Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Die lange Reise

10.04.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Wegbereiter, politische Vertreter und Ehrengäste trafen sich in der Alten Residenz in Salzburg, um den Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin zu würdigen, und sich über historische Erfolge und zukünftige Herausforderungen auszutauschen.

Sophie Niedenzu

Im prunkvollen, feierlichen Ambiente der Alten Residenz sorgte nicht nur ein pointiert formulierter Satz für ausgelassene Stimmung. Mit „Er war richtig lästig“, bezog sich Michael Kierein, Abteilungsleiter der Sektion VI, Rechtsangelegenheiten bei Ärzten, im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), in seinen Grußworten auf den Tiroler Allgemeinmediziner Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Dieser sei einer derjenigen gewesen, die jahrelang das Ziel konsequent verfolgt hätten, den Facharzt für Allgemeinmedizin Realität werden zu lassen – diese Beharrlichkeit sei „sehr sympathisch“ gewesen, erinnerte sich Kierein zurück. Zudem lobte er Wutschers Handschlagqualität und endete mit den Worten „Aufgeben gibt’s nicht“ seine anekdotenhafte Rede, in der er die Festgäste auch kurz in die Sporthistorie rund um den überraschenden Olympiasieger Steven Bradbury entführte.

Gastgeber der Enquete zum Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin war die Bundessektion Allgemeinmedizin und approbierte Ärzte (BSAM). Deren geschäftsführender Obmann, Christoph Fürthauer, begrüßte zahlreiche Ehrengäste. Neben Vertretern aus dem Gesundheitsministerium und der Österreichischen Ärztekammer waren unter anderem auch die Salzburger Landesrätin für Gesundheit und derzeitige Vorsitzende der Landesgesundheitsrefereten-Konferenz, Daniela Gutschi, Michael Müller von der SVS und Vertreter der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) anwesend. Die Allgemeinmedizin sei nun mehr als „ein bisschen von allem“, zeigte sich Fürthauer erfreut. Für Katharina Reich, Chief Medical Officer im BMSGPK, sei die Einführung des Facharztes kein „Meilenstein“, sondern viel mehr ein „Schlussstein“ in diesem langen Kapitel. Die nunmehrige Umsetzung zeige nicht nur die Breite des Faches auf, sondern sei auch ein großer Schritt für das Wohl des Patienten, der beim best point of service, der Allgemeinmedizin, behandelt werde. ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart betonte in seiner Rede, dass Primärversorgung nicht nur in Zentren passiere, sondern in jeder Ordination. Die Allgemeinmedizin sei nun kein „Fach light“ mehr, sondern ein eigenständiges und vollumfängliches Fach. Peter Kowatsch, neuer ÖGAM-Präsident, lobte die fachliche Weiterentwicklung der Ausbildung.

Historische Wiedergeburt

Im Anschluss beleuchtete Antonius Schneider, Ärztlicher Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung an der Technischen Universität München/Klinikum rechts der Isar, den Beitrag der Allgemeinmedizin für eine gesunde Bevölkerung. Merkmale der Allgemeinmedizin seien der niederschwellige Zugang mit dem Erstkontakt, die Langzeitbeziehung und -betreuung und die umfassende und koordinierte Versorgung. Er betonte die Einbeziehung der Patientenpräferenz sowie das Konzept des Shared Decision Making im Hinblick auf die Therapie. Susanne Rabady, Past President der ÖGAM, unternahm eine Reise in die Medizingeschichte. Diese zeige, dass die Allgemeinmedizin am Anfang die einzige Medizin gewesen sei, dann folgten Spezialisierungen, die wiederum die Wiedergeburt der Allgemeinmedizin als wesentliches Fach bedinge. Denn durch sie sei das Herstellen eines patientenbezogenen Gesamtkontextes möglich, es könnten Schäden durch Über-, Unter- oder Fehlanwendung von Medikamenten und Wechselwirkungen von Krankheiten, von Maßnahmen und Medikamenten vermieden werden.

Der Allgemeinmediziner Artur Wechselberger, ehemaliger und langjähriger Präsident der Tiroler Ärztekammer sowie von 2012 bis 2017 ÖÄK-Präsident, verwies auf eine Studie von vor über zehn Jahren, wonach Österreich ein „Low Primary Care Country“ sei. Mit den zahlreichen Bemühungen, unter anderem der Fachgesellschaften, sei es gelungen, die Wissenschaftlichkeit des Faches darzustellen. Wutscher, der an diesem Abend den Ehrentitel „Mr. Allgemeinmedizin“ erhielt, betonte die starke Teamarbeit und den gemeinsamen Willen, den Facharzt Wirklichkeit werden zu lassen. Gerade der Anteil von Wechselberger sei dabei gar nicht hoch genug zu bewerten.

Qualitätssicherung und Nachwuchsförderung

In der abschließenden Podiumsdiskussion freute sich Sabine Haupt-Wutscher, Allgemeinmedizinerin in Tirol und Lehrbeauftragte an der Uni Innsbruck, für die zukünftige Generation: Durch die neue Ausbildungsordnung werde eine neue Qualität verankert. Zahlreiche positive Rückmeldungen an der Uni würden zeigen, dass der Facharzt der richtige Weg sei, um die Allgemeinmedizin weiter zu stärken. Den Wunsch nach einem eigenständigen Fach hätten viele Studenten geäußert, ergänzte die steirische Allgemeinmedizinerin Reingard Glehr. Gerade im Hinblick auf die Qualitätssicherung sei die neue Ausbildungsordnung eine wichtige Errungenschaft. In ihrer Ausbildung sei sie sich damals wie eine Einzelkämpferin vorgekommen, erinnerte sich Johanna Dolcic, Landärztin in Salzburg, zurück. Umso mehr begrüßte sie, dass mit dem Facharzt eine längst notwendige Aufwertung und Anerkennung der Allgemeinmedizin umgesetzt werde. Die Lehrpraxis sei – neben dem Rotationsprinzip – ein wesentlicher Faktor für die Ausbildungsqualität, betonte der Allgemeinmediziner Reinhold Glehr, Lehrbeauftragter an der Medizinischen Universität Graz. Neben der Praxiserfahrung seien auch der Ordinationsalltag, die Auseinandersetzung mit dem Gesundheitssystem und die Arbeit mit der Sozialversicherung Mosaiksteine, um dem Nachwuchs die Unsicherheiten zu nehmen, in die Niederlassung zu gehen, sagte Wutscher. Reich betonte einmal mehr die wichtige Rolle der Allgemeinmedizin für die Versorgungsqualität. Es gebe nun einen Kulturwandel in der Ausbildung, der mit Leben gefüllt werden müsse, schloss Fürthauer mit dem Auftrag für die Zukunft.

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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2025