Schiffsarzt: Mit Praxis aufs Schiff

25.02.2024 | Service

Jahrelange ärztliche Praxis ist eine der Voraussetzungen, um als Schiffsarzt tätig werden zu können. Was daran so faszinierend ist, berichtet Ass. Prof. Berthold Petutschnigg, der seine Erfahrungen von 30 Kreuzfahrten nun als Ausbildner bei den Schiffarzt-­Lehrgängen einbringt.
Ursula Scholz

Schiffsarzt zu sein, ist die Krönung einer ärztlichen Karriere; die eigentliche Berufs­laufbahn ersetzt sie nicht. „Schiffsarzt werden können nur Ärzte mit jahrelanger Praxis, üblicherweise in den Bereichen Allgemeinmedizin, Chirurgie, Innere Me­dizin und Anästhesie“, erklärt Ass. Prof. Berthold Petutschnigg. Die Einsätze am Schiff finden während des Urlaubs oder in der Pension auf Honorarbasis statt.

Petutschnigg war an der Universitätsklinik für Chirurgie der Medizinischen Universi­tät Graz tätig, in der Notfallmedizin und er verfügt über eine Zusatzausbildung in Intensivmedizin. Mit seinem ersten Ein­satz als Schiffsarzt im Jahr 2009 ist sein Traum in Erfüllung gegangen: Notarzt am Land, in der Luft und am Wasser zu sein. Mit dem Hubschrauber fliegt der knapp 69­Jährige nicht mehr und auch als Transplantationschirurg am Grazer Uniklinikum ist er mittlerweile in Pension gegangen. Aktiv ist er noch als Lehr­beauftragter der Grazer MedUni, wo er die Teaching Unit Notfall­ und Katastro­phenmedizin unterrichtet, als Notarzt und Notarzt­-Ausbildner und eben als Schiffs­arzt (Ausbildner).

Umfassende Ausbildung

Seine erste Kreuzfahrt hat Petutschnigg als Privatmann genossen – und schon da leis­tete er am Schiff unerwartet ärztliche Hilfe. Danach absolvierte er seine Ausbildung als Schiffsarzt in Rostock und stach wieder in See. Ein Einsatz dauert üblicherweise vier bis fünf Wochen. „Verständnisvolle Vorgesetzte sind in jedem Fall von Vorteil, wenn man als angestellter Arzt auch auf See arbeiten möchte“, betont Petutschnigg. „Wer eine eigene Ordination be­treibt, braucht eine gute Vertretung.“

Der erste Einsatz dauert übrigens sechs bis acht Wochen: „Drei Wochen braucht man, bis man sich überhaupt erst am Schiff aus­ kennt, bis man weiß, ob man gerade nach vorne oder hinten geht, wie man eine Kabine findet, wann man nicht auf die Brücke darf und wann man auf die Brücke muss …“ Auch im See­Recht und Reederei­Recht muss man bewandert sein.

Die Schiffe, an denen er üblicherweise tätig ist, haben inklu­sive Crew um die 4.000 Menschen an Bord. Der Schiffsarzt ist ihr Hausarzt, Notarzt, Apotheker, Beichtvater und Vieles mehr. „Im Notfall ist man auf sich allein gestellt“, betont Petutschnigg. „Zwar sind immer zwei Ärzte und zwei Nurses an Bord, die einander in 24­Stunden­Schichten ablösen. Wenn aber der zweite Arzt gerade einen Landgang macht, ist man allein.

“Allein – und gleichzeitig Teil eines vielfältigen Teams. „Ärzte und Nurses arbeiten hier auf Augenhöhe und die Zusammenarbeit mit allen anderen Departments am Schiff ist essentiell – bei­spielsweise, wenn ein Patient ausgeschifft werden muss.“ Das geht nicht immer – Wetter­bedingt oder wenn kein Kranken­haus den Patienten nimmt. Dann muss er im Intensivbett am Schiff betreut werden, bis eine Ausschiffung möglich ist.

Am Schiff ist jeder Mitarbeiter wichtig: vom Housekeeper bis zum Kapitän. „Bei meinem letzten Einsatz hatten wir in der Crew Menschen aus 56 Nationen. Berüh­rungsängste mit anderen Kulturen, Religio­
nen darf man da keine haben. Gute EDV­ und Englischkenntnisse sowie solche in chirurgischer Wundversorgung gehören zum Anforderungsprofil. Ein Schiffsarzt muss zudem über Organisationstalent verfügen.“ Petutschnigg kann organisieren. Er hat als Senior Chief Doctor bei der Aus­stattung der bisherigen Schiffs­Hospitale einer großen Kreuz­fahrtlinie im Team des Medical Department mitgewirkt.

Als Mitgründer der Deutschen Gesellschaft für Kreuzfahrt­medizin stellt er nun von Reedereien unabhängige Schiffsarzt­ Ausbildungen auf die Beine. Die Kurse umfassen Advanced Cardiac Life Support (für Erwachsene und Kinder), Fachkunde in Strahlenschutz, Sonografie und eine fakultative Ausbildung in Kreuzfahrtmedizin. Die obligatorische nautische Ausbil­dung kann in Schiffsakademien in Hamburg, Kiel oder Rostock absolviert werden. Gelernt wird direkt am Schiff, praxisorien­tiert und unter realen Bedingungen von Schiffsarzt zu Schiffs­arzt. Neun von zehn Absolventen der letzten Kurse sind bereits im aktiven Einsatz.

Informationen zur Ausbildung zum Schiffsarzt gibt es unter: www.dgkmed.de/Fortbildungen

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2024