Kurz und informativ

25.03.2024 | Medizin

Long-Covid: Brain-Fog-Ursache identifiziert
Eine Störung der Blut-Hirn-Schranke infolge einer Covid-19-Infektion könnte den Brain-Fog bei Long-Covid-Patienten erklären, fanden Forscher um Matthew Campbell am Trinity College Dublin und Colin Doherty vom St James‘s Hospital in Dublin heraus. Demnach führt die Infektion zu einer Störung der Blutversorgung im Gehirn. Die Gefäße werden durchlässiger und können das Gehirn nicht im gewohnten Ausmaß vor Noxen und Krankheitserregern schützen. Gemeinsam mit einem hyperaktiven Immunsystem könnte dies für den Gehirnnebel sorgen, der in Zusammenhang mit Long-Covid immer wieder festgestellt wird. Die Störung der Blut-Hirn-Schranke konnte mittels dynamischer kontrastmittelbasierter Perfusions-MRT sichtbar gemacht werden. Gemessen wird, in welcher Weise ein Kontrastmittel durch ein Gewebe fließt. Die speziellen MRT-Aufnahmen zeigen, dass bei Gehirnnebel-Patienten mehr Kontrastmittel in das Hirngewebe außerhalb der Blutkapillaren gelangt. APA/Nature Neuroscience

Zellen geben Plastikpartikel weiter
Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) können bei der Zellteilung weitergegeben werden und möglicherweise die Ausbreitung von Krebs fördern. Das fanden Wiener Forscher um Verena Pichler vom Department für Pharmazeutische Chemie der Universität Wien und Lukas Kenner von der Medizinischen Universität Wien in Laborversuchen heraus. Sie setzten vier Zelllinien, die bei Kolorektaltumoren auftreten, unterschiedlich großen Polystyrol-Partikeln aus. Es zeigte sich, dass MNP von Lysosomen aufgenommen, jedoch nicht von ihnen abgebaut werden. Die Teilchen sind sogar beständiger, als ursprünglich angenommen – in den Versuchen wurden sie bei Zellteilung an neu gebildete Zellen weitergegeben. Darüber hinaus fanden die Forscher Hinweise, wonach mit Plastik belastete Tumorzellen leichter im Körper migrieren können. Eingeschlossene Partikel mit einer Größe von 0,25 µm Durchmesser senkten die Festigkeit der Zellmembran und erschwerten damit das Anwachsen der Zellen aneinander. Dadurch kann möglicherweise die Metastasierung von Tumoren gefördert werden. APA/MedUni Wien/Chemosphere

300
Tage dauerte 2023 die Pollenzeit im Osten Österreichs. APA

Zecken heuer früher aktiv
Durch milde Temperaturen in den ersten Wochen des Jahres sind heimische Zeckenarten früher aktiv – wodurch auch mit einem vorzeitigen Auftreten von FSME-Fällen zu rechnen ist, wie Experten kürzlich im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien betonten.  Meldungen gab es bereits zu Ixodes ricinus (Holzbock), der häufigsten Zeckenart in Österreich. Zahlreich wurde auch über das Auftreten von Buntzecken (Dermacentor) berichtet, die oft für Riesenzecken gehalten werden. Milde Winter wie der diesjährige ermöglichen zudem das Überleben der tropischen Riesenzecke (Hyalomma sp.). Bei unklarem Impfstatus raten Experten zur Auffrischungsimpfung. Laut Zentrum für Virologie der MedUni Wien wurde 2023 bei 104 hospitalisierten Personen FSME diagnostiziert, zwei Drittel hatten einen schweren Verlauf. Pressekonferenz „FSME muss nicht sein“, 13.3.2024, Wien

KI unterstützt bei Herzfehler-Diagnose
Ein neues KI-Modell könnte künftig dabei helfen, die Zahl der verpassten Diagnosen der pulmonalen Hypertonie bei Neugeborenen deutlich zu verringern. Entwickelt wurde das Modell von Wissenschaftern der ETH Zürich und einem Team um Sven Wellmann von der KUNO Klinik St. Hedwig der Barmherzigen Brüder in Regensburg. Sie trainierten es im Rahmen einer Studie mit Videoaufnahmen von Herz-Ultraschalluntersuchungen von 192 Neugeborenen. Im Anschluss gelang es der KI, in 80 bis 90 Prozent der Fälle die richtige Diagnose vorzuschlagen. In 65 bis 85 Prozent wurde auch der Schweregrad korrekt bestimmt. Das KI-Modell markiert in den Ultraschallbildern jene Bereiche, die für den Diagnosevorschlag maßgeblich waren. Die Diagnose selbst werde weiterhin vom Arzt gestellt, so die Entwickler. APA/ETH/International Journal of Computer Vision

MS: frühe intensive Behandlung senkt Schubrisiko
Eine frühe und intensive Therapie von Multiple-Sklerose-Patienten mit aktivem und schnell fortschreitendem Krankheitsverlauf senkt die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Erkrankungsschub deutlich. Zu diesem Schluss kam Michael Guger von der neurologischen Abteilung des Krankenhauses Steyr gemeinsam mit Co-Autoren vom Österreichischen Register für MS-Therapien (AMSTR) nach Analyse der Daten von fast 1.000 Betroffenen. Die Behandlungsdauer betrug drei Monate bis 16 Jahre. 743 Patienten hatten früh nach der Diagnose eines der wirksamsten Medikamente (Alemtuzumab, Cladribin, Fingolimod, Natalizumab, Ocrelizumab oder Ozanimod) erhalten. 227 Patienten hingegen waren zunächst mit schwächer wirksamen Arzneimitteln behandelt worden. Die Ergebnisse sprechen deutlich für eine frühe und intensive Therapie: Die jährliche Wahrscheinlichkeit eines akuten Schubes war um 78 Prozent geringer als bei Eskalationstherapie. Es besteht auch ein Einfluss auf die Progression einer Behinderung: Die Wahrscheinlichkeit nahm bei früher intensiver Behandlung um 45 Prozent ab. APA/Journal of Neurology

Kein Migräne-Kopfschmerz durch Koffein
US-Schlafforscher um Suzanne Bertisch von der Harvard Medical School in Boston haben den Mythos, wonach Koffein-Konsum Migräne-Kopfschmerzen auslöst, entkräftet. Sie beobachteten 101 Erwachsene mit diagnostizierter episodischer Migräne sechs Wochen lang. Dabei wurde zweimal täglich der Gesundheitszustand überprüft. Schlussendlich wurden Daten von 97 Probanden ausgewertet. Die mittlere Zahl der monatlichen Kopfschmerztage betrug bei 20 Teilnehmern ohne gewohnheitsmäßigen Koffeinkonsum 7,1 Tage. Bei 65 Probanden, die ein bis zwei Portionen koffeinhaltige Getränke täglich konsumierten, lag sie bei 7,4 Tagen. Zwölf Teilnehmer, die drei bis vier Portionen pro Tag zu sich nahmen, wiesen im Mittel 5,9 Tage mit Kopfschmerz pro Monat auf. Auch die Dauer der Migräne-Episoden und die Intensität der Schmerzattacken war zwischen den drei Gruppen vergleichbar. Fazit: Es bestehe keine Korrelation zwischen gewohnheitsmäßigem Konsum von koffeinhaltigen Getränken mit Häufigkeit, Dauer oder Stärke von Kopfschmerzsymptomen. APA/Headache

Kritische Punkte in Erkrankungskarrieren
Forscher haben aus Daten zu 44 Millionen Krankenhausaufenthalten in Österreich erstmals den gesamten Gesundheitsverlauf abgebildet. Die Gruppe um Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien sowie der dort und am Complexity Science Hub Wien tätigen Elma Dervic, Stefan Thurner und Peter Klimek fand 1.260 Krankheitskarrieren; ein solcher 70 Jahre dauernder Ablauf umfasste durchschnittlich neun verschiedene Diagnosen. Besonders interessant: 70 Verläufe, die mit sehr ähnlichen Diagnosen in jungen Jahren beginnen, sich aber bezüglich Schweregrad deutlich unterscheiden. Es handelt sich dabei um kritische Punkte im medizinischen Lebenslauf. Bei Frauen ist dies etwa eine Hypertonie-Diagnose zwischen zehn und 19 Jahren; bei einer Untergruppe traten später Stoffwechselerkrankungen auf, bei einer zweiten Gruppe in den Zwanzigern chronische Nierenerkrankung, teils mit erhöhter Mortalitätswahrscheinlichkeit. Bei Männern ist einer der Punkte eine organische Schlafstörung zwischen 20 und 29 Jahren. Ein möglicher Verlauf resultiert in Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, der zweite u.a. in Dyskinesien wie M. Parkinson. APA/npj Digital Medicine

Frauen haben 25 Prozent weniger gesunde Jahre
Frauen verbringen im Schnitt um 25 Prozent weniger Jahre in guter Gesundheit als Männer, wie der aktuelle Gender Health Gap-Report 2024 des Weltwirtschaftsforums zeigt. Für den Bericht wurde die Situation in 150 Ländern weltweit analysiert. Demnach treten fast 50 Prozent der gesundheitlichen Probleme bereits während der Berufslaufbahn auf. Alleine 47 Prozent entfallen auf Beschwerden, deren Prävalenz bei Frauen deutlich höher als bei Männern ist, wie etwa Kopfschmerzerkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder Depressionen. In Österreich ist laut Frauengesundheitsbericht 2022 die Schere etwas kleiner: Frauen verbringen im Schnitt 19,3 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit, Männer 16,2 Jahre. Eine der Ursachen für die Kluft ist Ungleichheit in der Forschung: Frauen sind nach wie vor in klinischen Studien unterrepräsentiert, woraus nicht nur Wissenslücken, sondern auch verzögerte Diagnosestellungen resultieren. Eine dänische Studie hat gezeigt, dass Frauen bei über 700 Krankheiten ihre Diagnose später als Männer erhalten, bei Diabetes zum Beispiel mit viereinhalb Jahren Verzögerung. APA/MedUni Wien/WEF

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2024