Kurz und informativ

10.06.2024 | Medizin

Tiefe Hirnblutung: Positiver Effekt durch Kraniektomie
Schweizer Forscher haben bei schweren Blutungen in tiefen Hirnbereichen positive Effekte mit einer temporären dekompressiven Kraniektomie erzielt. In die multizentrische SWITCH-Studie unter der Leitung von Urs Fischer und Jürgen Beck vom Inselspital, Universitätsspital Bern, und der Universität Bern wurden 201 Erwachsene (Alter 18 bis 75 Jahre) mit einer schweren tiefen Hirnblutung eingeschlossen. Die Teilnehmer stammten aus neun europäischen Ländern unter Beteiligung von 42 Stroke-Zentren. Zunächst wurde eine dekompressive Kraniektomie durchgeführt. Nach dem – zumeist einige Wochen später eintretenden – Abschwellen implantierte man den Schädelknochen wieder. Ein halbes Jahr nach der Therapie waren 44 Prozent der behandelten Patienten bettlägerig oder verstorben. In der Kontrollgruppe ohne dekompressive Kraniektomie waren 58 Prozent bettlägerig oder verstorben. Die Kraniektomie erhöhte die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Ereignisse nicht signifikant. APA/Inselspital Bern/Lancet

Herpes-Enzephalitis: neue Gen-Mutation identifiziert
Forscher des Universitätsspitals Lausanne (CHUV) haben eine neue genetische Mutation identifiziert, weshalb Herpes-Viren in seltenen Fällen eine Enzephalitis auslösen. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass eine genetische Veranlagung im Zusammenhang mit der Interferonproduktion in Verbindung mit anderen Faktoren die Ursache dafür ist. Nun hat das Team um Stéphanie Bibert und Pierre-Yves Bochud bei einem 14 Monate alten Mädchen eine neue genetische Mutation nachgewiesen, die zu einem Mangel an Interferonproduktion führt. Die Mutation betrifft ein Enzym mit dem Namen E3-Ubiquitinligase. APA/Nature

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Todesfälle täglich sind in Österreich auf die Folgen von Tabakkonsum zurückzuführen. APA

Sterblichkeit bei COVID-19 höher als bei Influenza
Bei schwerem Krankheitsverlauf ist die Sterblichkeit bei COVID-19 höher als bei saisonaler Influenza. US-amerikanische Wissenschafter um Yan Xie vom St. Louis Health Care System in Missouri haben aus den Akten der Veteranen-Krankenversicherung (US Department of Veterans Affairs) eine Gruppe von 8.625 Patienten identifiziert, die zwischen Anfang Oktober 2023 und Ende März 2024 wegen COVID-19 stationär aufgenommen werden mussten und eine Vergleichsgruppe mit Influenza-Kranken (2.674 Probanden). Bei COVID-19 starben binnen 30 Tagen 5,7 Prozent; bei Influenza waren es 3,04 Prozent. Bei statistischem Ausgleich verschiedener Charakteristika der beiden Gruppen war die Sterblichkeit bei COVID-19 noch immer um 35 Prozent höher. Die Wissenschafter hatten bereits zuvor solche epidemiologischen Vergleichsstudien durchgeführt: 2020 war die Sterblichkeit bei schwerem COVID-19 viermal höher als bei Influenza, im Herbst/Winter 2022/2023 um 60 Prozent. APA/JAMA

Nierentransplantation: neue Therapie gegen Abstoßungsreaktion
Um eine Antikörper-vermittelte Abstoßungsreaktion bei Nierentransplantationen zu verhindern, könnte der Antikörper Felzartamab eingesetzt werden.  Das hat eine klinische Studie von Wissenschaftern um Univ. Prof. Georg Böhmig und Katharina Mayer von der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse des AKH Wien und der Berliner Charité gezeigt. 22 Patienten, die von einer Antikörper-vermittelten Abstoßungsreaktion betroffen waren, nahmen teil. Ein Teil erhielt sechs Monate Felzartamab. Sechs Monate nach der Therapiephase deuteten Gewebeproben darauf hin, dass eine Antikörper-vermittelte Abstoßungsreaktion dadurch verhindert werden könnte. Der eigentlich zur Behandlung des Multiplen Myeloms eingesetzte Antikörper könnte auch im Rahmen von Xenotransplantationen wichtig werden. APA/NEJM

Mikroplastik in Carotis von Atherosklerosepatienten
Kürzlich hat ein italienisches Forscherteam um Raffaele Marfella von der Universität Neapel Mikro- und Nanoplastik (MNPs) in Atherosklerose-Plaques von Patienten mit einer mindestens 70-prozentigen Verengung einer Halsschlagader nachgewiesen. Co-Autoren der Studie waren Univ. Prof. Friedrich Hoppichler (Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien) und Julia Schätzer (SIPCAN, Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition). In Untersuchungen an 257 Personen zwischen 18 und 75 Jahren, die sich einem Eingriff zur Entfernung der Plaques unterziehen mussten, wurde in 58 Prozent der Gewebeproben Polyäthylen entdeckt. Bei 31 Personen wurde außerdem PVC nachgewiesen. Eine akute Herz-Kreislauf-Erkrankung trat in einem Beobachtungszeitraum von 33,7 Monaten bei acht von 107 Patienten (7,5 Prozent) auf, bei denen man in den Atherosklerose-Plaques keine MNPs entdeckt hatte. In der Gruppe mit MNP-Nachweis in der Carotis kam es bei 20 Prozent zu einem Akutereignis; die Gefährdung lag damit um das 4,5-Fache höher. Die Ergebnisse liefern noch keinen ursächlichen Beweis für den Zusammenhang zwischen Mikro- und Nanoplastik und schädigenden Einflüssen auf die Gefäße. Dies müsse in weiteren Untersuchungen geklärt werden. APA

Alzheimer-Risikogen: Sport verbessert Gedächtnis nicht
Sport verbessert das Gedächtnis von Menschen mit einer genetischen Veranlagung für Alzheimer nicht. Das ergab eine Studie von Forschern der Universitäten Genf und Lausanne. Das Team um Studienleiterin Prof. Sophie Schwartz zeigte 50 Personen zwischen 18 und 25 Jahren eine Bildserie – die Hälfte von ihnen hatte eine Veränderung des ApoE-Gens, das das Risiko für Alzheimer um das Drei- bis Zwölffache erhöht. Danach sollten sie entweder 30 Minuten Fahrradfahren oder 30 Minuten ausruhen und im Anschluss die Reihenfolge der Bilder wiedergeben. Ergebnis: Jene Personen mit Genmutation schnitten im Gedächtnistest schlechter ab – sowohl nach Sport als auch nach Ruhephase. Während bei den Personen ohne Mutation nach dem Sport der Hippocampus deutlich aktiver war als nach der Ruhephase, waren die Hippocampus-Neuronen bei den Alzheimer-Risikopersonen in beiden Testsituationen überaktiviert. Dies deute auf physiologische Anpassungs- oder Kompensationsmechanismen hin; bei Personen mit Mutation müsse der Hippocampus möglicherweise stärker mobilisiert werden, um die gleiche Gehirnleistung zu erzielen. APA/Cerebral Cortex

SCLC: Fortschritt mit neuem Radiopharmazeutikum
Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) könnte ein neu entwickeltes Radiopharmazeutikum künftig das Erkennen und die Behandlung verbessern. Das an der Innsbrucker Universitätsklinik für Nuklearmedizin unter Elisabeth von Guggenberg entwickelte Molekül bindet spezifisch an den Cholecystokinin-2-Rezeptor, über den es in das Innere der Krebszelle geschleust wird. Dies ermöglicht es, das Tumorgewebe bildgebend darzustellen. Außerdem können die Tumorzellen gezielt mit radioaktiver Strahlung zerstört werden. Die Entwicklung des neuen Arzneimittels stellt den Nachweis einer verbesserten Visualisierung des Tumors dar und schafft die Grundlage für die Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie mit therapeutischen Radionukliden. APA/MedUni Innsbruck

Alterungsprozesse in der Schwangerschaft temporär
Von der frühen bis zur späten Schwangerschaftsperiode steigt das biologische Alter der werdenden Mutter um rund zwei Jahre. Nach der Entbindung werden Alterungsprozesse jedoch wieder umgekehrt. Das haben Wissenschafter um Kieran O‘Donnel vom Yale Child Study Center in Connecticut/USA herausgefunden. Die Forscher hatten die DNA-Methylierung von 199 Frauen untersucht, die im Rahmen einer anderen Studie Blutproben in der frühen, mittleren und späten Schwangerschaft abgegeben hatten. Bei 68 Frauen wurde drei Monate nach der Entbindung eine vierte Blutprobe entnommen. Im Zeitraum von 18 Wochen zwischen der ersten Untersuchung und der Geburt erhöhte sich das biologische Alter der Mutter je nach Bewertungsmethode um 1,19 bis 2,52 Jahre. Lag zu Schwangerschaftsbeginn Adipositas vor, ergab sich ein zusätzlicher Anstieg des biologischen Alters von 0,66 bis 1,42 Jahren. Drei Monate nach der Entbindung kam es jedoch zur Abnahme des biologischen Alters – bei manchen Frauen waren es bis zu acht Jahre, so die Forscher. APA/Cell Metabolism

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2024