Die Krise im Kassensystem spitzt sich durch das rasant wachsende Finanzloch der Gesundheitskasse immer weiter zu. Die Österreichische Ärztekammer mahnte die Verantwortlichen noch während der Koalitionsverhandlungen, das Ausmaß der Krise ernst zu nehmen.
Sascha Bunda
Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP ging es plötzlich ganz schnell: ÖVP und SPÖ schlugen im zweiten Versuch einen Kompromisskurs ein und streckten auch wieder die Fühler in Richtung NEOS aus. Doch wesentliche gesundheitspolitische Fragen drohten bei dem großen Tempo unter die Räder zu geraten, angesichts des fast ebenso schnell wachsenden Finanzloches bei der Österreichischen Gesundheitskasse schrillten bei der Österreichischen Ärztekammer die Alarmglocken. Im Rahmen einer weiteren Krisensitzung der Bundeskurie niedergelassene Ärzte (BKNÄ) verschaffte man sich mit einer Pressekonferenz Gehör. „Wir stehen heute vor einer sozialpolitischen Zeitenwende, wenn nicht schnell etwas Wirksames passiert. Jetzt die geeigneten gesundheitspolitischen Schritte zu setzen, halte ich für eine Bringschuld der künftigen Regierung“, sagte ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart zum Auftakt und formulierte fünf zentrale Forderungen als wesentlichen Maßstab für die Beurteilung der künftigen Regierung:
Erstens müsse mehr Geld in die Gesundheitsversorgung investiert werden. „Die Bevölkerung wächst, die Menschen werden älter und damit betreuungsbedürftiger, moderne Diagnostik und Therapien werden nicht nur immer besser, sondern auch kostspieliger. Und nicht zuletzt befinden wir uns inmitten einer Wirtschaftskrise und wir wissen, dass der medizinische Versorgungsbedarf einer Bevölkerung in Krisenzeiten zunimmt“, so Steinhart. Zweitens dürfe man keinesfalls Budgetlöcher durch den Verkauf öffentlicher Gesundheitseinrichtungen an private Investoren stopfen. Drittens müsse der öffentliche, solidarisch finanzierte Gesundheitsbereichs zügig ausgebaut werden – ohne Behinderung oder Einschränkung für Wahlärztinnen und Wahlärzte. Als viertes Kriterium nannte Steinhart einen spürbaren Bürokratieabbau durch die Implementierung einer Task Force mit Vertretern der Ärzteschaft, der Politik, der Kassen und der Spitäler. Und zuletzt müsse durch attraktive berufliche Rahmenbedingungen etwas gegen den Ärztemangel im öffentlichen Gesundheitssystem getan werden.
Finanzspritze alleine zu wenig
Edgar Wutscher, ÖÄK-Vizepräsident und BKNÄ-Obmann, zeigte sich alarmiert über das ÖGK-Finanzloch und forderte nachhaltige Reformen: „Wir Ärztinnen und Ärzte sind weder für diese Schulden noch für die Misswirtschaft verantwortlich. Wir wissen, dass die Ärztekosten nur rund 15 Prozent der ÖGK-Gesamtausgaben ausmachen, und dieser Anteil in den letzten Jahren sogar noch gesunken ist. Eine finanzielle Absicherung der Österreichischen Gesundheitskasse ist notwendig, aber damit dürfen die Maßnahmen keinesfalls aufhören. Ohne Reform der ÖGK sowie ohne Maßnahmen zur Attraktivierung der Kassenverträge ist die Gefahr hoch, dass nur Steuergeld verschwendet wird. Die Gründe für das ausufernde Minus müssen aufgearbeitet werden und Konsequenzen, auch im ÖGK-Management, gezogen werden. Wir Ärztinnen und Ärzte arbeiten gerne für die Bevölkerung, bekennen uns zum solidarischen Gesundheitssystem und arbeiten an einer zukünftig guten Versorgung mit. Aber jetzt müssen Schritte gesetzt werden, damit wir wieder optimistisch in die Zukunft schauen können.“
Dietmar Bayer, stellvertretender BKNÄ-Obmann, vermisste Pläne zur Stärkung des niedergelassenen ärztlichen Bereichs: „Ohne solche Maßnahmen kann keine Spitalsentlastung erreicht werden. Wo sind sinnvolle Vorschläge zur Patientenlenkung, die die Ärztekammer schon seit langer Zeit einfordert?“ Auch beim einheitlichen Gesamtvertrag zog Bayer eine rote Linie: „Die Ärzteschaft wird sich keinen Gesamtvertrag gesetzlich aufzwingen lassen.“ Zudem müsse sich auch der Umgang der ÖGK mit Ärztinnen und Ärzten, dringend ändern: „Mit Briefen mit der subtilen Androhung von Konsequenzen, wenn die Leistungen nicht restriktiver abgerufen werden, wird man sicher keine Ärztinnen und Ärzte für den Kassenbereich gewinnen“, so Bayer.
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2025