Schwerpunkt Männergesundheit – Androgenetische Alopezie beim Mann: Häufig & belastend

25.06.2024 | Medizin

Die Häufigkeit der androgenetischen Alopezie liegt bei Männern in Europa bei rund 80 Prozent. Trotz des häufigen Auftretens ist die androgenetische Alopezie nach wie vor ein emotional belastendes Thema für Betroffene.

Sophie Hanak

Etwa 95 Prozent aller Fälle von Haarausfall sind durch androgenetische Alopezie verursacht. „Bei europäischen Männern liegt die Häufigkeit bei etwa 80 Prozent“, sagt Priv. Doz. Christian Posch, Leiter der Dermatologischen Abteilungen der Klinik Hietzing und Landstraße in Wien. Normalerweise beginnt diese Veränderung zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr; der Grad des Haarausfalls nimmt mit steigendem Alter in der Regel zu.

Trotz ihres häufigen Auftretens bleibt die androgenetische Alopezie oft ein emotional belastendes Thema, welches das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen kann. „Wir können diese Form der Alopezie als einen ganz normalen Alterungsprozess sehen. Bei manchen Menschen tritt dieser früher ein und bei anderen später“, meint Prof. Priv. Doz. Johannes Maximilian Griss, Leiter der Immundermatologischen Ambulanz an der Medizinischen Universität Wien. „Natürlich besteht hier ein Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei Männern ist eine Glatze in unseren Breiten sozial akzeptiert. Bei Frauen sieht das allerdings anders aus; hier können vermehrt depressive Verstimmungen hinzukommen“, erklärt Griss.

Die Symptome der androgenetischen Alopezie variieren zwischen Männern und Frauen. Bei Männern zeigen sich häufig zurückweichende Haarlinien im Bereich der Stirnhöcker; es kommt zu den bekannten Geheimratsecken, kahlen Stellen am Oberkopf, die sich im Laufe der Zeit zu einer Glatze verbinden. Bei Frauen hingegen bleibt der Haaransatz erhalten und es ist eher eine allgemeine Ausdünnung des Haares im Scheitelbereich zu beobachten.

Die androgenetische Alopezie hat ihren Ursprung in einer erhöhten Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Dihydrotestosteron (DHT). Dadurch verkleinern sich die Haarfollikel und die Wachstumsphase der Haare wird verkürzt, bevor sie in die Übergangs- und Ruhephase übergehen. Dies gilt gleichermaßen für Mann und Frau. „Mittlerweile weiß man, dass die Ursache einerseits hormonell bedingt ist. So sind etwa Frauen mit einem polyzystischen Ovarialsyndrom häufiger betroffen. Weiters spielt eine genetische Komponente eine Rolle, die noch nicht gänzlich geklärt ist“, führt Griss weiter aus.

Die Diagnose der androgenetischen Alopezie erfolgt in der Regel durch eine gründliche Anamnese und eine Untersuchung der Kopfhaut. Mit Hilfe einer Trichoskopie kann der Zustand der Haarfollikel beurteilt werden. In manchen Fällen können auch Bluttests notwendig sein, um andere Ursachen für den Haarausfall auszuschließen. „Ein Trichogramm kann hilfreich für die Diagnostik sein, weil dadurch andere Ursachen für den Haarausfall ausgeschlossen werden können. Bei der Untersuchung der Haarschäfte kann dann unterschieden werden, ob es sich um eine androgenetische Alopezie oder etwa um eine Alopezia areata handelt“, so Posch. Eine Prognose sei „sehr schwierig“.

Obwohl die androgenetische Alopezie nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die den Fortschritt des Haarausfalls verlangsamen oder neues Haarwachstum fördern können. „Die Standardtherapie ist derzeit Minoxidil, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Hierzu gibt es gute Daten und große Studien“, erklärt Griss. In neun von zehn Fällen könnte damit der Ausfall gestoppt werden; in der Hälfte der Fälle würden Haare auch nachwachsen. Zusätzlich kann die Wirkung durch Ketoconazol verstärkt werden.

Bei der topischen Anwendung von Minoxidil kann es zu lokalen Reaktionen der Haut wie etwa Ekzemen kommen. Darüber hinaus muss das Präparat täglich aufgetragen werden. „Seit kurzem häufen sich Berichte, dass Minoxidil auch systemisch angewendet werden kann. Meist wird die Dosis langsam über die Zeit gesteigert um mögliche Nebenwirkungen gut im Blick zu behalten, denn es besteht die Gefahr, dass auch kardiale Veränderungen wie ein Absinken des Blutdrucks und EKG-Veränderungen vorkommen können. Bei Frauen kann es auch zu Hirsutismus führen“, so Posch.

Finasterid nur bei Männern

Ein weiteres oral angewendetes Medikament ist Finasterid. Es ist ein selektiver Inhibitor der Steroid-5α-Reduktase vom Typ II und verhindert die Umwandlung von Testosteron in Dehydrotestosteron, was zu weniger Miniaturisierung der Haarfollikel führt. „Finasterid wird ausschließlich bei Männern angewendet, bei Frauen hat es keine Wirkung. Der Grund dafür ist noch nicht bekannt“, erklärt Griss. Bei Männern könne Finasterid jedoch als Nebenwirkung zu einer sexuellen Dysfunktion führen, wie der Experte weiter ausführt.

Eine nicht-medikamentöse Möglichkeit der Behandlung ist die Haartransplantation, bei der die Haarfollikel von dicht bewachsenen Stellen des Kopfes, meist von der Seite, an die kahlen oder ausgedünnten Bereiche verpflanzt werden. Männer behalten die Haare im Randbereich meist immer, was wahrscheinlich dadurch begründet ist, dass die Haarfollikel auf der Kopfhaut eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Hormonen haben. Dieser Faktor könne bei der Haartransplantation genutzt werden. Bei Frauen sei dies schwieriger, da die hormonelle Empfindlichkeit der Haare deutlich gleichmäßiger ist. Die Methode des Platelet-Rich Plasma (PRP) wiederum nutzt die körpereigenen Wachstumsfaktoren, um die Regeneration der Haarfollikel zu fördern. PRP wird in die Kopfhaut injiziert, um die Blutzirkulation zu verbessern und das Haarwachstum zu stimulieren. Weiters können Softlaser zur Anwendung kommen. „Mit der Softlasertherapie konnten positive Ergebnisse erzielt werden. Dabei wird die Durchblutung der Kopfhaut verbessert und das Haarwachstum angeregt,“ bestätigt Griss.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2024

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