Fruktosemalabsorption und Laktoseintoleranz: Fokus auf individuelle Verträglichkeit

14.08.2024 | Medizin

Nach Diagnose einer Fruktosemalabsorption gilt es, die individuelle Toleranzgrenze des Patienten abzuklären, um einen beschwerdefreien Alltag zu ermöglichen. Ein völliger Verzicht auf Fruchtzucker wird nicht empfohlen. Bei Laktoseintoleranz werden kleine Mengen zwar meist vertragen, eine Milchzucker-freie Diät ist dennoch indiziert.

Martin Schiller

In den vergangenen Jahrzehnten ist der Fruktosekonsum in der Bevölkerung deutlich angestiegen. Daher stößt die Fähigkeit zur Verdauung von Fruchtzucker auch bei Personen mit intakter Kapazität des Transportproteins GLUT5 an Grenzen, wie Assoz. Prof. Eva Untersmayr-Elsenhuber vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung an der Medizinischen Universität Wien erläutert: „Beschwerden können durch ein Übermaß an Fruktose in der Nahrung ausgelöst werden. Ein Beispiel dafür ist der Verzehr von Smoothies – selbst bei Nichtvorliegen einer Fruktosemalabsorption kann es dadurch zu Verdauungsproblemen kommen.“ Auch eine Umstellung der Ernährung könne manchmal der Auslöser sein, wenn der Fruktoseanteil dabei stark gesteigert werde. Somit sei ein Fruktoseüberhang in der Nahrung von gesunden Menschen von einer Fruktosemalabsorption zu unterscheiden. Die Expertin verweist auf die Bedeutung einer detaillierten Anamnese und rät auch zum Führen eines Ernährungstagebuchs: „Die Aufzeichnungen sollten zwei bis drei Wochen geführt werden, um Zusammenhänge zwischen Nahrungsmitteln und Verdauungsbeschwerden in einem repräsentativen Zeitraum zu erkennen. Das Tagebuch hilft dabei, mögliche Auslöser zu identifizieren.“ Univ. Prof. Wolfgang Schnedl von der Universitätsklinik für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Graz streicht die Unterschiedlichkeit der Beschwerden bei Lebensmittelintoleranzen heraus, die sich aus Polymorphismen ergebe: „Druckgefühl im Bauch, Flatulenz, Aufstoßen, Diarrhoe, wechselhafter Stuhlgang – jeder Patient verspürt eine Unverträglichkeit anders. Es gibt zum Beispiel auch Menschen mit Fruktosemalabsorption, die keine oder kaum Beschwerden haben.“

Eine entsprechende Abklärung führt Schnedl in fünf Schritten durch:

  • Nachfrage, ob bereits eine Endoskopie stattgefunden hat: „Vorrangig ist hier die Suche und gegebenenfalls Eradikation von Helicobacter pylori, welcher für die Verdauungsbeschwerden verantwortlich sein könnte.“
  • Bestimmung von Zöliakie-spezifischen Antikörpern zum Ausschluss dieser Krankheit
  • Bestimmung der Diaminoxidase mit genauer Anamnese, um Hinweise auf eine mögliche Histaminintoleranz zu erhalten
  • Durchführung von Atemtests zur Ermittlung von Fruktosemalabsorption und Laktoseintoleranz (Belastungstest mit 25 Gramm Fruktose beziehungsweise 50 Gramm Laktose).

Für die Vorbereitung auf Atemtests ist eine Schulung des Patienten erforderlich, wie beide Experten betonen. „Veränderungen der Verdauungskapazität sollten vor dem Test vermieden werden, weil das Ergebnis dadurch beeinträchtigt werden kann. Daher sollte der Patient am Abend zuvor nichts Schweres oder Fettreiches essen und am Morgen nüchtern bleiben“, sagt Untersmayr-Elsenhuber. Auch Veränderungen der Darmmikrobiota könnten die Testaussage verändern, weshalb während einer Antibiotikatherapie kein Test erfolgen sollte. Weiters ist empfohlen, dass Patienten vor dem Test körperliche Belastungen vermeiden und nicht rauchen. Ein anderer Punkt in der Vorbereitung betrifft die Mundhygiene. Schnedl rät speziell vor einem Fruktosebelastungstest dazu, den Mund nur mit Wasser auszuspülen oder nur sehr wenig Zahnpasta zu verwenden, um ein valides Testergebnis nicht zu gefährden.

Der Experte weist außerdem darauf hin, dass ein gemeinsames Vorliegen von Laktoseintoleranz und Histaminintoleranz nicht selten ist. Erkannt werden könne die Kombination anhand der Auswertung des Belastungstests. „Beim Atemtest sind die Werte von Wasserstoff höher als bei ausschließlichem Auftreten einer Laktoseintoleranz. Gleiches gilt auch, wenn sowohl eine Fruktosemalabsorption als auch eine Laktoseintoleranz vorliegt.“ Testergebnisse sollten seiner Einschätzung nach auch unter diesem Blickwinkel analysiert werden, um eine etwaige zweite Unverträglichkeit nicht zu übersehen.

Fruktose reduzieren, keine Karenz

In der ersten Phase nach Diagnose einer Fruktosemalabsorption ist laut den Experten eine Beschwerdereduktion durch fruktosearme Kost das oberste Ziel. Stark fruktosehaltige Lebensmittel sollten nach Einschätzung von Schnedl dabei eher vermieden werden. Darüber hinaus gelte es, gemeinsam mit dem Patienten individuell verträgliche Mengen zu ermitteln. Ein Apfel etwa enthalte relativ viel Fruktose (20 Gramm pro Stück) und werde von vielen Patienten nicht gut toleriert, während Bananen – sofern sie nicht überreif sind – im Rahmen einer allgemein fruktosereduzierten Kost meist wieder gut vertragen würden. „Davon ausgehend, dass nicht bekannt ist, welcher Polymorphismus beim Einzelnen vorliegt, muss Schritt für Schritt die Toleranzgrenze ausgelotet werden. Wird diese eingehalten, können die allermeisten Patienten beschwerdefrei leben“, so Schnedl. Abzuraten ist laut Untersmayr-Elsenhuber von einer kompletten Fruktosekarenz: „Diese würde dazu führen, dass die Kapazität des GLUT5-Transporters noch weiter absinkt.“ Einer Ernährungsumstellung misst sie großen Stellenwert bei: „Meistens hilft es auch, wenn die Betroffenen den Anteil von Protein und gesunden Fetten in der Nahrung etwas erhöhen und jenen von Kohlenhydraten senken.“ Obst und Gemüse sollten ihrer Einschätzung nach stets mit Eiweiß und hochwertigem Fett kombiniert werden.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Verträglichkeit von fruktosehaltigen Nahrungsmitteln haben auch andere niedermolekulare Kohlenhydrate sowie Zuckerersatzstoffe. „Glukose und Galaktose unterstützen die Aufnahme von Fruktose über den Transportermechanismus“, sagt Untersmayr-Elsenhuber. Ersatzstoffe wie Maltit, Sorbit und Xylit würden hingegen die Aufnahme reduzieren und damit die Verträglichkeit verschlechtern. „Das gilt auch für Maltose“, ergänzt Schnedl. Er verweist aber darauf, dass die Verträglichkeiten auch hier individuell unterschiedlich seien. Empfehlungen, wonach Patienten sich an Tabellen mit dem Glukose-Fruktose-Verhältnis von Lebensmitteln orientieren sollten, unterstreicht Schnedl nicht: „Zuletzt wurde einige Male publiziert, dass die Berücksichtigung dieses Verhältnisses keine Vorteile für Patienten bringt.“

Laktose-freie Diät bevorzugen

Nach Diagnose einer Laktoseintoleranz ist ein Umstieg auf laktosefreie Lebensmittel indiziert. „Die Palette an Produkten ist breit, die Patienten können sich damit gut versorgen“, sagt Schnedl. Wie viel Laktose tatsächlich vertragen wird, müsse im Einzelfall ermittelt werden. Präparate mit Laktase können seiner Einschätzung nach als Alternative eingesetzt werden: „Der Einsatz funktioniert bei einigen Patienten gut, bei anderen allerdings nicht. Da oft unklar ist, wie viele Laktase-Einheiten zu einer Mahlzeit benötigt werden und wie groß die Kapazität zur Laktosespaltung ist, kann die Einnahme nur individuell probiert werden. Eine laktosefreie Diät ist jedenfalls zu bevorzugen.“ Auch Untersmayr-Elsenhuber sieht die Zufuhr von Laktase als Alternative, vor allem, wenn auswärts gegessen wird und unklar ist, wie viel Laktose im Essen enthalten ist. Eine Richtschnur, die sie ihren Patienten mit auf den Weg gibt, lautet: „Je flüssiger ein milchhaltiges Lebensmittel, desto mehr Laktose ist tendenziell enthalten; je fester die Konsistenz, desto weniger.“

Neben einer genetisch bedingten, primären Form der Laktoseintoleranz können Erkrankungen des Dünndarms wie Zöliakie oder Morbus Crohn ebenso eine Laktoseunverträglichkeit auslösen wie Gastroenteritiden. „Infolge der durch die Gastroenteritis ausgelösten Veränderungen der Darmschleimhaut kommt es zu einem Mangel von Laktase in den Zotten“, erklärt Untersmayr-Elsenhuber. Nach überstandener Infektion oder bei erfolgreicher Behandlung der Grunderkrankung könnten sich solche sekundären Formen der Laktoseintoleranz aber wieder legen. Zur Unterscheidung zwischen Laktoseintoleranz und Milchallergie dient laut der Expertin eine genaue Anamnese. „Eine Allergie gegen Milch führt unabhängig von der Menge immer zu einer Reaktion, die kurz nach der Zufuhr auftritt. Eine Reaktion bei Laktoseintoleranz tritt hingegen nicht unmittelbar nach dem Konsum ein und zudem werden kleine Mengen meist vertragen.“ Im Kindesalter komme es häufiger zu Milchallergien; diese würden aber in den ersten Lebensjahren häufig wieder vergehen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2024