NEUE SERIE – E-Health und Digitale Medizin – Digitale Medizin: Chancen und Grenzen

24.05.2024 | Politik

Digitalisierung macht auch vor der Medizin nicht halt. Die Österreichische Ärztezeitung widmet sich daher in einer eigenen Serie den Herausforderungen, dem Potential und den Erfolgserlebnissen in diesem Bereich.

Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte

Die Digitalisierung schreitet voran – ebenso wie die Entwicklungen in der modernen Medizin. Sie bietet Chancen, die Arbeit von Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen. Wir haben österreichweit einige Vorzeigeprojekte in der digitalen Unterstützung der ärztlichen Arbeit, etwa in der Teledermatologie oder auch durch das Projekt „HerzMobil“. Diese digitalen Projekte, die teilweise noch in der Pilotphase sind, helfen, Patientinnen und Patienten engmaschig betreuen zu können – und das ortsungebunden. Uns Ärztinnen und Ärzten hilft die Digitalisierung auch bei gemeinsamen Absprachen und Konsultationen. Das ist eine deutliche Verbesserung in der Patientenbetreuung. Denn gerade im Hinblick auf die demografischen Entwicklungen und der steigenden Zahl an chronischen Erkrankungen, die regelmäßig medizinisch beobachtet werden müssen, bietet die Digitalisierung Chancen. Und sie ermöglicht, dass Patientinnen und Patienten auch im ländlichen Raum eine noch bessere und unkomplizierte medizinische Versorgung erhalten, ohne dass sie unnötige Wegstrecken auf sich nehmen müssen.

Was bei der Umsetzung von digitalen Projekten essentiell ist, ist die Einbindung der Nutzer, also vor allem der Ärztinnen und Ärzte. Ein Erfolgsprojekt ist beispielsweise die Umsetzung des e-Impfpasses, die in enger Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten abgelaufen ist.

Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, dass nicht alle Angebote einen Mehrwert bieten und teilweise auch im Hinblick auf den Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten kritisch zu sehen sind. So sollten etwa Apps, die am freien Markt verfügbar sind, immer auch mit einem kritischen Auge betrachtet werden. Im Zweifel hilft die Rücksprache mit dem Arzt des Vertrauens. Denn eines ist klar: Digitale Tools können Unterstützung sein, sind aber kein Ersatz für Ärztinnen und Ärzte und die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten. Mit dem Start dieser Serie wollen wir uns genau diesen Facetten widmen, Projekte vorstellen, Herausforderungen diskutieren und zeigen, wo die Grenzen zwischen dem technisch Machbaren und dem medizinisch Sinnvollen liegen.

Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte

Das Bekenntnis der Bundesregierung, die Digitalisierung im Gesundheitssystem zu forcieren, kann ich nur begrüßen. Gerade in unseren Spitälern ist digital noch viel Luft nach oben, wie wir als Bundeskurie angestellte Ärzte seit Jahren betonen. Alles, was im Spital digital erledigt werden kann, die ärztliche Dokumentation, der Entlassungsbrief oder das Personalmanagement, entlastet unsere Ärzte. So bleibt mehr Zeit für das, wofür wir eigentlich da sind: fürs Arztsein und für die bestmögliche Betreuung unserer Patienten. Wir fordern vor allem den konstruktiven Ausbau einer kompatiblen und schnellen IT-Infrastruktur in den Spitälern, mit funktionierenden EDV-Schnittstellen, die den Ärzten die Arbeit erleichtert. Aber auch die Entwicklung von digitalen Apps zur Unterstützung bei der Patientendokumentation sowie eine taugliche technische Unterstützung bei nicht-ärztlichen Tätigkeiten sind nötig. Wir Ärzte müssen in diese digitalen Innovationen miteinbezogen werden – es bringt nichts, das über unsere Köpfe hinweg entscheiden zu wollen und uns einen Prozess aufzuoktroyieren, der mit der medizinischen Praxis nicht vereinbar ist.

Mein klares Ja zur Digitalisierung ist aber auch ein klares Nein zu Einsparungen an anderer Stelle im Spital und auch ein klares Nein dazu, dass die Arbeit am Computer an uns Ärzten hängenbleibt. Je mehr e-Health, desto mehr administratives Personal wird dafür benötigt. Der Ausbau der Digitalisierung darf keinesfalls dazu führen, Personal einzusparen, wie es sich manche Gesundheitsökonomen wünschen. Die Digitalisierung allein wird unsere Probleme nicht lösen und auch den Ärztemangel nicht beheben – ganz im Gegenteil, man wird trotzdem Geld in die Hand nehmen müssen, um offene Stellen zu besetzen und eine Ausbildungsoffensive zu starten. Das dürfen wir bei aller Digitalisierungseuphorie nicht vergessen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2024

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