Die Österreichische Akademie der Ärzte feierte ihr 25-jähriges Jubiläum. Welche Bedeutung die ärztliche Bildung in Zusammenhang mit Arztprüfungen hat, was wichtig für die Patientenbehandlung ist und wie lebenslanges Lernen in der ärztlichen Fortbildung umgesetzt wird, darüber diskutierten Expertinnen und Experten im Rahmen einer Enquete.
Sophie Niedenzu
Fühlen und Tasten, das dürfe nicht vernachlässigt werden. Denn: „Der Mensch ist ein Homo Hapticus.“ Das sagte die deutsche Internistin Jana Jünger, Leiterin des Instituts für Kommunikations- und Prüfungsforschung gGmbH in Heidelberg im Rahmen der Enquete „Ärztliche Bildung im Wandel – Perspektiven für die Zukunft“, die anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Akademie der Ärzte am 14. Oktober in Wien über die Bühne ging. Sie sprach in ihrem Impulsvortrag über die Bedeutung und den Stellenwert von Arztprüfungen, sowie über Prüfungen als Freund und Helfer, die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden müssten – etwa auch im Hinblick auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Neben der körperlichen Untersuchung sei zudem eines in der Patientenbetreuung wichtig: die Kommunikation, denn medizinische Begriffe würden oft falsch verstanden werden, etwa die Einordnung von „positiven“ und „negativen“ Befunden.
Die Arztprüfungen sind einer der zentralen Bereiche, die in den Händen der Akademie der Ärzte liegen: 1993 beauftragte der damalige Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler die Österreichische Ärztekammer, am Ende der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder der Absolvierung eines Sonderfaches eine Abschlussprüfung vorzunehmen, wobei die ÖÄK die Durchführung der Prüfung der Akademie der Ärzte übertrug. Ziel war es, die ärztliche Aus- und Fortbildung systematisch abzusichern und transparent zu machen. „Der wichtigste Qualitätsaspekt bei jeder Prüfungsmethode ist die Validität, das heißt, ein Examen muss prüfen, ob die Absolventinnen und Absolventen in der Lage sind, ihre zukünftige Arbeit kompetent auszuführen oder nicht“, sagte Peter Niedermoser, Präsident des Wissenschaftlichen Beirats der Akademie. Im internationalen Vergleich sei das österreichische Prüfungssystem laut Niedermoser exzellent aufgestellt: „Das liegt insbesondere an den bundesweit und fächerübergreifend einheitlichen, hohen Standards, deren Einhaltung von der Akademie der Ärzte sorgfältig verfolgt wird.“
Pflicht mit Mehrwert
Niedermoser präsentierte im Anschluss an die Begrüßung der Ehrengäste durch Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, und einem historischen Abriss von Wolfgang Routil, Gründungsvater und Präsident der Akademie der Ärzte von 2000 bis 2012, Zahlen und Fakten zur Akademie. Neben der Arztprüfung bekam die Österreichische Ärztekammer 2003 vom Gesetzgeber den Auftrag, eine Sprachprüfung für alle Ärztinnen und Ärzte, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, zu entwickeln und diese durchzuführen. Der positive Abschluss der Deutschprüfung ist Voraussetzung, um in Österreich in die Ärzteliste eingetragen zu werden. Das sei eine relevante Aufgabe, denn das wichtigste in der Medizin sei die klare Sprache: Kommunikationsprobleme zählen nämlich zu den häufigsten Fehlerquellen im Gesundheitswesen, betonte Niedermoser, der auch dafür eintrat, dass Kompetenz nicht nur vermittelt, sondern auch die Haltung für lebenslanges Lernen gefördert werden müsse.
Letzteres ist auch im Österreichischen Ärztegesetz verankert, wonach sich Ärztinnen und Ärzte laufend medizinisch fortbilden müssen. 1995 wurde mit dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) ein einheitlicher Rahmen dafür geschaffen. 2014 folgte die Verpflichtung durch den Gesetzgeber, dass Ärztinnen und Ärzte alle fünf Jahre 250 DFP-Punkte nachweisen müssen. „Medizinisches Wissen hat eine hohe Dynamik und eine vergleichsweise geringe Halbwertszeit. Fortbildung ist daher nicht nur Pflicht, sondern auch ärztliches Selbstverständnis und grundlegendes Berufsethos“, sagte Niedermoser. Die Verpflichtung zur Fortbildung habe an den Fortbildungsaktivitäten der Ärztinnen und Ärzte nur wenig geändert, aber sehr wohl am Dokumentationsverhalten.
Dem Punkt lebenslanges Lernen in der Medizin widmete sich die Bildungspsychologin Christiane Spiel in einem eigenen Impulsvortrag. Sie sprach über die Wichtigkeit anschaulicher Beispiele, über die Rolle der Selbstreflexion, intuitive Anwendung und die Selbstbestimmung in der Arbeit. Reinhard Griebenow, Mitglied des CPD Recognition Committees der WFME, widmete sich in seinem Vortrag der Qualität in der ärztlichen Fortbildung und den Erwartungshaltungen. In Zeiten der Informationsflut und des medizinischen Fortschritts seien besonders systematische Reviews von großer Bedeutung, in denen aktuelle Erkenntnisse zusammenfassend dargestellt werden. Zudem betonte er den Wert von evidenzbasierten Leitlinien.
Technologien und Patientenpräferenzen
In der abschließenden Diskussion standen die Zukunftsperspektiven im Zentrum. Daniel von Langen, Vorsitzender des Bildungsausschusses, plädierte dafür, Technologien in der Fortbildung mehr einzubauen und betonte hier die Akademie als Schlüsselfaktor. Ärztinnen und Ärzte müssten den technologischen Fortschritt selbst gestalten und nicht gestaltet werden. Niedermoser ergänzte, dass der Arzt der Kapitän sei. Spiel betonte, dass man KI etwa für die Prüfung von Ergebnissen anwenden könne. Zudem waren sich die Diskussionsteilnehmer darin einig, dass die Präferenzen bei Patienten nicht ignoriert werden dürften, insbesondere in Hinblick auf Therapieentscheidungen bei multimorbiden Patientinnen und Patienten. Das akademieeigene Bildungsangebot werde kontinuierlich ausgebaut, neben Kongressen und Präsenzveranstaltungen gebe es eine Reihe von E-Learning-Modulen und Webinaren – die Zukunft sei aber auch eine weitere Digitalisierung in allen Bereichen: „Die Entwicklung von modernen Fortbildungsformaten wie Micro-Learning oder Podcasts und der Aufbau weiterer wissenschaftlicher Kooperationen sind Themen, die uns in Zukunft intensiv beschäftigen werden“, sagte Niedermoser abschließend.
Engagement feierlich geehrt
Im Rahmen der Enquete überreichte Peter Niedermoser, Präsident des Wissenschaftlichen Beirats der Akademie, Ehrenurkunden an Wolfgang Routil („Erfinder“ und Gründungsvater, 12 Jahre Präsident des damaligen Vereins „Österreichische Akademie der Ärzte“, zahlreiche internationale Funktionen und Tätigkeiten im ärztlichen Bildungsbereich), Manfred Dierich (Gründungsmitglied und langjähriger Leiter der Ärztetage Grado und Velden, sowie ehemaliger Leiter des DFP-Akkreditierungsrats), Heinrich Klech (Gründungsmitglied und viele Jahre als Finanzreferent verantwortlich für die finanziellen Belange der Akademie) und Heinrich Weber (langjähriger Vize-Präsident der Akademie und Mitglied des DFP-Akkreditierungsrats).
25 Jahre Akademie der Ärzte:
Seit der Gründung der Akademie im Jahr 2000 wurden
- über 96.000 DFP-Diplome und mehr als 44.000 Weiterbildungsurkunden als transparente Qualifikationsnachweise zur kontinuierlichen Fortbildung bzw. der Vertiefung von medizinischen Themengebieten ausgestellt;
- mehr als 400.000 qualitätsgesicherte Fortbildungen im Rahmen des Diplom-Fortbildungs-Programms (DFP) zertifiziert (Durchschnitt der vergangenen Jahre: rund 30.000 pro Jahr);
- 19.100 Prüfungen „Arzt für Allgemeinmedizin“ und mehr als 23.500 Facharztprüfungen absolviert (Durchschnitt der vergangenen Jahre: 2.000 pro Jahr);
- 4.500 Sprachprüfungen (medizinisches Deutsch) abgelegt, zuletzt 380 im Jahr 2024, über 500 im Jahr 2025
Dazu kommen über 150.000 Teilnahmen bei eigenen Fortbildungen (zuletzt rund 19.000 im Jahr 2024)
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2025