesehene gesetzliche Beteiligung, in alle Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse des Gesundheits- und Sozialsystems, endlich regeln“, führte Widhalm aus. Das Gesetz würde auch die Grundlage für eine österreichweite Basis- und Projektfinanzierung der Selbsthilfe- und Patientenorganisationen bilden: „Es fehlt noch immer die gesetzlich geregelte Finanzierung durch die öffentliche Hand“, kritisierte Widhalm. Derzeit würden tausende engagierte Menschen ehrenamtlich arbeiten und Patientinnen und Patienten unterstützen: „Sie sind ein anerkannter Teil des Gesundheitssystems und für dessen Funktion unerlässlich“, sagte Widhalm.

 

Zukunft durch Investition absichern

Die Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft und der Sozialversicherung sei aus ihrer Sicht sehr gut, führte Widhalm aus: „Wir bekennen uns ausdrücklich zum solidarischen Gesundheits- und Sozialsystem und es ist uns auch bewusst, dass mit den vorhandenen knappen Ressourcen sorgsam, effektiv und effizient umzugehen ist“, sagte sie. Der Bundesverband Selbsthilfe Österreich und seine Mitgliedsorganisationen würden Präventionsprojekte initiieren, informieren und Awareness schaffen und sich für Gesundheitskompetenz einsetzen – diese müsse bereits im Kindergarten und in der Volksschule ansetzen: „Wir als Patientenvertretung wollen hier noch mehr als bisher die Gesundheitskompetenz verständlich in die Bevölkerung hineinbringen und mit einem entsprechenden Gesetz könnten wir das noch besser machen wie bisher“, betonte Widhalm. Die Stärkung der Patientenorganisationen sei im letzten Koalitionsabkommen verankert gewesen und habe schon im Ansatz begonnen: „Ich denke, wir sollten das gerade zu diesem Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode umsetzen, damit eine gesicherte Versorgung der Patientinnen und Patienten gegeben ist“, argumentierte Widhalm. Investition in die Prävention sei ganz wesentlich, um die Zukunft abzusichern: „Die österreichische Wirtschaft profitiert auch davon, dass wir gesunde Menschen in Österreich haben, daher muss auch in Awareness, Gesundheitskompetenz und Prävention investiert werden“, betonte Widhalm abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2025