Best of ASCO® 2024: Highlights aus der klinischen Onkologie

25.06.2024 | Medizin

Am 21. und 22. Juni fand in Wien der Kongress Best of ASCO® 2024 statt, bei dem aktuelle Entwicklungen des diesjährigen ASCO in Chicago komprimiert und von Experten diskutiert wurden. Im Gespräch mit Martin Schiller berichtet Doz. Holger Rumpold, Vorstand der Abteilungen Hämatologie und medizinische Onkologie am Ordensklinikum Linz und einer der wissenschaftlichen Leiter, kompakt über die Highlights der Veranstaltung und Durchbrüche in der Krebstherapie.

Lebertransplantation effektive Methode

Erstmals wurden auf dem ASCO 2024 Studienergebnisse zur Lebertransplantation bei Kolorektalkarzinom-Patienten mit nicht-resektabler hepataler kolorektaler Metastasierung präsentiert (TRANSMET-Studie). „Die Resultate zeigen deutlich, dass eine Lebertransplantation in Kombination mit Chemotherapie das Überleben im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie verbesserte. Diese Methode wurde lange Zeit diskutiert, nun erwies sie sich bei einem ausgewähltem Patientenkollektiv als sehr effektiv“, sagt Rumpold.

Große Fortschritte beim Bronchialkarzinom

Große Aufmerksamkeit erregte beim diesjährigen ASCO die LAURA-Studie, in der eine laut Rumpold „beeindruckende“ Wirksamkeit des Tyrosinkinase-Inhibitors Osimertinib versus Placebo bei Patienten mit unresektablem EGFR-mutierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) im Stadium III nach definitiver Radiochemotherapie gezeigt wurde. Die ausgewählten Patienten wiesen allesamt das Target für Osimertinib, eine Mutation im EGF-Rezeptor, auf. „Nach diesen ersten Daten, die eine Verbesserung des Effekts von Osimertinib auf die definitive Radiochemotherapie belegen, wird auch Auswertung der Crossover-Anteile der Studie noch interessant“, sagt Rumpold. Ein beträchtlicher Teil der Patienten sei aus der Placebogruppe in den aktiven Therapiearm gewechselt – hier könnten sich weitere positive Effekte zeigen.

Gute Erfolge wurden auch beim kleinzelligen Bronchialkarzinom in limitiertem Stadium (LS-SCLC) in der ADRIATIC-Studie erzielt, wie Rumpold erläutert: „Die Patienten profitierten in dieser Phase-III-Studie deutlich von einer konsolidierenden Immuntherapie mit Durvalumab nach Radiochemotherapie.“

Neoadjuvante Immuntherapie verbessert Outcome

Als eine der spannendsten Studien, die auf dem ASCO 2024 präsentiert wurden, nennt Rumpold die NADINA-Studie mit Patienten mit resektablem Melanom im Stadium III. Sie zeige auf hohem Evidenzniveau, dass eine Positionierung der Immuntherapie vor einer Operation im kurativen Setting großen Einfluss auf den onkologischen Outcome hat. Eine Patientengruppe erhielt eine sechswöchige Immuntherapie mit Ipilimumab plus Nivolumab vor der Lymphknotendissektion. Bei der anderen Gruppe wurde zunächst die Lymphknotendissektion durchgeführt, gefolgt von einer zwölfmonatigen Therapie mit Nivolumab mono. Die Ergebnisse waren eindeutig, wie Rumpold berichtet: „Die eineinhalbmonatige neoadjuvante Immuntherapie zeigte einen deutlich besseren Outcome.“ Aus den Resultaten würden sich interessante Ableitungen und Diskussionen ergeben. „Solange der Tumor noch vorhanden ist, können Neoantigene dem Immunsystem präsentiert werden. Dies verbessert die Immun-response. Nach chirurgischer Entfernung des Tumors wären auch die Neoantigene entfernt, was den Effekt einer Immuntherapie verringert.“

ctDNA-Verlauf als Prognosemarker

Ein weiteres Highlight auf dem diesjährigen ASCO waren laut Rumpold Erkenntnisse aus der Bestimmung der zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) nach Operation des Mammakarzinoms: „Patientinnen, bei denen nach der Operation keine ctDNA nachgewiesen werden konnte, hatten einen deutlich besseren Outcome als jene Frauen, bei denen ctDNA nachgewiesen wurde. Daraus ergibt sich ein hoher prognostischer Wert der ctDNA. Wenn es zu Rezidiven kommt, dann typischerweise in den ersten zwölf bis 15 Monaten bei ctDNA-positiven Personen. Bei nicht-positiven Personen hingegen treten Rezidive kaum auf.“

Die Vorhersagekraft der ctDNA werde in Studien mit Kolonkarzinompatienten untersucht, wie Rumpold ausführt. „In diesen Studien wird der ctDNA-Verlauf beobachtet. Ist ein postoperativer Patient nach drei Monaten noch positiv, wird die adjuvante Therapie gewechselt. Das bedeutet, man behandelt einen tumorfreien Patienten und stratifiziert die adjuvante Therapie anhand eines Biomarkers.“ In der breiten Praxis sei dies noch nicht anwendbar, aber Daten aus Studien würden Anlass zur Hoffnung geben, dass dies in den kommenden Jahren möglich sei. Die Ergebnisse, die beim ASCO präsentiert wurden, hätten jedenfalls gezeigt, dass eine zirkulierende Tumor-DNA zum Nachweis einer minimalen Resterkrankung geeignet ist – nicht nur beim Kolonkarzinom, sondern vermutlich auch bei anderen Krebsarten.

Kombination von Immuntherapien mit Antibody Drug Conjugates

Als besonders spannend sieht Rumpold die Weiterentwicklung von Antibody Drug Conjugates (ADC), zielgerichteten Krebsmedikamenten, die eine neue Generation von Therapien einleiten könnten. Ein Beispiel dafür sei die Kombination der Immuntherapie mit ADC bei Mammakarzinom und Urothelkarzinom. „Beim ASCO wurde nun erstmalig beim Mammakarzinom ein deutlich verbesserter Outcome dieser Kombination gezeigt.“ Die Selektivität des Antikörpers werde genützt, um die Chemotherapie in angereicherter Form in das Innere des Tumors zu bringen. „Dies gelingt noch nicht durchgehend, aber es wird derzeit intensiv an solchen Behandlungen geforscht und in einiger Zeit werden sie vermehrt bei Patienten zum Einsatz kommen“ so Rumpold.

Stellenwert psychosozialer Aspekte bei Patientenbetreuung steigt

Die Gesprächsführung wird nicht mehr ausschließlich als Soft Skill gesehen, sondern als wesentliche Fertigkeit im Sinne einer klinischen Kompetenz, um den onkologischen Outcome positiv zu beeinflussen. „Patienten erleben diese Form der Unterstützung positiv. Man könnte von einer Indikation sprechen, Patientengespräche unter Berücksichtigung psychosozialer Aspekte zu führen, weil sie insbesondere dabei helfen, das disruptive Ereignis der Krebserkrankung ins Leben zu integrieren“, betont Rumpold. Beim ASCO 2024 widmeten sich einige Vorträge diesem Thema, das in der Onkologie einen immer größeren Stellenwert erlangt. Empfohlen werde ein „Step-up approach“, beim dem gut dosiert mit Gesprächen gearbeitet wird.

 

Große Aufmerksamkeit erhielt auf dem ASCO 2024 ein Late-breaking Abstract, in dem der Effekt telepalliativmedizinischer Betreuung mit jenem von physischer palliativmedizinischer Betreuung verglichen wurde. „Das Ergebnis zeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Betreuungsformen gibt“, sagt Rumpold. Für die Versorgungsdeckung könne diese Erkenntnis wichtig sein. „Betreuungskompetenz könnte damit verstärkt in die Fläche gebracht werden, woraus sich vor allem für Patienten mit weiten Wegen eine wertvolle Unterstützung ergibt.“

Ösophagus- und Magenkarzinom: jahrelange Diskussion entschieden

Eine seit Jahrzehnten offene und umstrittene Frage wurde beim ASCO 2024 laut Rumpold nun entschieden: Ist beim resektablen Adenokarzinom des oberen Gastrointestinaltraktes eine Vorbehandlung mit Strahlenchemotherapie (CROSS) oder eine perioperative Therapie mit Chemotherapie (FLOT) wirksamer? Für Konsens sorgte diesbezüglich die ESOPEC-Studie, die als Late-breaking Abstract ausgewählt wurde. „Die Studie hat gezeigt, dass eine perioperative Chemotherapie einer alleinigen adjuvanten Radiochemotherapie überlegen ist“, berichtet Rumpold.

 © Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2024