Budgetfahrplan: Worauf es ankommt

10.06.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Autorin: Sophie Niedenzu

Mit zusätzlichen Einnahmen und Investitionen in die Gesundheit ist es nicht getan, denn nur gezielte Strukturreformen helfen, das solidarische Gesundheitssystem auf lange Sicht abzusichern, betont ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart.

Sophie Niedenzu

Die Budgetrede des Finanzministers sei erfreulich gewesen, resümierte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, in einer Pressekonferenz: „Es verdient Anerkennung, dass trotz der aktuellen finanziellen Krise keine Einschnitte im Gesundheitsbudget geplant sind.“ Das bewährte solidarische System werde international zu Recht als beispielhaft angesehen, sei aber derzeit in Gefahr: „Wir brauchen Strukturreformen, die unser soziales und solidarisches System auch für die Zukunft absichern“, sagte Steinhart.

Medizinische Leistungen erweitern

Ein ineffizienter Umgang mit begrenzten Ressourcen sei gerade in Zeiten finanzieller Knappheit zu vermeiden. So müssten beispielsweise angesichts des Defizits der Österreichischen Gesundheitskasse die Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden – was jedoch nicht geschehe, so Steinhart. Optimierungspotential gebe es bei den großen Ausgabeposten. Stattdessen werde die Kernaufgabe der ÖGK eingeschränkt, nämlich die medizinischen Leistungen für die Versicherten. „Es ist nicht damit getan, dass die ÖGK durch die Erhöhung der Versicherungsbeiträge bei Pensionisten und anderen Versicherten konsolidiert wird, wenn gleichzeitig keine echten Strukturreformen innerhalb der ÖGK umgesetzt werden“, betonte Steinhart. Damit würden die ÖGK-Funktionäre die Probleme nicht angehen: „Derzeit sind die Leidtragenden die Versicherten, die mehr Geld einzahlen, und weniger Leistungen erhalten“, kritisierte Steinhart. So werden Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel derzeit von der ÖGK dazu angehalten, Physiotherapien kürzer und in geringerem Ausmaß zu verordnen (siehe Infobox). Auch die Diskussion um die Zahl der MR/CTs sei medizinisch zweifelhaft: „Lieber habe ich zwei, drei MRs zu viel gemacht, aber dafür habe ich – idealerweise möglichst frühzeitig – Krebs diagnostiziert“, sagte Steinhart. Zu bedenken sei zudem, dass ärztliche Leistungen nur knapp 15 Prozent des ÖGK-Budgets (von 2023) ausmachen: „Statt das Risiko einzugehen, dass infolge einer nicht-bewilligten Untersuchung eine Krankheit übersehen wird, muss bei den restlichen 85 Prozent der Ausgaben angesetzt werden“, plädierte Steinhart. Einsparungen gebe es etwa laut Rechnungshof bei einem Immobilienkonzept zur wirtschaftlichen und räumlichen Optimierung, ebenso sollten ÖGK-Ambulatorien auf Effizienz geprüft werden und Kooperationen mit anderen Sozialversicherungsträgern bei IT und Immobilienmanagement angedacht werden. Anders als die ÖGK investierte die SVS gezielt in medizinische Leistungen, etwa in den Ausbau der Krebsvorsorge (siehe Infobox), lobte Steinhart diesen anderen Zugang.

Reise des Patienten

Ziele seien laut Budgetplan „Effizienzsteigerungen im Gesundheitssystem“ wie eine „zielgerichtete Lenkung der Patientinnen und Patienten durch das Gesundheitssystem“. Angeführt werde dabei der Ausbau der Gesundheitsberatung 1450 sowie die Einführung eines Anreizsystems zur Einhaltung der Versorgungspfade ebenso wie die Stärkung der Telemedizin, eine gemeinsame Steuerung der Zahlungsströme und eine Strukturreform der Krankenanstalten. Diese langfristige Reform soll ab 2026 erste Einsparungen erzielen und laut Budgetplan gesamtstaatlich bis 2029 rund 0,9 Milliarden Euro einsparen. Diese Ziele seien grundsätzlich zu begrüßen, betonte Steinhart: „Es ist einfach widersinnig – sowohl medizinisch als auch ökonomisch – , dass Patientinnen und Patienten auf Eigeninitiative in beliebigen Ebenen des Gesundheitssystems einsteigen“, sagte er. Es sei zum Beispiel kontraproduktiv, zuzulassen, dass Leistungen am teuersten Punkt der Gesundheitsversorgung, den Krankenhäusern, erbracht werden, wenn das auch im niedergelassenen Bereich optimal möglich wäre: „Voraussetzung dafür ist aber natürlich, dass der niedergelassene Bereich entsprechend ausgebaut wird“, sagte Steinhart. Es seien mindestens 1.000 zusätzliche Kassenarztstellen notwendig, um die gröbsten Versorgungslücken zu schließen: „Und es braucht eine zusätzliche Flexibilisierung der Kassenverträge, entsprechend den Versorgungsnotwendigkeiten und der individuellen Lebenssituation von Ärztinnen und Ärzten“, ergänzte Steinhart.


Leistungskürzungen Physiotherapie

Ein neuer Brief der ÖGK an Vertragsärzte kündigt weitere Nachteile für die Versicherten an. Vertragsärzte werden darin angehalten, Physiotherapien kürzer und in geringerem Ausmaß zu verordnen. Das Vorgehen sei nicht mit der Bundeskurie niedergelassene Ärzte abgesprochen gewesen. Ärztinnen und Ärzte würden mit ihren Verordnungen auch in dieser Hinsicht gewissenhaft und verantwortungsbewusst umgehen: „Ich verwehre mich sowohl gegen anderslautende Unterstellungen als auch gegen die erneuten Leistungskürzungen für Patientinnen und Patienten, denen die ÖGK nicht die notwendige Therapie vergönnt“, sagte Edgar Wutscher, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Der Inhalt des aktuellen Briefs sei mit der Bundeskurie in keiner Weise abgesprochen worden, sondern nur zur Kenntnis gebracht. Vornehmliche Aufgabe der ÖGK müsste es wohl sein, dies ihren Versicherten zur Kenntnis zu bringen: „Aus diesem Grund werden wir den Kassenärzten empfehlen, diese Briefe in den Ordinationen auszuhängen und ihre Patientinnen und Patienten zu informieren, wer diese Einschränkungen zu verantworten hat“, kündigte Wutscher an.


Ärzte im System halten

Auch mit der knappen Ressource der Absolventen eines Medizinstudiums müsse effizienter umgegangen werden. Um Abwanderungen hintanzuhalten, müsse Österreich sowohl in den Spitälern als auch in den Kassenordinationen attraktive, international konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen anbieten. Die immer wieder geforderte Erhöhung der Medizinstudienplätze sei keine sinnvolle Lösung: „Ein Medizinstudium ist aufwändig und teuer, und andere Länder würden sich sehr freuen, wenn Österreich mit dem Steuergeld noch mehr Ärztinnen und Ärzte ausbildet und sie dann gratis ins Ausland exportiert“, sagte Steinhart. Es müsse unter anderem möglich sein, dass Spitalsärzte auch als Wahlärzte arbeiten dürfen. Abschließend betonte der ÖÄK-Präsident die Bereitschaft, gemeinsam mit Politik und Sozialversicherung die Weichen für die Zukunft des bewährten solidarischen Gesundheitsversorgung zu stellen.


SVS investiert in Prävention

Die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) hat eine ausgeglichene Gebarung veröffentlicht, trotz eines „neuen österreichweit einheitlichen und modernen Ärztevertrags und einer großen Präventionsinitiative“, wie sie in einer Aussendung betont. Konkret rechnet die SVS für 2024 aktuell mit einem leichten Plus von 590.000 Euro. Das Jahr 2025 wird mit einem Minus von 16,7 Mio. Euro kalkuliert. 2025 werde in „dringend notwendige Vorsorgetransformation“ investiert, etwa mit der Initiative „Gemeinsam gegen Krebs“: SVS-Versicherte erhalten einen 100-Euro-Bonus, wenn sie eine der empfohlenen Krebsvorsorgeuntersuchungen absolvieren. Für die Initiative ist ein Budget von 40 Mio. Euro vorgesehen, die Krebsvorsorgeuntersuchungen sollen 2025 um 30 Prozent erhöht werden.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2025