Standpunkt Johannes Steinhart: Kooperativ statt plakativ

25.03.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

In den vergangenen Wochen war das Thema Patientenlenkung endlich wieder im Zentrum medialer Aufmerksamkeit. Das ist prinzipiell zu begrüßen, weil unser solidarisches Gesundheitssystem in der gewohnten und geschätzten Form nur weiter bestehen kann, wenn wir eine optimale Patientenversorgung umsetzen können. Leider wurde dieser zentrale Punkt aber nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Denktiefe angegangen, die ihm zustehen würde. Die einen träumten öffentlich von einer e-Card-Sperre für den Besuch beim Facharzt, ohne sich Gedanken über die Folgen für die Patienten zu machen, die auf raschen Zugang zur Fachärztin oder zum Facharzt angewiesen sind. Oder zu bedenken, was diese alternativlose Einbahnstraße für die Allgemeinmedizin bedeuten würde, die in der Konsequenz heillos überrannt würde. Andere wünschten sich, dass künftig Apotheker entscheiden sollten, ob Patienten zum Arzt oder ins Spital gehören, oder selbst medikamentiert werden können – sofort unterstützt von einem ÖGK-Vizeobmann, der die aktuellen Lücken in der kassenmedizinischen Versorgung einfach zur Kenntnis nimmt, statt an ihrer Behebung zu arbeiten.

Ernsthafte Vorschläge waren das nicht. Aber für das schnelle plakative Zitat nehmen manche es anscheinend in Kauf, Patienten zu verunsichern und die Qualität ihrer Versorgung zu gefährden. Das ist nicht nur leichtsinnig, es schadet auch der gesamten Diskussion. Bei einem so wichtigen Punkt wie der Patientenlenkung darf es nicht darum gehen, sich zu profilieren, sondern gemeinsam und konsensual Ideen und Konzepte zu besprechen und Lösungen auszuarbeiten. Diese müssen sowohl für die Versicherten als auch für die Vertragsärzte optimal und sinnvoll sein. Wir Ärztinnen und Ärzte sind das unseren Patienten, mit denen wir täglich arbeiten, schuldig. Möglichkeiten gibt es viele: Stärkere Rollen für 1450 oder für telemedizinische Lösungen können ein Anfang sein, auch gibt es im europäischen Ausland bereits einige Modelle, die sich bewährt haben. Zudem sollte nicht vergessen werden, die Gesundheitskompetenz frühzeitig zu fördern, denn der kompetente Umgang der Patientinnen und Patienten mit ihrem Gesundheitszustand ist essentiell, um die vorhandenen ärztlichen Ressourcen auch optimal nutzen zu können.

Es hängt nur davon ab, das zu wollen und kooperativ auszuarbeiten. Seriös, durchdacht und ernsthaft – gemeinsam mit den Leistungserbringern in diesem System.

Dr. Johannes Steinhart
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2024