BKNÄ: Ärztliche Versorgung am Land – Sorgenfalten am Land

26.05.2025 | Aktuelles aus der ÖÄK

Eine aktuelle Umfrage unter Gemeindevertretern zeigt die große Sorge um kassenärztliche Versorgung. Teilzeitkassenstellen, ein leistungsorientiertes Kassensystem und die Medikamentenabgabe beim Arzt könnten helfen, Abwanderungen zu verhindern.

Sophie Niedenzu

Fast 70 Prozent der Gemeindevertreter sehen die Versorgung ihrer Gemeinde durch fehlende Kassenärzte in den kommenden fünf Jahren gefährdet. Das zeigt eine Umfrage des Kommunalverlages unter Bürgermeistern, Vize-Bürgermeistern, Amtsleitern, Gemeindemandataren und anderen Gemeindebediensteten, an der 619 Personen teilgenommen haben. Eine signifikante Mehrheit von 66,20 Prozent der Befragten stimmte dabei voll und ganz zu, dass ihnen die aktuelle Problematik bei der Besetzung von Kassenstellen bewusst sei; 68,32 Prozent der Befragten stimmten der Aussage eher oder voll und ganz zu, dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Kassenärzte sich positiv auf die Zukunft ihrer Gemeinde auswirken würde. Und 54,13 Prozent der Befragten sind laut dieser Umfrage der Meinung, dass die Erleichterung bei der Gründung und Bewahrung von ärztlichen Hausapotheken eine positive Auswirkung auf die Zukunft ihrer Gemeinden haben würde. „Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen ganz klar, dass die Patientenversorgung am Land ganz essentiell dafür ist, ob eine Region überlebt“, sagte Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte im Rahmen einer Pressekonferenz. Es sei dringend notwendig, Ärztinnen und Ärzte wieder in das Kassensystem zu bekommen.

Integration anderer Gesundheitsberufe

So sei die vielzitierte Flexibilisierung des Kassensystems auf mehreren Ebenen zu verstehen: „Es sollte möglich sein, als Kassenarzt auch in Teilzeit zu arbeiten, denn jede besetzbare Kassenstelle ist ein Gewinn für das solidarische Gesundheitssystem“, betonte Wutscher. Zudem müssten die bürokratischen Hürden bei modernen Arbeitsmodellen, wie Job Sharing, Gruppenpraxen oder interdisziplinäre Zusammenarbeitsformen fallen: „Modelle, in denen Arztordinationen auch andere Gesundheitsberufe integrieren, müssen budgetär abgesichert werden, um hier auch Anreize zu schaffen“, sagte Wutscher. Angesichts der steigenden Zahl an Ärztinnen sei es zudem sinnvoll, diese zu fördern: „In Vorarlberg hat die Ärztekammer gemeinsam mit der ÖGK-Landesstelle ein Pilotprojekt laufen, wonach junge Ärztinnen nach der Entbindung für einen gewissen Zeitraum einen Anspruch auf einen finanziellen Mutterschutzausgleich erhalten“, so Wutscher. Damit sei es Ärztinnen möglich, eine Praxis mit einer Vertretung weiterzuführen.

Leistungsorientierte Honorierung

Ein weiterer Punkt sei die Honorarordnung, denn das Kassensystem decke nicht alle Leistungen ab. Bereits vor einigen Jahren habe die Bundeskurie den einheitlichen Leistungskatalog ohne leistungsfeindliche Limits in enger Zusammenarbeit mit den Bundesfachgruppen entwickelt und der Sozialversicherung überreicht – seitdem sei aber nichts passiert. Derzeit werde beispielsweise das Diagnose- und Therapiegespräch, eines der zentralen Punkte der Arzt-Patienten-Beziehung, je nach Kasse etwas unterschiedlich mit ca. 15 Euro vergütet: „Aber aufgrund der Deckelungen durch die Krankenkasse gilt das nur für geringe Prozentsätze der tatsächlich geführten Diagnose- und Therapiegespräche“, präzisierte Wutscher: „Fragen Sie doch einmal Ihren Elektriker, ob er Ihnen die vierte und fünfte Steckdose kostenfrei verlegt, weil er ja bereits drei verlegt hat.“

Hausbesuch mit Medikamenten 

Ein großes Argument für Kassenstellen im ländlichen Raum seien die öffentlichen Hausapotheken. Ein Hausarzt am Land mache nach wie vor viele Hausbesuche, könne aber nur ein Rezept schreiben und die Medikamente nicht direkt beim Patienten vor Ort abgeben. Die Möglichkeit der Medikamentenabgabe beim Arzt würde Einzelordinationen wieder attraktiver machen: „Eine Studie hat gezeigt, dass der Ausbau von ärztlichen Hausapotheken bis zu 400 neue Kassenärzte bringen würde“, sagte Wutscher. Leider schrumpfe derzeit die Zahl der ärztlichen Hausapotheken aufgrund von legistischen Maßnahmen. „Mit einem Wegfall der Sechs-Kilometer-Grenze, die den Abstand zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken reglementiert, werden Kassenarztstellen, vor allem im ländlichen Raum, schlagartig attraktiver“, sagte Wutscher.

Sorgen im Sulmtal 

Die ärztliche Versorgung ist auch für die kleine steirische Gemeinde St. Peter im Sulmtal (1300 Einwohner) ein großes Thema, denn seit 2023 wird hier dringend ein Arzt für die Kassenstelle gesucht. Dieses Problem hat ihr schon einige schlaflose Nächte bereitet, schilderte Bürgermeisterin Maria Skazel: „Es ist ja tatsächlich so, dass mich die Leute ansprechen, wenn ich nur über den Kirchplatz gehe. Die Gesundheitsversorgung ist wirklich ein großes Thema für die ganze Bevölkerung und mir macht daher die Nichtbesetzung entsprechende Sorgen.“ Man habe die Bürger auch schon frühzeitig darauf eingestimmt, dass nun deutlicher Mehraufwand in Form von zusätzlichen Kilometern auf sie zukomme. „Das trifft natürlich vor allem die chronisch Kranken und die ältere Bevölkerung, die wöchentlich einen Arztbesuch braucht, die müssen sich nun länger auf den Weg machen“, bedauerte die Bürgermeisterin. „Wir können nur die Rahmenbedingungen im Ort beeinflussen. Wir können aber keine Gesetze ändern und wir können keinen Arzt herzaubern“, schilderte Skazel ihren Ansatz.

Erschwerend kam dazu, dass fast zeitgleich die Nachbargemeinden St. Martin und Bad Schwanberg ebenfalls einen neuen Gemeindearzt suchten. St. Martin hatte dabei den Vorteil, dass die Kassenstelle mit einer Hausapotheke verbunden war und die Stelle schnell nachbesetzt werden konnte. „Die Hausapotheke ist natürlich ein wesentliches Plus, um in einen kleinen Ort zu gehen“, sagte Skazel. Ihr großer Wunsch an die Politik wäre eine Lockerung bei der Hausapotheken-Regelung. Letztendlich müsse man aus ihrer Sicht vor allem auf das Wohl jener in der Bevölkerung achten, die ständig Medikamente bräuchten. Die Hausapotheke könnte den Unterschied machen, damit ein Arzt dann leichter das unternehmerische Risiko eingehe, in eine 1.300-Einwohner-Gemeinde zu kommen. Für junge Ärzte habe die Gemeinde mit vorhandener Infrastruktur auch einiges zu bieten, wie etwa eine Kinderbetreuungsmöglichkeit, ein Nahversorgergeschäft, eine Bahnhaltestelle, Einbettung in das gemeinschaftliche Leben im Ort und nicht zuletzt sei die Kassenstelle mit einer Anschubfinanzierung von 70.000 Euro verbunden. „Wir freuen uns über jede Bewerbung, die reinkommt“, appellierte die Bürgermeisterin abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2025