Akute Pankreatitis: Frühzeitige Therapie entscheidend

14.08.2024 | Medizin

Trotz ihres überwiegend benignen Verlaufs kann die akute Pankreatitis bei rund 15 Prozent der Patienten eine schwere Ausprägung annehmen. Eine adäquate und frühzeitige Therapie entscheidet über den Krankheitsverlauf. Besonders wichtig: ausreichende Flüssigkeitsgabe.

Jovana Knezevic

Die akute Pankreatitis stellt eine der häufigsten Ursachen für Hospitalisierungen aufgrund abdomineller Beschwerden dar. Trotz des überwiegend benignen Verlaufs kann die Erkrankung bei etwa 15 Prozent der Patienten eine schwere Ausprägung annehmen, die mit erheblichen Komplikationen und einer Letalität um etwa 25 Prozent einhergehen kann.

Typischerweise präsentiert sich ein Patient mit einer akuten Pankreatitis mit starken, plötzlich einsetzenden, gürtelförmigen Oberbauchschmerzen. Begleitend können vegetative Symptome wie Übelkeit und Erbrechen oder Kreislaufinstabilität infolge eines Volumenmangels auftreten.

Die Diagnose stützt sich gemäß der Atlanta-Klassifikation auf das Vorliegen von mindestens zwei der folgenden drei Kriterien:

  1. Erhöhung der Serum-Lipase um das Dreifache des oberen Normwertes
  2. Typische Bauchschmerzen (meist gürtelförmig, Ausstrahlung in den Rücken)
  3. Charakteristische bildmorphologische Veränderungen

„Die Serum-Amylase spielt aufgrund ihrer inadäquaten Spezifität eine geringe Rolle in der Diagnosestellung“, erklärt Univ. Prof. Rainer Schöfl, Leiter der Abteilung für Gastroenterologie am Ordensklinikum Linz. Hinter einer asymptomatischen Hyperlipasämie könnten unter anderem eine Pankreaszyste oder genetische Ursachen stecken. Dennoch sollte hier an das dritte Kriterium, die Bildgebung, gedacht werden. Eine Sonographie, im besseren Fall ein MR mit einer MRCP, seien empfohlen. „Bei unauffälliger Bildgebung und Klinik, aber erhöhter Serum-Lipase, oft auch als Zufallsbefund beim Hausarzt, haben diese Personen eine sehr gute Prognose“, betont Schöfl. Und weiter: „Andere wichtige Laborparameter sind das CRP und die Leberwerte – besonders die Cholestaseparameter Alkalische Phosphatase, γ-GT und Bilirubin – wobei in der Akutphase oft nur GOT(AST) erhöht sein kann.“ Die Höhe der Lipase korreliere nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung. Hierzu orientiere man sich eher an der Klinik und grob am CRP sowie an der Bildgebung, meist dem CT. Eine akute Pankreatitis kann in drei Verlaufsformen eingeteilt werden: mildeseröse, mittelschwere-moderate oder als schwere (eventuell nekrotisierende) Pankreatitis. „Je nach Klinik und Schweregrad benötigt der Patient intensivmedizinische Betreuung“, so Schöfl.

Die Ätiologie umfasst Alkoholabusus, Cholangiolithiasis und idiopathische Ursachen. Weitere Auslöser sind mechanische Reizungen wie etwa postinterventionell nach einer ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie), metabolische Entgleisungen wie Hypertriglyceridämie und Hyperkalzämie sowie als Nebenwirkung bestimmter Medikamente. Unter anderem GLP-1-Agonisten werden neuerdings als potenzielle Auslöser einer akuten Pankreatitis diskutiert, wie Schöfl berichtet: „Bisher hatten wir zwei Patienten, die aufgrund dessen eine akute Pankreatitis bekommen haben. Jedoch handelt es sich in diesen Fällen um ein seltenes Vorkommen und stets um eine milde Pankreatitis.“

Bei hohem Choledocholithiasis-Verdacht ist eine ERCP zur Beseitigung der Abflussbehinderung indiziert. Wie akut solch eine Intervention notwendig ist und wie wahrscheinlich spontane Steinabgänge sind, erklärt Schöfl wie folgt: „In den letzten Jahren konnte beobachtet werden, dass die Patienten von einer notfallmäßigen ERCP nicht profitieren, außer in einem bestimmten Fall: wenn der Gallenstein in der Papille steckt.“ Diese Patienten haben persistierende Schmerzen, Fieber als Zeichen einer beginnenden Cholangitis und die Cholestaseparameter steigen weiterhin an – in dieser Situation sei laut Schöfl eine ERCP innerhalb der ersten 12 Stunden indiziert. „Der Rest kann bis zu 48 Stunden warten, da häufig ein spontaner Steinabgang stattgefunden hat. Um überflüssige ERCPs zu vermeiden, könnte man in derselben Sitzung zuvor eine Endosonographie durchführen und die Interventionen vom Vorliegen einer Choledocholithiasis abhängig machen“, definiert der Experte.

Im Falle einer unklaren Genese sollte eine hochqualitative Bildgebung (CT oder MRT) innerhalb der ersten Wochen erfolgen, da sich manche Pankreaskarzinome in Form einer akuten Pankreatitis erstmanifestieren können. Univ. Prof. Alexander R. Moschen, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin 2 am Kepler Universitätsklinikum Linz, erläutert: „Rezidivierenden Pankreatitiden können auch genetische Ursachen, anatomische Fehlbildungen wie Pankreas divisum, zystische Fibrose, Autoimmunerkrankungen, ein Papillenkarzinom und ähnliches zugrunde liegen.“

Eine adäquate und frühzeitige Therapie entscheidet über den Krankheitsverlauf und setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. „Das Wichtigste für die Patienten ist eine ausreichende Flüssigkeitsgabe. In der Regel reden wir von drei bis vier Litern in den ersten 24 Stunden, mehr als vier Liter führt häufiger zu Komplikationen“, berichtet Moschen. Durchschnittlich benötige man in den ersten 72 Stunden ein intensiveres Flüssigkeitsmanagement; danach sollte reevaluiert werden. Primär richte man sich nach der Klinik, dem Kreislaufzustand, relevanten Komorbiditäten und dem Körpergewicht des Patienten. „Beim zielgerichteten Flüssigkeits-management bei der akuten Pankreatitis orientiert man sich auch an Parametern wie BUN und Hämatokrit; schwere Fälle profitieren von einem erweiterten hämodynamischen Monitoring“, so Moschen weiter. Laut einer rezenten Studie aus dem „New England Journal“¹, deren Schema auch das Team von Prof. Schöfl folgt, sollte die Flüssigkeitsgabe folgendermaßen erfolgen: Primäre Bolusgabe von 10ml/kg/KG gefolgt von 1,5ml/kg/KG pro Stunde über die ersten 24 Stunden.

„Laut den aktuellen Daten ist eine Ringer-Laktat-Lösung die bevorzugte Form der Flüssigkeitssubstitution, aber auch kristalloide Lösungen können verwendet werden. Kolloidale Lösungen sind zu meiden“, fügt Moschen hinzu. Außerdem würden die Schmerzen nach dem WHO-Stufenschema behandelt, wobei laut Moschen aufgrund „der starken Schmerzen schnell auf ein Opioid eskaliert werden muss“. Weiters sollte laut Schöfl ein PPI wie etwa Pantoprazol 40 bis 80mg zur Verminderung der säurebedingten Stimulation der Pankreassaftbildung zumindest über die Dauer des stationären Aufhaltens verabreicht werden. Da eine akute Pankreatitis mit einem hohen Thromboserisiko assoziiert ist, sollte auch an eine Thromboseprophylaxe gedacht werden, so Moschen. Eine prophylaktische Antibiotikagabe ist laut den Experten nicht empfohlen. Erst bei hohem Verdacht einer Cholangitis oder anderen Komplikationen (infizierte Pseudozysten, infizierte Nekrosen) sei ein Antibiotikum indiziert. Trotz der Empfehlungen sollte initial nicht gleich mit einem Carbapenem behandelt werden. Klassischerweise starte man mit einem Aminopenicillin/ Betalaktamasehemmer oder einer Kombination aus Metronidazol und einem Cephalosporin der dritten Generation und weite nach Bedarf die Therapie aus. Schöfl betont: „Man sollte nicht aus Prinzip Fieber senken. Patienten mit routinemäßiger Fiebersenkung haben immunologisch schlechtere Karten als die, die in vernünftigen Bahnen frei fiebern können.“

Laut der aktuellen Leitlinie der DGVS² ist eine Nahrungskarenz nicht mehr empfohlen. Je nach Zustand des Patienten sollte eine enterale Ernährung bevorzugt werden. „Innerhalb der ersten 24 Stunden ist bereits ein vorsichtiger Kostaufbau empfohlen. Sollte das nicht möglich sein, dann über eine gastronasale Sonde. Die Enterozyten und das Mikrobiom benötigen ein Energiesubstrat, um die Darmbarriere zu erhalten. Bei erhöhter Darmpermeabilität können Bakterien aus dem Darmlumen in den Blutkreislauf translozieren“, erläutert Moschen und ergänzt: „Probiotika haben bei der akuten Pankreatitis nichts verloren.“ Der Experte weiter: „Der erste Schub einer akuten Pankreatitis führt selten zu einer exokrinen Pankreasinsuffizienz.“ Bei der Enzymsupplementation richte man sich nach der Klinik – Fettstühle, Diarrhoe, Blähungen, Gewichtsverlust – und substituiere üblicherweise mit Kreon. „Oft werden aus Angst einer Kreon-Überdosierung zu geringe Dosen verabreicht. Diese Sorge ist jedoch unbegründet, da Kreon nicht resorbiert werden kann“, so Moschen abschließend.

1 de-Madaria, Enrique et al. „Aggressive or Moderate Fluid Resuscitation in Acute Pancreatitis.” The New England Journal of Medicine vol. 387,11 (2022): 989-1000. doi:10.1056/NEJMoa2202884; 2 Beyer, Georg et al. „S3-Leitlinie Pankreatitis – Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) – September 2021 – AWMF Registernummer 021-003.” Zeitschrift für Gastroenterologie vol. 60,3 (2022): 419-521. doi:10.1055/a-1735-3864

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2024