Spenderorgane: Organknappheit in Österreich und Europa

14.08.2024 | Medizin

Der Mangel an geeigneten Spenderorganen führt weiterhin zu Todesfällen auf der Warteliste. Aussichtsreiche neue Technologien können die Anzahl verwertbarer Organe erweitern. Dieser Fortschritt basiert auf universitärer Forschung, die in Österreich und Europa mit zentralen Herausforderungen konfrontiert ist.
Alexander Kofler, Stefan Schneeberger et al.*

Zahlen, Fakten, Entscheidungen

Im Jahr 2022 starben in Österreich 73 Menschen, weil nicht rechtzeitig ein Organ für eine rettende Transplantation verfügbar war; in der Europäischen Union waren es im Schnitt jeden Tag mindestens zehn Menschen. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, da es keine einheitlich verpflichtende Vorgabe für die Berichterstattung der Mitgliedstaaten gibt. Gleichzeitig werden zahlreiche Organe nicht berücksichtigt, weil die verfügbaren Daten und Befunde der Spender und des Organs darauf hinweisen, dass die Qualität des Organs nicht ausreichend sein könnte. Allein in der Eurotransplant-Zone1 waren es im Jahr 2022 beispielsweise 3.445 angebotene Organe, die zunächst für die Transplantation akzeptiert, dann aber für nicht transplantabel befunden, oder gar nicht zur Transplantation angenommen wurden. Dabei ist gut belegt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Daten, die für diese Entscheidung herangezogen werden, nur eine beschränkte Vorhersagekraft für das Ergebnis nach der Transplantation hat.

Eine Organspende im Eurotransplant-Raum läuft üblicherweise wie folgt ab: Zustimmung durch die Spenderin oder den Spender, Überprüfung der Organqualität im Krankenhaus, Anmeldung bei Eurotransplant, Matching mit Empfängern auf der Warteliste, Organangebot an ein entsprechendes Transplantationszentrum, Organentnahme, Organtransport, Organtransplantation. Zusätzlich wird die Entscheidungsfindung über die Eignung eines Organs von weiteren Faktoren beeinflusst, wie etwa der Entnahmeregion, der regionalen Kultur, der Zentrumspolitik, der Tageszeit und vor allem der subjektiven Einschätzung der Entscheidungsträger (Chirurginnen und Chirurgen des Transplantationszentrums, das das Organangebot erhält). Beispielsweise steigt an Wochenenden und in der Nacht die Rate der abgelehnten Organe. Diese Umstände weisen darauf hin, dass menschliche Faktoren wie die aktuelle Belastungssituation die Entscheidung beeinflussen.

Wie kann es also sein, dass die Organakzeptanz von einer Entscheidungsfindung abhängt, die sehr vielen subjektiven Parametern unterliegt, nicht immer vollkommen nachvollziehbar ist und, dass regelhaft Organe abgelehnt werden, die potentiell transplantiert werden könnten?

Forschung, Weiterentwicklung und neue Erkenntnisse

Die Entwicklung neuer Technologien gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich die gegenwärtige Situation − einer dem Anschein nach suboptimalen Nutzung von Spenderorganen − in naher Zukunft ändern könnte. Zuletzt haben Xenotransplantationen von Herz, Leber und Niere einen positiven Ausblick gegeben. Es bleibt jedoch offen, ob damit ein längerfristiger Erfolg erzielt werden kann. Naheliegender als die Nutzung von tierischen Organen wäre die bessere Nutzung der vorhandenen menschlichen Organe. Neue Methoden zur Organkonservierung verringern nicht nur Schäden am Organ, die während der kalten Lagerung auf Eis entstehen, sondern erlauben auch eine längere Aufbewahrung und eine sehr viel genauere Bewertung und Evaluierung der Organqualität. Damit ist dieses Ziel in greifbare Nähe gerückt.

Die normotherme Maschinenperfusion ermöglicht die Konservierung von Organen unter körperähnlichen Bedingungen. Am Beispiel der Lebertransplantation kann jetzt schon sehr gut belegt werden, dass dadurch die Zahl der transplantierten Organe gesteigert werden konnte. Grund hierfür ist nicht etwa eine therapeutische Wirkung der Maschinenperfusion, sondern lediglich die Tatsache, dass das Organ in funktionierendem Zustand beobachtet werden kann. Dabei wird ein aktiver Zustand – wie im menschlichen Körper – simuliert: durchblutet, 37 Grad Körpertemperatur, mit Sauerstoff versorgt. Somit kann das Ergebnis nach einer Transplantation zunehmend besser vorhergesagt werden. Ähnliche maschinelle Techniken sind auch für die Konservierung von Lunge, Herz und Niere verfügbar beziehungsweise befinden sich diese in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung. Eine genaue Charakterisierung der Organqualität und -funktion kann zunehmend gut für den Entscheidungsprozess in der Organtransplantation herangezogen werden. Zusätzlich zur Evaluierung der Organfunktion, beinhalten die Zukunftsaussichten für die Maschinenperfusion auch die Behandlung von Organen außerhalb des Körpers.

Neben dieser Technologie könnten aber auch andere Methoden, wie beispielsweise das „Supercooling“ oder die Vitrifizierung2 von (Spender-)Organen bald zur klinischen Anwendung kommen. Die Realisierung dieser Techniken der Organkonservierung könnte die derzeit geltenden Rahmenbedingungen in der Transplantation komplett verändern und beispielsweise die Implementierung von „Organbanken“ oder den weltweiten Austausch von Organen ermöglichen.

Anhand der fortschreitenden Entwicklung und Verfügbarkeit dieser Technologien, können nun zahlreiche neue Datenpunkte gesammelt werden, die weit über die bisherigen Möglichkeiten hinausgehen. Dies eröffnet neue Wege, Organe in ihrer Qualität und Eignung für die Transplantation beurteilen zu können. Es ist jedoch entscheidend, die nun verfügbaren Informationen sorgfältig zu analysieren, um sie korrekt zu interpretieren und anzuwenden. Wir stehen vor der Herausforderung, die Bedeutung dieser Daten zu entschlüsseln, um einzuschätzen, wie sie effektiv und effizient in der Organtransplantation genutzt werden können. In den USA wurde 2022 genau mit dieser Überlegung „34 Lives“ gegründet (https://34lives.com/). Ziel der Organisation ist es, das Sterben auf der Warteliste zu verhindern. Die Organisation sieht in den neuen Technologien eine Möglichkeit, die Versorgungssituation zu verbessern. So soll bisher ungenutzten Nieren durch eine Organuntersuchung, eine „zweite Chance“ zu einer Transplantation gegeben werden.

Datenpunkt – Verständnis – Transplantation

Wie das Beispiel „34 Lives“ zeigt, gilt es nun, die neuen Erkenntnisse und Fortschritte in einen klinischen Nutzen zu überführen, ohne dabei unzumutbare Risiken für die Patienten einzugehen. Zur Grundlagenforschung und Weiterentwicklung sind dabei Untersuchungen an Zell- und Gewebekulturen hilfreich. Für eine translationale und vorklinische Forschung sind jedoch Großtiermodelle und die Forschung an humanen Organen wichtig. Die Forschung am Tiermodell hat jedoch auch einige konzeptionelle Limitationen durch speziesspezifische Unterschiede zum Menschen. Daher stellt die Forschung an menschlichen Organen, die zum Zweck der Transplantation entnommen worden waren, aber letztlich für eine Transplantation nicht genutzt werden können, nun eine zweite, wichtige Ebene für die vorklinische Testung von Innovationen dar.

Rechtliche Hürden in Österreich

Um die vorhin erwähnten Punkte bestmöglich umsetzen zu können, bedarf es einer präzisen rechtlichen Regelung, die das Eigentum3 beziehungsweise die Verfügungsberechtigung an Spenderorganen umfasst. Die aktuelle Gesetzgebung in Österreich − aber auch in der Europäischen Union – nimmt nicht ausreichend Bezug zur rechtlichen Stellung von humanen Spenderorganen und deren Verwendungsmöglichkeiten zu einem gegebenen Zeitpunkt. Diese Tatsache erschwert die genaue Zuordnung und Interpretation der Vorgehensweise. Es geht also um die rechtliche Frage, wer über die bereits gespendeten Organe, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Interesse verfügen darf − konkret also um die Frage des Eigentums beziehungsweise der Verfügungsberechtigung von humanen Spenderorganen.

In der EU ist die Richtlinie 2010/53/EU über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe von Relevanz. Unter Vorgabe dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten ihre eigenen innerstaatlichen Bestimmungen umgesetzt. Dies bedeutet, dass es kein einheitliches Regelwerk in der EU gibt. Österreich ist zuletzt der innerstaatlichen Umsetzung 2012 mit der Verabschiedung des Organtransplantationsgesetzes (OTPG) nachgekommen. Das OTPG regelt jedoch lediglich die Organentnahme zur Transplantation und nimmt nicht Bezug auf die Verfahren, die nach Ablehnung eines Organs, das ursprünglich mit der Absicht zur Transplantation akzeptiert und entnommen wurde, in Frage kommen. Die Lücken im OTPG lassen sich in Rückschluss auf bereits bestehende zivilrechtliche Normen womöglich zumindest teilweise schließen, wenn man davon ausgeht, dass eine sachenrechtliche Verortung von Organen in der österreichischen Rechtsordnung praktikabel ist.

In Österreich gilt der menschliche Körper nach dem Hirntod als Leichnam. Ob man bei einem Leichnam unter juristischen Gesichtspunkten von einer Sache (verbunden mit Rechten wie Eigentum, Verwahrung, Nutzung etc.) spricht, ist jedoch nicht gänzlich geklärt, da hier die Rechtsmeinungen divergieren. Unumstritten ist aber, dass der Verstorbene in einem vorgegebenen Rahmen (etwa die Planung der Beerdigung) zu Lebzeiten, selbst über seinen Leichnam verfügen kann beziehungsweise subsidiär nahe Angehörige. Diese Verfügungsberechtigung erlaubt es Verstorbenen auch, eine Körperspende an eine akademische Einrichtung/anatomisches Institut zu tätigen. Der Leichnam wird somit zur weiteren Verwendung überlassen. Denkbar wäre auch, dass dieser, im Zuge der Verwendung zu Lehr- und Forschungszwecken, in das Eigentum der Einrichtung übergehen könnte.

Von einem Leichnam abgetrennte Körperteile, unabhängig ihrer Größe oder Bedeutsamkeit, werden wiederum als Leichtenteile bezeichnet. Darunter fallen auch Organe. Bei Leichenteilen ist anzunehmen, dass es sich um Sachen handelt, bei denen zum Beispiel das Eigentum im Rahmen einer Organtransplantation − und damit durch die Verbindung mit dem Körper des Empfängers − an diesen übergeht. Dies dürfte auch bedeuten, dass eine grundsätzliche Eigentumsübertragung und somit ein Eigentümerwechsel möglich ist. Kommt es hingegen bei einem lebenden Menschen zur Trennung von Organen vom Körper (zum Beispiel Lebendspende), werden diese durch Abspaltung zu unabhängigen Sachen (iS § 285 ABGB) und stehen im Eigentum der Person, von der sie stammen. Auch hier dürfte das Eigentum im Rahmen einer Organtransplantation spätestens mit der Transplantation an den Empfänger übergehen.

Was sich im Rahmen dieser stark vereinfachten Darstellung der rechtlichen Situation in Österreich herauskristallisiert, ist die Tatsache, dass das Eigentum an einem Spenderorgan an und für sich übertragen werden kann, unter der Maßgabe, dass Organe nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein dürfen, welche auf Gewinn ausgerichtet sind (gem. § 4 OTPG).

Im Zuge einer Transplantation wechselt die faktische Innehabung/der faktische Besitz eines Organs vom Zeitpunkt der Entnahme bis hin zur Transplantation aber nicht nur zwischen Spender und Empfänger, sondern einer Vielzahl von Personen/Institutionen. Im Kontext der Verwendung bis hin zur Eigentumsübertragung stellen sich folgende Fragen: In welcher Rolle tritt das Organentnahmeteam beziehungsweise der Arbeitgeber/die Krankenanstalt/das Transplantationszentrum auf? Spricht man hier von Eigentümern oder bloßen Verwahrern? Liegen bestimmte Nutzungsrechte vor? Die gleichen Fragen stellen sich nach erfolgter Organübergabe an das Transplantationsteam. Oder ist das Organ ab dem Zeitpunkt der Zuteilung bereits Eigentum des Empfängers? Bisher lassen sich diese Fragen durch die österreichische Rechtsordnung oder die Rechtsprechung wenig bis gar nicht beantworten.

Forschung an Spenderorganen in den USA

In den USA gibt es ein breites Regelwerk, das die postmortale Organspende und auch die Eigentumsverhältnisse an Spender-organen im Detail regelt. Der sogenannte Uniform Anatomical Gift Act (UAGA) – ähnlich zur bereits erwähnten EU-Richtlinie – ist ein überbundesstaatliches Modellgesetz, umfasst Organspenden in einem schenkungsrechtlichen Rahmen und gestattet es jedem Erwachsenen, eine Organspende in Form einer anatomischen Schenkung zu tätigen. Gemäß UAGA ist die Organspende beziehungsweise die Schenkung eines Organs als Eigentumsübertragung zu sehen. Diese Übertragung erfolgt durch Autorisierung des Verstorbenen vor dem Tod, durch Testament, durch nächste Angehörige oder Stellvertreter nach dem Tod oder, falls diese nicht vorhanden sind, durch den Staat. Eine solche Schenkung kann dabei den gesamten Körper oder Teile des Körpers betreffen und der Spender bestimmt, ob die Spende für Bildung, Lehre, Forschung oder eine Transplantation verwendet werden soll. Die Verwendung der gespendeten Organe kann alle diese gesetzlich zulässigen Zwecke betreffen, oder sie kann spezifisch sein (zum Beispiel nur für die Transplantation). Ob eine Verwendung eines Organs zu Forschungszwecken zulässig ist, hängt also davon ab, wie die Schenkung erfolgt ist.

Werden mehrere Verwendungen im Rahmen der Schenkung durch den Spender ermöglicht (Forschung und Transplantation), und sind diese nicht unterschiedlich priorisiert, so hat eine Transplantation (falls durchführbar) Vorrang. Dies steht auch im Einklang mit ethischen Prinzipien, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Spendesystem aufrechterhalten und eine angemessene Transparenz hinsichtlich der Verwendung der gespendeten Organe gewährleisten sollen.

Die ausschließliche Verwendung der Organe für die genehmigten Zwecke wird von sogenannten Organbeschaffungsorganisationen (Organ Procurement Organisation, OPO) überwacht. Es handelt sich dabei um gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Organisationen, welche die gesetzmäßige Entnahme von Organen beaufsichtigen. Es gibt insgesamt 56 OPO, von denen jede nach Bundesgesetz dazu verpflichtet ist, diese Aufgabe in ihrem zugewiesenen geografischen Bereich durchzuführen. Bei jeder erfolgreichen Zuordnung überwachen die OPO den Autorisierungsprozess, führen Tests durch, koordinieren die Entnahme der Spenderorgane und arrangieren deren Transport an das Transplantationszentrum. Die Entscheidung, ob Organangebote für Patienten geeignet sind, obliegt dem jeweiligen Transplantationszentrum.

Ein Analog zu den OPO in den USA gibt es in Europa oder Österreich nicht. Manche der Aufgaben werden von der Stiftung Eurotransplant übernommen. Bei der Stiftung Eurotransplant handelt es sich um eine Service-Organisation, die den zwischenstaatlichen Austausch von Spenderorganen in acht europäischen Ländern koordiniert. Diese arbeitet eng mit Transplantationszentren, Laboren und Krankenhäusern zusammen. Eurotransplant gibt zur Handhabung abgelehnter Organe jedoch keine einheitliche Regelung vor. Die Unterschiede zwischen den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen und die Tatsache, dass Organe innerhalb von Organisationen und Stiftungen wie Eurotransplant, länderübergreifend zugeteilt werden, verkompliziert die Situation. Somit ist im zwischenstaatlichen Kontext auch nicht ohne weiteres klar, welche nationale Gesetzgebung in der jeweiligen Situation zur Anwendung kommt. In diesem Punkt besteht also ein wesentlicher Unterschied zwischen Europa und den USA und der Bedarf einer besseren und vereinheitlichten Regulierung, insbesondere was die Verwendung von abgelehnten Organen zu Forschungszwecken angeht, ist eminent.

Situation in Österreich: Limitationen und Möglichkeiten

Die gelebte Praxis ist, dass die zukünftigen Organempfänger, ab dem Zeitpunkt der Zuordnung eines Organs an sie, über die weitere Verfahrensweise entscheiden. Beispielsweise haben in zahlreichen Studien, bei denen neue Flüssigkeiten zur Organlagerung getestet worden sind, die jeweiligen Organempfänger die Zustimmung zur Forschung an Organen gegeben. Aus medizinischer (und auch sonstiger) Sicht „gehört“ also, in solch einer Situation, ein Organ ab dem Zeitpunkt der Allokation einem Empfänger. Schließlich werden ab diesem Zeitpunkt auch invasive Maßnahmen an Empfängern getätigt, beispielsweise um sie für die Transplantation vorzubereiten. Auch im Rahmen von klinischen Studien beginnen mit dem Zeitpunkt der Allokation die Interventionen an Organen. Für die im Zuge dieser Studien getätigten Manipulationen/Interventionen werden die jeweiligen geplanten Empfänger dieser Organe aufgeklärt. Diese Vorgehensweise erscheint sinnvoll, da Untersuchungen nach Organentnahme wie zum Beispiel bei einem Tumorverdacht oder dem Verdacht auf eine chronische Organschädigung, ebenfalls in Hinblick auf das Risiko für den Empfänger und ohne explizite Aufklärung der Spenderfamilie durchgeführt werden. Es scheint auch nicht zumutbar, die Angehörigen der Organspender nach Organentnahme mit den Details einer nunmehr notwendig gewordenen Untersuchung zu konfrontieren, um eine entsprechende Einwilligung einzuholen.

Eine klare Regelung des Eigentums und der Eigentumsübertragungsmöglichkeiten an einem Organ ist entscheidend, weil die Testung und gegebenenfalls Behandlung von abgelehnten menschlichen Organen notwendig ist, um die heute noch hohe Rate an Organablehnungen zu reduzieren.

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Die Zukunft der universitären Forschung

Die Summe dieser Faktoren birgt folgendes Dilemma: entweder billigen wir eine Stagnation und damit ein Fortsetzen des Sterbens auf der Warteliste, oder wir nehmen weiterhin die unklare Gesetzeslage hinsichtlich der Verwendung eines Organs nach der Organentnahme in Kauf, um die Innovationen zur Konservierung und Behandlung von Organen testen und dann anwenden zu können.

Nachdem die erste Verantwortung der Medizinerinnen und Mediziner sowie Forscherinnen und Forscher den Patienten gilt, tendiert man als solche zur Partizipation an der Forschung an abgelehnten Organen. Die medizinische Fachgesellschaft in Österreich4 kann lediglich medizinische Aspekte beurteilen und gegebenenfalls Empfehlungen abgeben. Letztlich wird aber der Gesetzgeber beziehungsweise das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und/oder der dazu eingesetzte Beirat der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) für die Klärung der Rechtslage beziehungsweise die Interpretation und Festsetzung der Vorgangsweise verantwortlich sein. Die bisherige Auslegung durch die jeweiligen Transplantationszentren und deren Ethikkommissionen ist eine wichtige Referenz. Bislang werden im Rahmen von klinischen Studien zur Entwicklung und Testung von Perfusionsflüssigkeiten, die jeweiligen Empfänger über die Studienteilnahme aufgeklärt und deren Einverständnis dazu eingeholt. Davon kann man die Interpretation der Transplantationszentren ableiten, den Empfänger als Ansprechperson bis hin zum neuen Eigentümer zu sehen, sobald die Organallokation getroffen worden ist. Eine Anfrage zur Klärung wurde bereits bei zuständiger Stelle eingereicht und es ist zu hoffen, dass damit ein Prozess in Gang kommt, der am Ende mehr Rechtssicherheit für den Fortschritt in der Transplantation in Österreich gewährleistet. Eine endgültige Klärung wäre durch eine Anpassung des OTPG oder eine separate Regelung denkbar. Bis dahin bleibt die Entscheidung den forschenden Einrichtungen überlassen. Folgende Rahmenbedingungen scheinen derweil zielführend und notwendig, um eine möglichst große Sicherheit und Transparenz gewährleisten zu können:

  1. Lückenlose Dokumentation über die Gründe für die Organablehnung. Nach der Ablehnung am Zentrum muss die Meldung an Eurotransplant erfolgen. Die Ablehnung aller Zentren in Eurotransplant ist die Voraussetzung für eine mögliche Nutzung von Spenderorganen für Forschungszwecke.
  2. Verwendung der ausgeschiedenen Organe ausschließlich innerhalb von Studien an öffentlichen Forschungseinrichtungen. Kein Organ oder auch Organteile sollen diese Einrichtungen verlassen.
  3. Die Durchführung von Untersuchungen und Interventionen soll ausschließlich innerhalb von Ethikkommissions-genehmigten Studien und nach Aufklärung der zuvor ausgewählten Empfänger erfolgen.
  4. Die Ergebnisse der Forschung sollten ausnahmslos publiziert werden. So kann verhindert werden, dass negative Ergebnisse wiederholt und sichergestellt werden, dass Fortschritte auch anderen Einrichtungen zur Kenntnis gebracht werden.
  5. Es sollte ein jährlicher Bericht an das zuständige Ministerium erfolgen, welcher sämtliche Informationen und Ergebnisse zu jedem Organ zusammenfasst, das nicht transplantiert, sondern für Forschungszwecke verwendet wurde.

Am Ende ist die umsichtige Herangehensweise, eine hohe Transparenz, die lückenlose Dokumentation, die Einbindung der lokalen Rechtsabteilung und der Ethikkommission zur Genehmigung der jeweiligen Studien und jede weitere Maßnahme zur Steigerung der Sicherheit und Nachvollziehbarkeit die richtige Vorgehensweise.

Literatur bei den Verfassern

*) Mag. Dr. Alexander Kofler, LL.M.; Univ. Prof. Dr. Stefan Schneeberger, Exec. MBA, FEBS; Univ. Prof. Dr. Gerald Brandacher, FAST; Assoz. Prof. Priv. Doz. Dr. Rupert Oberhuber, PhD, FEBS; Ass. Prof. Priv. Doz. Dr. Annemarie Weißenbacher, DPhil, FEBS; Priv. Doz. Dr. Benno Cardini, FEBS; alle: Medizinische Universität Innsbruck, Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie; Anichstraße 35, 6020 Innsbruck; Priv. Doz. Dr. Stephan Eschertzhuber, D.E.S.A.; Landeskrankenhaus Hall, Anästhesie und Intensivmedizin; Univ. Prof. Dr. Christine Bandtlow; Vizerektorin für Forschung und Internationales, Medizinische Universität Innsbruck

Korrespondenzadresse: stefan.schneeberger@i-med.ac.at 

1 Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn, und Slowenien.
2 Kühlen von Organen bis unter den Gefrierpunkt ohne die Bildung schädlicher Eiskristalle
3 Der Begriff „Eigentum“ ist im Text in strikt juristischer Form zu verstehen, da nur das Eigentum an einer Sache, die höchstmögliche Verfügbarkeit darüber gewährleistet.
4 Österreichische Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2024