FAQs: Enuresis kompakt

24.05.2024 | Medizin

Die wichtigsten Informationen rund um das Thema „Enuresis“ bietet folgende Übersicht.

Nächtliches Einnässen an mindestens zwei Nächten pro Monat nach dem fünften Lebensjahr – so definiert die WHO „Enuresis“.

Die sekundäre Form … liegt vor, wenn das Kind mindestens sechs Monate trocken war und dann wieder plötzlich beginnt, einzunässen. Auslösende Ursachen können etwa einschneidende Ereignisse in der Familie sein.

Europaweit … sind zehn Prozent aller Siebenjährigen sowie etwa fünf Prozent aller Zehnjährigen betroffen. Im Erwachsenenalter leiden ein bis zwei Prozent unter persistierender Enuresis. Knaben sind mit knapp 60 Prozent häufiger betroffen als Mädchen. Die Spontanheilungsrate liegt bei rund 15 Prozent pro Jahr.

Die monosymptomatische Enuresis nocturna … zeichnet sich durch eine multifaktorielle Genese aus. Ein abnormal erhöhter nächtlicher Erregungslevel dürfte Einfluss haben. Weitere Faktoren sind die erhöhte nächtliche Urinausscheidung und/oder eine geringe Blasenkapazität. Auch eine nächtlich überaktive Blase kann vorhanden sein.

Auch genetische Faktoren … spielen eine Rolle: Kinder mit einem Enuretiker als Elternteil oder in der nahen Verwandtschaft haben mit etwa 40 Prozent ein höheres Risiko.  Waren beide Elternteile Enuretiker, sind es 77 Prozent.

Eine hohe Erregungsschwelle … während des Schlafs ist ein wichtiger Faktor. Betroffene Kinder sind häufig Tiefschläfer. Das Einnässen tritt üblicherweise nicht in diesen Tiefschlafphasen, sondern während des Erwachens auf. Daher geht man von einem unreifen ZNS mit einer fehlerhaften Hemmung des Miktionsreflexes im Schlaf aus.

Nächtliche Polyurie … ist assoziiert mit einem zu niedrigen Spiegel von nächtlichem antidiuretischen Hormon. Normalerweise steigt in der Nacht die Ausschüttung von antidiuretischem Hormon um fast das Vierfache des Basalwerts tagsüber mit entsprechender Reduktion der nächtlichen Harnproduktion. Auch das Trinkverhalten sowie das funktionelle Blasenvolumen beeinträchtigen die hormonelle Steuerung der nächtlichen Harnproduktion.

Bei Neugeborenen … und Säuglingen erfolgt die Entleerung der Blase unwillkürlich über einen spinalen Rückenmarksreflex. Eine fehlende Unterdrückung des Entleerungsreflexes bis zum Alter von etwa zwei Jahren ist physiologisch. Dann übernimmt das Großhirn die Kontrolle über die Funktion des Blasenmuskels und des Schließmuskels. Ein verlangsamter Reifungsprozess kann für die Entstehung einer Enuresis mitverantwortlich sein.

Neben Adipositas … ist auch eine allergische Prädisposition mit einer höheren Inzidenz der Enuresis assoziiert. Oft liegt auch eine Obstipation vor: Bei effektiver Behandlung der Obstipation konnte häufig ein positiver Einfluss auf die Enuresis nachgewiesen werden. 

In der Diagnostik … sind die ausführliche kindgerechte Anamnese mit gezielten Fragen – auch nach psychologischen Auffälligkeiten – und ein Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll zentrale Punkte. Die körperliche Untersuchung konzentriert sich auf die Begutachtung des äußeren Genitale.

Nicht indiziert … ist im Rahmen der Basisdiagnostik eine Uroflowmetrie oder eine invasive urodynamische Untersuchung. Der Ultraschall zählt nicht zur Basisdiagnostik, kann aber ergänzend vorgenommen werden. Herkömmliches Röntgen ist obsolet. Eine erweiterte Diagnostik richtet sich nach den zuvor erhobenen Befunden. 

Ein mögliches Trauma … oder starker psychischer Stress können bei sekundärer Enuresis ursächlich verantwortlich sein. Hier gilt besondere Sorgfalt bei der Diagnostik vor Beginn einer Therapie.

Bei jeder Therapie … ist die Compliance des Kindes und der betreuenden Personen essentiell – vor allem, weil sich die Therapien meist über mehrere Monate erstrecken. Entsprechende Aufklärung, Information und Motivation stehen am Anfang jeder Therapie.

Kinder unter fünf Jahren … werden in der Regel nicht behandelt, sondern man gibt ihnen die nötige Zeit, den entsprechenden Reifungsprozess abschließen zu können.

Verhaltens- und urotherapeutische Maßnahmen sind wichtige Säulen der Therapie. Das Miktions- und Trinkverhalten sollte optimiert werden. Der Großteil der Flüssigkeit sollte tagsüber getrunken werden; am späten Nachmittag/ Abend sollte die Flüssigkeitszufuhr reduziert werden. Konsequente Blasenentleerung vor dem Schlafengehen wird empfohlen. Zusätzlich ist die Behandlung einer bestehenden Obstipation unbedingt notwendig. 

Bettnässer-Alarmsysteme … basieren auf der klassischen Konditionierung mit dem Ziel, das Kind aufzuwecken und die Toilette zur Blasenentleerung aufzusuchen. Sie führen zur Unterdrückung des Miktionsreflexes; durch wiederholten Einsatz kann das Erregungslevel verringert werden. Alarmsystem-Therapie kann die Häufigkeit der Enuresis signifikant reduzieren; die Rezidivrate ist relativ gering.

Als medikamentöse Therapie … ist Desmopressin ab dem vollendeten fünften Lebensjahr zugelassen. Zu Beginn ist die Dosierung von 120μg in der Melt-formulierung ausreichend und sicher; eine Dosistitration auf 240μg ist möglich. Es gibt Erfolgsraten von bis zu 70 Prozent. Ein plötzlicher Abbruch führt oft zu Rezidiven; daher wird ein Ausschleichen empfohlen. Um einer Wasserintoxikation vorzubeugen, sollte die Flüssigkeitszufuhr während und nach der Einnahme reduziert werden. Keine überzeugende Datenlage gibt es für komplementär-medizinische Maßnahmen wie Akupunktur, Homöopathie, Hypnose etc.

Psychische und soziale Probleme … können Begleiterscheinungen sein. Die Enuresis kann für das Kind und die gesamte Familie sehr belastend sein. Eine zusätzliche psychologische Betreuung sollte unbedingt in Erwägung gezogen werden. (red)

Quelle: State of the Art „Enuresis“ von Univ. Prof. Dr. Christian Radmayr, Dr. Yannic Kunz; ÖÄZ 17/10. September 2023

 © Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2024