Fieber und Exanthem bei Kindern: Breites Krankheitsspektrum

10.06.2024 | Medizin

Liegen Fieber und ein Exanthem gleichzeitig vor, handelt es sich häufig um eine klassische Kinderkrankheit. Bei Masern kann das zeitversetzte Auftreten aber die Diagnose zunächst erschweren. Auch eine Reihe anderer schwerer Krankheiten ist möglich, etwa das Kawasaki-Syndrom oder eine schwere Sepsis mit Petechien.

Martin Schiller

Viruserkrankungen sind bei Kindern die mit Abstand häufigste Ursache von Exanthemen. Kommt es dabei auch zu Fieber, reicht das Spektrum der möglichen Auslöser von banalen Infekten bis hin zu schweren Erkrankungen. In einigen Fällen lässt sich die Kombination aus Hautausschlag und Fieber anhand des klinischen Bildes gut diagnostizieren und muss dann gar nicht mehr durch Laborbefunde bestätigt werden“, sagt Assoz. Prof. Priv. Doz. Volker Strenger von der Klinischen Abteilung für allgemeine Pädiatrie an der Medizinischen Universität Graz. Ein spezifisches Exanthem tritt beispielsweise im Rahmen von Varizellen und Ringelröteln sowie beim Drei-Tage-Fieber auf. Bei Letzterem kommt es beim Abfiebern zur plötzlichen Entwicklung des typischen blassroten, klein- und mittelfleckigen Hautausschlages (Exanthema subitum). Auch bei Scharlach ist die Diagnose meistens eindeutig zu stellen: Die Streptokokken-Infektion tritt häufig in Form einer Angina auf und wird von einem charakteristischen Exanthem begleitet, wobei das Nasen-Mund-Dreieck ausgespart bleibt. „Die periorale Blässe ist ein typisches Merkmal von Scharlach. Gleiches gilt für die knallrote Himbeerzunge und für dem samtartigen, erhabenen, nicht-juckenden Ausschlag, der zunächst im Brust-Bauchbereich auftreten und sich dann ausbreiten kann“, sagt Univ. Prof. Andreas Böck von der Allgemeinen Ambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der Medizinischen Universität Wien. Nach Abklingen der Infektion sind Abschuppungen, besonders an Handflächen und Fußsohlen, typisch. Ein typischer Hautausschlag liegt zwar auch bei Masern vor, Strenger weist aber darauf hin, dass hier das Exanthem oft erst nach einigen Tagen auftritt und die Krankheitssymptome zunächst unspezifisch sind. Allerdings könnten die Koplik-Flecken auf der Innenseite der Mundschleimhaut, die bereits vor dem Exanthem auftreten können, auf Masern hinweisen. „Bei ungeimpften Kindern sollte der Mund daher dahingehend untersucht werden“, meint der Experte.

Diagnostische Hinweise durch Petechien

Hinweise auf eine möglicherweise schwere Infektion liefern Petechien. Sie können ein Zeichen für Influenza und Pertussis sein, aber auch auf eine Infektion mit Meningokokken und Pneumokokken oder bereits auf eine bakterielle Sepsis hinweisen. „Oft beginnt das Exanthem mit einer einzigen Petechie. Daher sollte ein fieberndes Kind bei der Untersuchung ganz ausgezogen werden“, meint Strenger. Allerdings könnten auch schwerer Husten und Erbrechen durch den erhöhten intravaskulären Druck Petechien erzeugen – dann aber nur in der oberen Körperhälfte. Man müsse Petechien jedenfalls ernst nehmen und den Krankheitsverlauf engmaschig beobachten – vor allem in Hinblick auf die Entwicklung einer Sepsis. „Eine Meningokokken-Sepsis zum Beispiel ist zwar sehr selten, kann aber innerhalb kürzester Zeit dramatisch verlaufen“, ergänzt Böck.

Treten die Petechien in Zusammenhang mit einer Thrombopenie auf, liegt oft eine thrombozytopenische Purpura (Immunthrombozytopenie, ITP) vor, die durch eine Autoimmunreaktion gegen Thrombozyten und Megakaryozyten bedingt ist. Die Thrombozytenzahl liegt dabei wiederholt unter 100 x 109/L. „Die ITP kann auch erst Wochen nach einer Virusinfektion auftreten. Sie ist nicht so selten, man sollte diese Möglichkeit daher im Blick haben. Ein Blutbild führt rasch zur Diagnose“, betont Böck. Der Experte macht auch auf eine Erkrankung aufmerksam, die keine klassische Virusinfektion ist, bei der jedoch virale Infektionen als Trigger fungieren können: das Kawasaki-Syndrom. „Die betroffenen Kinder haben vier bis fünf Tage hohes Fieber, das häufig schlecht auf Antipyretika anspricht, leiden meist an einer Konjunktivitis und weisen ein Erythem an Fußsohlen und Handflächen auf“, beschreibt Böck markante Kennzeichen. Er streicht eine frühe Erkennung der Krankheit hervor, da sie in Folge auch zu einer Angiitis – vor allem der Koronararterien – führen könne. Als weitere Erkrankung, bei der eine Kombination aus Fieber und Exanthem auftritt, führt Böck die Borreliose an. Diese meist (aber nicht ausschließlich) durch einen Zeckenstich bedingte Erkrankung ist durch das Erythema chronicum migrans, einer girlandenförmigen Rötung mit hellem Zentrum, gekennzeichnet und muss antibiotisch behandelt werden.

Beide Experten raten dazu, den Allgemeinzustand des fiebernden Kindes im Fokus zu haben. „Kinder können beim Drei-Tage-Fieber oder auch bei banalen Infekten durchaus hoch fiebern und tolerieren dies meist viel besser als Erwachsene“, sagt Böck. Die entscheidende Frage sei: Wie geht es dem Kind, wie ist sein Allgemeinzustand? Ab einer Temperatur von 38,5 bis 39 Grad könne man laut allgemeiner Empfehlung antipyretisch behandeln, es solle aber auch berücksichtigt werden, dass pro halbem Grad Temperaturerhöhung eine Vielzahl an Keimen abgetötet wird. Wichtig sei es daher, den Begleitumständen Sorge zu tragen. Das Kind sollte viel trinken und nur leicht bekleidet sein, damit die überschüssige Wärme gut abgegeben werden kann, so Böck. Strenger nennt ebenfalls eine Temperatur von 38,5 Grad, ab der eine Fiebersenkung erwogen werden kann. Allerdings müsse beachtet werden, dass ein nach medikamentöser Senkung wieder ansteigendes Fieber den Kreislauf des Kindes neuerlich belaste. Wichtig sei die Beurteilung des Zustands nach der Fiebersenkung: „Wenn das Kind danach immer noch einen sehr schlechten Allgemeinzustand aufweist oder lethargisch wirkt, könnte dies ein Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung sein“, betont Strenger.

Therapie des Exanthems

Eltern machen sich häufig Sorgen, wenn ein Hautausschlag beim Kind bemerkt wird. „Es ist wichtig, zu vermitteln, dass der Ausschlag als Symptom wahr- und ernstgenommen wird, aber per se noch kein Hinweis auf eine ernste Erkrankung sein muss und zudem auch noch einige Tage fortbestehen kann“, erklärt Strenger.

Ein Exanthem bei Varizellen sollte laut Strenger jedenfalls behandelt werden, um die Bläschen auszutrocknen. Grund dafür: Gelangen Keime in die Bläschen, erhöht sich das Risiko für eine bakterielle Superinfektion. Zudem ist bei Varizellen die Empfänglichkeit für schwere bakterielle Hautinfektionen erhöht. Böck verweist auf die Infektiosität der Bläschen und die Notwendigkeit, die Familie dahingehend zu beraten: „Das Kind sollte in dieser Zeit keinen räumlich engen Kontakt mit schwangeren Frauen oder älteren Menschen haben.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2024