Schwerpunkt Kardiologie – Antihypertensive Therapie: Zielwerte in drei Stufen

10.05.2024 | Medizin

Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung der Hypertonie folgen einem drei stufigen Schema von Kombinationstherapien. Für den nachhaltigen Therapieerfolg sind meist zwei bis vier Antihypertensiva notwendig. Eine resistente Hypertonie resultiert in vielen Fällen aus fehlender Adhärenz.

Martin Schiller

Leitlinien sehen nach Diagnose einer Hypertonie eine Kombinationstherapie vor, außer der Blutdruck ist behandlungsbedürftig, aber systolisch unter 150 mmHg und es besteht nur ein niedriges kardiovaskuläres Risiko. „In diesem Fall wird eine Monotherapie durchgeführt“, erklärt Univ. Prof. Sabine Horn, Vorständin der Abteilung für Innere Medizin am Landeskrankenhaus Villach. Auch ab einem Alter von 80 Jahren und bei ausgeprägter Gebrechlichkeit erfolge zunächst eine Monotherapie. „Aus Studien zur Hypertonie ist allerdings hervorgegangen, dass meist zwei bis vier Antihypertensiva notwendig sind, um eine effektive Senkung des Blutdrucks zu erzielen“, betont Horn.

Die Kombinationstherapie der Hypertonie ist dreistufig*: Initial erfolgt eine Kombination aus einem RAS-Hemmer (ACE-Hemmer oder bevorzugt AT1-Rezeptorantagonist) mit einem Calciumantagonisten (meist ein Dihydropyridin) oder einem Thiaziddiuretikum. „Bei über 80-jährigen Menschen muss die Neueinleitung einer blutdrucksenkenden Therapie allerdings vorsichtig erfolgen, da sie vor allem bei Frailty das Sturzrisiko erhöht“, stellt Horn fest. Grundsätzlich sei nach vorliegenden Studien kein Präparat besonders bedenklich; Diuretika könnten jedoch bei reduzierter Flüssigkeitsaufnahme oder Flüssigkeitsverlusten das Sturzrisiko steigern.

Die Therapie in Stufe zwei wird mit einer Dreifachkombination aus RAS-Blocker oder AT1-Rezeptorantagonist mit Calciumantagonist und Thiaziddiuretikum durchgeführt – aus Adhärenzgründen idealerweise als Einmalgabe in einer Tablette. „Die Dosierung des Diuretikums beträgt maximal 25 mg. Es werden aber selten mehr als 12,5 mg eingesetzt, denn mit jeder Dosissteigerung steigt die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen, vor allem von Elektrolytentgleisungen“, berichtet Univ. Doz. René R. Wenzel, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin am A.ö. Tauernklinikum, Standort Mittersill und Zell am See.

In Stufe drei wird die Dreifachkombination aus Stufe zwei zusätzlich mit einem Monopräparat kombiniert. Wenzel dazu: „Bei der zweiten Tablette handelt es sich um einen Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton und Eplerenon. Im Fall schlechter Verträglichkeit wird ein Alpha-Blocker oder ein Beta-Blocker verwendet.“ Die Gabe von Spironolacton ist bei schwerer Nieren funktionsstörung und Hyperkaliämie kontraindiziert.

Spezielle Indikationen für Beta-Blocker

Abgesehen vom Einsatz von Beta-Blockern am Ende der Stufentherapie besteht auf jeder Stufe die spezielle Indikation dieser Substanzgruppe bei:

  • Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion
  • Koronarer Herzkrankheit (um den Sauerstoffverbrauch zu reduzieren)
  • Angina pectoris
  • Vorhofflimmern
  • Schwangerschaft

Kontraindiziert ist die Gabe von Beta-Blockern bei Bradykardie, Asthma und höhergradigem sinoatrialen oder atrioventrikulären Block.

In der Schwangerschaft und Stillzeit zählen Beta-Blocker zur Erstlinienmedikation bei Hypertonie. „Metaporolol weist diesbezüglich sehr gute Daten zur Wirksamkeit auf“, sagt Horn. „In internationalen Leitlinien wird vor allem Labetolol empfohlen. Etabliert hat sich eine Kombination mit alpha-Methyldopa, das ebenfalls zur First-Line-Therapie in der Schwangerschaft zählt“, berichtet Wenzel. Auch ein Einsatz von Calciumantagonisten sei möglich. ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorantagonisten sind aufgrund des Risikos für Missbildungen des Kindes kontraindiziert. Vom Einsatz von Diuretika wird abgeraten.


Nebenwirkungen im Überblick

Mundtrockenheit ist eine häufige Nebenwirkung bei der Einnahme von Beta­Blockern. Bei Diabetespatienten muss eine mögliche Verschlechterung der Stoffwechsellage bedacht werden. „Bei jungen Patienten ist außerdem die Hemmung der körperlichen Leistungsspitzen ein Thema, das ich bei Verschreibung anspreche“, sagt Univ. Doz. René Wenzel.

Auch die Entwicklung einer erektilen Dysfunktion sei möglich. Der Experte weist allerdings darauf hin, dass in Studien bereits die Diagnose Hypertonie per se zu erektiler Dysfunktion geführt hat. „Die Kenntnis des Patienten zu möglichen Auswirkungen des Bluthochdrucks spielt dabei also eine wichtige Rolle.“ Auch Spironolacton kommt als Auslöser einer erektilen Dysfunktion in Frage. Zudem ist die medikamentös erzielte Normalisierung des Blutdrucks bei Langzeit­Hypertoniepatienten ein Faktor. „Wenn jemand jahrelang zu hohe Werte hatte und dann rasch gut eingestellt wird, kann es anfangs zu einer erektilen Dysfunktion kommen“, so Wenzel. Mit fortlaufender medikamentöser Therapie sei aber eine Adaption möglich und die Beschwerden könnten sich bessern. Univ. Prof. Sabine Horn ergänzt, dass auch ein möglicher Volumenmangel zu beachten ist: „Manche Patienten werden während der Therapie durch Diarrhoe oder starkes Erbrechen hypovoläm. In diesem Fall muss die Einnahme von Diuretika, RAS­Hemmer und Spironolacton pausiert werden.“

Weitere mögliche Nebenwirkungen sind u.a.:

  • ACE­Hemmer: Angioödeme und trockener Reizhusten
  • Calciumantagonisten vom Dihydropyridin­Typ: ausgeprägte Beinödeme, vor allem bei warmen Temperaturen
  • Thiaziddiuretika: Hypokaliämie und Insulinresistenz. Außerdem sollte eine Empfehlung für ein regelmäßiges dermatologisches Screening ausgesprochen werden.

Fehlende Adhärenz

 Zwischen drei und 30 Prozent der Patienten haben laut Horn eine resistente Hypertonie. Die European Society of Cardiology (ESC) und die American Heart Association (AHA) definieren diese, wenn der Blutdruck trotz Einnahme von mindestens drei Anti-hypertensiva nicht im empfohlenen Bereich liegt oder eine gute Einstellung nur mit vier oder mehr ausdosierten Antihypertensiva möglich ist, wobei eines davon ein Diuretikum ist. „Häufigste Ursache für die resistente Hypertonie ist fehlende Adhärenz“, betont Horn. Die Gründe dafür seien vielfältig: Diuretika würden beispielsweise von Männern aus Sorge vor erektiler Dysfunktion ungern eingenommen. „Teilweise erfolgt nach Besserung der Werte ein eigenmächtiges Absetzen der Medikation“, ergänzt Wenzel. Zudem stehen Nebenwirkungen für viele Patienten im Vordergrund, da die Hypertonie selbst zunächst keine Beschwerden verursacht. Studien zeigen außerdem, dass die Adhärenz bei Einnahme von zwei oder drei verschiedenen Arznei mitteln insgesamt sinkt. „Kombinationspräparate die zwei oder drei Wirkstoffe vereinen, halten die Tablettenbelastung gering und fördern damit die Adhärenz“, sagt Horn. Eine resistente Hypertonie könne aber durch den „Weißkittel-Hypertonus“ auch vorgetäuscht werden, merkt die Expertin an. Eine Diagnostik der resistenten Form sei daher nur mit einer 24-Stunden-Blutdruckmessung möglich.

Eine Steigerung der Therapieadhärenz ist beiden Experten zufolge durch Selbstmessung und Führen eines Blutdruck-Tagebuchs möglich. Wenzel rät dazu, in der Ordination zwei bis dreimal in einminütigen Abständen über ein automatisiertes Gerät zu messen. „Idealerweise sitzen Patienten alleine im Raum. Ein Mittelwert aus den Messungen entspricht dann am besten der Selbstmessung zu Hause und korreliert gut mit einer 24-Stunden-Messung.“

Wenzel streicht außerdem den Stellenwert von langsam anflutenden und lange wirksamen Antihypertensiva für eine erfolgreiche Therapie heraus: „Kurz wirksame Calciumantagonisten oder der kurz wirksame AT1-Rezeptorantagonist Losartan sind nicht mehr empfohlen.“ Bei einer Wirkung von 24 bis 48 Stunden, könne auch stets kurz vor der nächsten Tabletteneinnahme von einer guten Blutdruckeinstellung ausgegangen werden.

Non- und Reverse-Dipper: „Risikopatienten“

Kommt es im Rahmen der Langzeitblutdruckmessung zu keinem physiologischen Abfall der Werte während der Nacht (Non-Dipping) oder sogar zu einem Anstieg (Reverse-Dipping), liegt ein erhöhtes kardiologisches Risiko vor. „Häufige Ursachen sind renal-bedingter Hochdruck und schlafassoziierte Atemstörungen“, sagt Horn. Bei Schlaf-Apnoe könne durch Vermeidung von Rückenlage und CPAP-Atemtherapie häufig eine Verbesserung der nächtlichen Werte erzielt werden. Bei adipösen Patienten sei nach schlafmedizinischer Untersuchung und Therapie häufig der Blutdruck wieder besser einstellbar.

Ob eine Anpassung des Einnahmezeitpunkts der Antihypertensiva die Blut-druckkontrolle optimieren kann, ist offen, wie Wenzel ausführt: „Die Anpassung an den zirkadianen Rhythmus erzielte zwar in einer früheren Studie Erfolge, die Ergebnisse konnten aber bisher nicht reproduziert werden. Wesentlicher ist die Therapie der meist sekundären Ursache.“ Weist ein Patient in der 24-Stunden-Messung abends sehr hohe Werte auf, könne eine zusätzliche Tablettengabe erwogen werden. „Es muss aber bedacht werden, dass eine über den Tag verteilte Einnahme der Antihypertensiva die Adhärenz verschlechtern kann“, gibt Wenzel zu bedenken.

* laut European Society of Hypertension (ESH), übernommen von der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2024


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