Schwerpunkt Männergesundheit – Hämaturie beim Mann: Diagnose in Stufen

25.06.2024 | Medizin

Die Abklärung einer Hämaturie ist in vielen Fällen ein mehrstufiger Prozess, der komplexen Abklärungsalgorithmen folgt. Bei Männern sind die Ursachen noch etwas mannigfaltiger als bei Frauen. Da nicht nur eine Erythrozyturie einen positiven Harnteststreifenbefund verursachen kann, ist die diagnostische Herausforderung beträchtlich.

Martin Schiller

Eine Hämaturie kann aus unterschiedlichen Lokalisationen des Urogenitaltraktes stammen und beim Mann Symptom von Erkrankungen im Stoffwechsel der Nieren, im Harnleiter, in der Harnblase und der Prostata sein oder als Folge von Tumoren und Stoffwechselerkrankungen auftreten. „Die Problematik in der Abklärung liegt in der Verschiedenheit der Ursachen – ganz im Unterschied etwa zur Proteinurie, die ein klares internistisch-nephrologisches Symptom darstellt“, sagt Univ. Prof. Gert Mayer von der Universitätsklinik für Innere Medizin IV an der Medizinischen Universität Innsbruck. Er nennt den Abklärungsalgorithmus „komplex“. Univ. Prof. Shahrokh F. Shariat von der Universitätsklinik für Urologie am AKH Wien pflichtet bei: „Blut im Harn ist oftmals ein komplex abzuklärendes Symptom – bei Männern mit vielfältigeren möglichen Ursachen als bei Frauen. Es kann sich um ein Frühwarnzeichen handeln, daher sollte jede Hämaturie abgeklärt werden.“

Die Ausscheidung von Erythrozyten über den Harn wird in zwei Formen eingeteilt: in die sichtbare Form der Makrohamäturie und in die nur mikroskopisch erkennbare Mikrohämaturie. Sowohl bei sichtbarer Rotfärbung des Harns als auch bei positivem Urinteststreifenergebnis stellt sich laut Mayer zunächst die Frage, ob es sich wirklich um Blut als Ursache handelt, denn der Harn könne sich auch durch Einnahme bestimmter Arzneimittel, bei Myoglobin- oder Hämoglobinurie oder nach dem Konsum von Lebensmitteln wie roten Rüben verfärben. „Bei Verdacht auf Makrohämaturie sollte der Harn zentrifugiert werden. Ist nur das Sediment rot, handelt es sich um einen Erythrozytennachweis. Ist der Überstand, aber nicht das Sediment rot, liegt eine andere Ursache, aber keine Hämaturie vor“, erklärt Mayer. Daher erfordert ein Nachweis von Blut durch Teststreifen eine Bestätigung, in diesem Fall durch einen mikroskopischen Urintest. „Die Streifen sind zwar zu 95 Prozent sensibel auf Blut im Harn, in 20 bis 25 Prozent der positiven Testresultate liegt jedoch keine Mikrohämaturie vor“, sagt Shariat dazu. Es könnten auch sexuelle Aktivitäten, kürzlich durchgeführte Prostatauntersuchungen oder Viruserkrankungen für ein positives Ergebnis verantwortlich sein. Zur weiteren Abklärung auf eine Mikrohämaturie wird eine Harnsedimentuntersuchung durchgeführt, wofür zunächst zehn Milliliter des Mittelstrahlurins gewonnen werden müssen. Sieht man unter dem Mikroskop drei oder mehr Erythrozyten pro Gesichtsfeld (≥ 3 RBC/hpf) ist die Mikrohämaturie bestätigt. Im Fall von 0 bis 2 RBC/hpf sind keine weiteren Untersuchungen notwendig. Bei bestätigter Mikrohämaturie sollten in der Folge Nierenfunktionstests (Urin-Albumin-Kreatinin Ratio AKR, Kreatinin/eGFR) und eine Messung des Blutdrucks erfolgen. Auch bildgebende Verfahren sind laut Shariat nun empfohlen, wobei die erste bildgebende Untersuchung zur Abklärung der signifikanten mikroskopischen Hämaturie meist ein Nieren-/Blasenultraschall ist. Auch die Durchführung einer Zystoskopie kann erwogen werden. „Die Blasenspiegelung wird bei Patienten mit Mikrohämaturie im Alter von über 40 Jahren oder in jedem Alter bei Patienten mit Risikofaktoren für urologische Malignität oder Anomalien in der Bildgebung empfohlen“, nennt Shariat die Kriterien. Im Falle eines Nierensteins sei eine Blasenspiegelung nicht erforderlich.

Steinleiden sind insgesamt eine sehr häufige Ursache für Mikrohämaturie. „Die Abfrage des bisherigen Auftretens von Steinen in Niere und Harntrakt ist gemeinsam mit der Nachfrage zu Flankenschmerzen daher ein wichtiger Bestandteil der Anamnese“, betont Mayer. Ist die Evaluierung von Nephrolithiasis oder Urolithiasis negativ, müsse als nächstes ein Harnwegsinfekt ausgeschlossen werden. „Eine Leukozyturie und ein positiver Nachweis von Nitrit im Harn weisen – neben der Klinik – stark auf eine solche Infektion hin.“

Eine Hämaturie kann auch aus einer Blutung der Prostata im Rahmen einer Prostatitis, einer gutartig vergrößerten Prostata oder eines Prostatakarzinoms resultieren. „Nach Ausschluss eines Harnwegsinfekts sollte daher urologisch eine Beteiligung der Harnorgane sowie der Prostata abgeklärt werden“, sagt Shariat. Das Risiko dafür erhöhe sich mit steigendem Alter; bei jüngeren Menschen – speziell unter 40 Jahren – sei die Wahrscheinlichkeit dafür aber noch gering.

Auf der Suche nach renalen Ursachen

Bei Makrohämaturie ist das Auftreten von Koageln ein wichtiges diagnostisches Kriterium, wie Mayer ausführt: „Nierentumore können bei Blutungen Koagel erzeugen. Glomerulonephritiden führen zwar ebenfalls zu Blutungen, diese gehen aber nicht mit Koagelbildung einher.“ Im Fall des Auftretens von Koageln sei eine vertiefte urologische Abklärung und die Durchführung eines CT notwendig. Treten Koagel nicht auf, wird laut Mayer nach einer entzündlichen oder genetischen Nierenerkrankung als Ursache für die Hämaturie gesucht. Hier könne die Form der Erythrozyten im Sediment nähere Aufschlüsse erlauben: „Enthält das Sediment Erythrozytenzylinder, deutet dies auf eine Nephritis hin. Diese Zylinder sind eine Matrix aus Tamm-Horsfall-Protein und ein ‚Ausgusspräparat‘ aus dem Tubulussystem.“ Möglich sei auch, dass im Sediment dysmorphe Erythrozyten gefunden werden, vor allem Akanthozyten. Treten diese zu einem hohen Prozentsatz auf, stamme die Blutung höchstwahrscheinlich aus der Niere. Shariat weist darauf hin, dass eine glomeruläre Nephritis auch als Folge eines autoimmunologischen Geschehens auftreten kann. „Besonders bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist das der Fall“, sagt der Experte.

Laut Mayer muss bei 20 bis 30 Prozent der Patienten mit Mikrohämaturie mit zunächst unklarer Ursache zuerst bestätigt werden, dass es sich um eine persistierende Form handelt. „Die Frage nach möglichen externen Ursachen sollte immer gestellt werden, zum Beispiel jene nach schwerer körperlicher Arbeit. Untersuchungen müssen dann alle sechs bis zwölf Monate wiederholt werden, damit auch bei Fehlen von Risikofaktoren ein möglicher Tumor nicht übersehen wird.“ Shariat gibt an, dass ein Tumor bei unter fünf Prozent der Patienten die Ursache einer Mikrohämaturie ist. Deutlich höher liege dieser Wert mit zehn bis 15 Prozent beim Auftreten einer Makrohämaturie. Risikofaktoren für das Auftreten von Tumoren im Harntrakt seien höheres Alter, Rauchen (auch Passivrauchen), berufliche Noxen sowie frühere Bestrahlungs- und Chemotherapien. „Bei jüngeren Menschen unter 40 ist eine tumorbedingte Hämaturie selten. Zu berücksichtigen ist aber, dass ein Blasenkarzinom bei Männern dreimal häufiger auftritt als bei Frauen“, sagt Shariat. Insgesamt werde bei 33 Prozent der männlichen Hämaturie-Patienten mit mindestens 50 Jahren eine urologische Erkrankung festgestellt, die einen Eingriff erfordere – ein Viertel davon seien maligne Erkrankungen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2024

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