Ärztetage Grado 2024: Zoonosen Cave: Kontaminierte Hände

10.04.2024 | Medizin

Die Übertragung klassischer heimischer Zoonosen erfolgt im Alltag häufig durch kontaminierte Hände. Auch der im Trend liegende Verzehr bestimmter roher Lebensmittel ist bedenklich. Bei den diesjährigen Ärztetagen in Grado widmet sich eine dreitägige Fortbildung diesen Themen.

Martin Schiller

Zoonose-Erreger können sowohl durch Kontakt mit erkrankten Tieren als auch mit einem gesunden Tier, das mit einem entsprechenden Erreger besiedelt ist, übertragen werden. Im Alltag kann eine direkte Übertragung durch gesunde Tiere im Streichelzoo erfolgen, wie Univ. Prof. Reinhard Würzner vom Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, erklärt: „Es besteht die Gefahr einer Übertragung von EHEC, wenn Kinder fremde Tiere im Zoo streicheln. Die Infektion erfolgt dann oral und kann in Form des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) schwerwiegende medizinische Konsequenzen haben.“ Pro Jahr gebe es circa ein dutzend Fälle von HUS in Österreich. Um eine Infektion zu verhindern, rät Würzner dazu, gleich nach dem Streicheln von Tieren die Hände der Kinder mit Desinfektionsmittel einzusprühen.

Indirekt ist die Übertragung von Zoonose-Erregern durch den Konsum kontaminierter Lebensmittel möglich. Im Jahr 2022 gab es laut AGES 1.194 laborbestätigte Erkrankungsfälle aufgrund von Salmonellen in Österreich. Das entspricht einer Inzidenz von 13,3 Fällen pro 100.000 Einwohner. Zudem wurden 47 Fälle an invasiver Listeriose und acht durch Campylobacter verursachte lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche gemeldet. Nicht-erhitzte tierische Produkte sind prinzipiell als Risikofaktor im Hinblick auf eine zoonotische Infektionskrankheit einzustufen. Aus Sicht von Würzner erfordert die Problematik nicht nur eine gute Küchenhygiene, sondern auch einen prüfenden Blick auf moderne Speisepläne: „Mit dem Konsum von Sushi, Rohmilch und Rohmilchkäse, rohen Eiern oder Gerichten mit rohem Faschierten nimmt man ein Risiko für eine bakterielle Infektion in Kauf“, merkt er kritisch an. Belastet sein können jedoch auch pflanzliche Lebensmittel. Würzner nennt als Beispiel Erkrankungsfälle im Jahr 2011, die durch EHEC-belastete Sprossen ausgelöst wurden. Außerdem verweist er auf bakterielle Risiken durch Fallobst auf Wiesen, auf denen Tiere grasen beziehungsweise die mit Mist gedüngt wurden. Dies gelte etwa auch für Apfelsaft aus Früchten, die „vermeintlich gerade erst vom Baum gefallen sind“. Auch Hände, die durch das Abstützen auf dem Boden kontaminiert wurden, kämen als Überträger der Bakterien in Frage.

Echinokokkose durch Beerenpflücken

Zwei wesentliche durch Parasiten verursachte Zoonosen sind die Echinokokkose und die Toxoplasmose. Die Echinokokkose wird durch den Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) und den Hundebandwurm (E. granulosus) übertragen. Der Verzehr frisch vom Strauch gepflückter Beeren im Wald und am Wegesrand wird häufig als Risikofaktor für eine Infektion genannt; Würzner nennt allerdings noch einen anderen Aspekt: „Das größere Risiko geht von der eigenen Hand aus, mit der man sich zuvor im Gras oder am Boden abgestützt hat. Meist sind die Früchte nämlich nicht kontaminiert, doch die Erreger sind zuvor auf die Hand gelangt, mit der sie dann gepflückt werden.“ Die Echinokokkose ist laut Würzner meist ein Zufallsbefund. Zur Diagnostik sind bildgebende Verfahren hilfreich – in erster Linie in Form einer Ultraschalluntersuchung –, um die durch den Erreger verursachten Zysten in der Leber oder in der Lunge feststellen zu können. Auch serologische diagnostische Methoden kommen zur Anwendung.


33. Ärztetage Grado, 26. Mai bis 1. Juni 2024

Medizinische Fortbildung „Zoonosen“ – 27. bis 29. Mai, jeweils 10.15 bis 11.45 Uhr

  1. Mai – Bakterielle Zoonosen: Durchfallerreger, EHEC, Listerien
  2. Mai – Parasitäre Zoonosen: Toxoplasmose, Echinokokkose und Influenza
  3. Mai – Bakterielle Zoonosen, weitere virale Zoonosen:

FSME-, MERS-, Gelbfieber-, Ebola-, Zika- und West-Nil-Virus

Information und Anmeldung: https://www.arztakademie.at/grado


Im Hinblick auf die Abklärung der Toxoplasmose (Parasit Toxoplasma gondii) verweist Würzner auf die Bestimmung der Avidität. Diese werde derzeit noch zu selten durchgeführt. Eine hohe IgG-Avidität schließt eine rezente Infektion aus, während bei einer frischen Infektion die Antikörper von niedrigerer Avidität sind. „Die Bestimmung ermöglicht es, festzustellen, ob eine Infektion in oder bereits während einer Schwangerschaft aufgetreten ist. Damit lässt sie eine Einschätzung zu, ob die Schwangerschaft gefährdet ist“, sagt Würzner.

Verbreitung neuer viraler Erreger

Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die unter anderem als Überträger von Chikungunya-Fieber, Dengue-Fieber und Zika-Virus fungiert, breitet sich in immer mehr Regionen Europas aus. „Dies betrifft nicht nur südliche Länder wie Italien und Spanien, sondern auch bereits Areale in Deutschland“, berichtet Würzner. In Österreich gibt es laut AGES etablierte Tigermückenpopulationen, die auch den Winter überleben. Laut Würzner ist daher in absehbarer Zukunft mit einer deutlich höheren Zahl an Fällen dieser Zoonosen zu rechnen, die auf eine Übertragung auf dem europäischen Kontinent zurückzuführen sind. Gleiches gelte für das West-Nil-Virus, so Würzner: „Die Stechmücken, die dieses Virus übertragen können, sind bereits in Europa heimisch.“ Der Experte verweist dabei auf bedenkliche Entwicklungen in den USA: Nach Einschleppung des Virus mit ersten Fällen im Jahr 1999 gab es Schätzungen zufolge bis 2016 rund sieben Millionen Fälle auf dem US-amerikanischen Festland. Würzner schließt nicht aus, dass sich die Krankheit auch bald in Europa stark ausbreiten könnte. Als wirksamsten Schutz gegen Zoonosen, die durch Mücken übertragen werden, nennt er Repellents, die zur Abwehr von tropischen Mücken wirksam sind. „Man kann auch in Österreich ein solches Repellent empfehlen. Dies sichert den Schutz vor den schon lange heimischen Mücken ebenso wie vor jenen, die Tropenkrankheiten übertragen können“, meint Würzner.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2024