ÖÄK-Geschichte: 25 Jahre Bundeskurien

25.06.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Im Juni 1999 wurden beim 99. Ärztekammertag in Linz die Bundeskurien der angestellten und der niedergelassenen Ärzte eingeführt und damit die mit dem Ärztegesetz 98 in Kraft getretene Ärztekammerreform umgesetzt. Thorsten Medwedeff hat mit den beiden aktuellen Obmännern sowie Zeitzeugen über diesen Wendepunkt vor 25 Jahren gesprochen und darüber, wie sich die Aufgaben und Herausforderungen der Kurien im Wandel der Zeiten verändert haben.

Stärkere Gewichtung
Harald Mayer
heute: Vizepräsident der ÖÄK, Bundeskurienobmann angestellte Ärzte
1999: Kammerrat in der Ärztekammer für Oberösterreich

„Als die Kurien-Kammer ins Leben gerufen wurde, war ich Kammerrat in der Ärztekammer für Oberösterreich“, erinnert sich Harald Mayer, der zwei Jahre später, im Jahr 2001, Kurienobmann der angestellten Ärzte in OÖ wurde, und seit 2003 Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte der ÖÄK ist. „Mein Favorit für den BKAÄ-Obmann war damals eigentlich Terje Hovdar. Für mich war er überhaupt der Spitalsärztevertreter schlechthin, aber er hat leider aus gesundheitlichen Gründen nicht kandidiert“, erinnert sich Mayer an das Jahr 2003.

Die Gründung der Bundeskurien war, so Mayer, ein extrem wichtiger Schritt: „Sie wurden initiiert, um den drei Gruppierungen in der Österreichischen Ärztekammer, den angestellten und niedergelassenen Ärzten sowie den Zahnärzten, endlich jenes Gewicht zu verleihen und zu geben, um für ihre jeweiligen Bereiche entsprechende Standespolitik machen zu können. Insbesondere die angestellten Ärztinnen und Ärzte waren damals in der ärztlichen Standespolitik schwer unterrepräsentiert.“

„Politik machen eigentlich die Kurien, dafür wurden sie geschaffen“, führt Mayer aus. „Daher wäre es jetzt, 25 Jahre nach deren Gründung klug, die Sinnhaftigkeit der Sektionen – wie etwa der Bundessektion der Turnusärzte – zu hinterfragen. Aus meiner Sicht haben die Sektionen eigentlich ihren Sinn verloren, außer jenen, im medizinisch-fachlichen Bereich zu beraten. Die Turnusärzte sind ohnehin in den Kurien der angestellten Ärzte gut vertreten und haben dort eine wichtige Stimme.“ Das gilt auch für die Primarärzte, die seit vielen Jahren ein fixer und starker Bestandteil der Kurienspitze sind.

Die wichtigste Aufgabe der Kurien ist es, Politik für ihre spezifischen Mitglieder zu machen. Eine Aufgabe, die sie sehr gut machen, befindet der Unfallchirurg am Klinikum Schärding. „Ohne den Einsatz der Bundeskurie angestellte Ärzte gäbe es zum Beispiel noch immer kein ordentliches Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz. Das haben wir damals auch gegen den politischen Druck aus den Bundesländern mit Rückendeckung des damaligen Arbeits- und Sozialministers Rudolf Hundstorfer durchgebracht.“ Und auch die Ausbildung der Ärzte würde ohne Zutun der BKAÄ heute nicht jene hohe Qualität besitzen, die sie aktuell hat.

Dennoch sieht Mayer auch Verbesserungspotenzial in der standespolitischen Kraft der Bundeskurien: „Ich würde mir wünschen, dass die Kurien noch stärker operativ und politisch in Verhandlungen tätig werden, als sie es derzeit tun.“

Ein neuer Terminus
Edgar Wutscher
aktuell: ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte
1999: Vorstandsmitglied der Ärztekammer Tirol und Vertreter der Allgemeinmediziner

Für die Österreichische Ärztekammer war und ist die Installation der Kurien eine Erfolgsgeschichte, betont Edgar Wutscher, damals beim Ärztekammertag als Vorstandsmitglied der Ärztekammer Tirol mit dabei: „Die klare Aufteilung der Kompetenzen auf die Kurien, die spezialisierte Vertretung und die klare Rollenverteilung in der standespolitischen Arbeit war eine grundsätzliche Notwendigkeit.“

Aber wer hätte 1999 gedacht, dass es 25 Jahre später neben den Begriffen „niedergelassene“ und „angestellte“ Ärzte sowie Turnus- und Zahnärzte einen Terminus geben wird, der in Linz gar kein Thema war? „Ich könnte mich nicht erinnern, dass damals der Ausdruck ‚Wahlarzt‘ gefallen wäre“, erinnert er sich. „Ein Arzt, der eine Ordination aufmacht und sein Geld verdient, indem er Rechnungen stellt, war damals ein Exot.“

25 Jahre später und nach vielen Errungenschaften und Erfolgen der Bundeskurien, deren Gründung laut Wutscher nicht nur den damaligen Entwicklungen in der Ärzteschaft entsprechend notwendig geworden war, sondern auch, um die spezifischen Interessen standespolitisch besser und konzentrierter als davor vertreten zu können, ist vieles anders. Insbesondere die Wahlärzte, die mittlerweile einen bedeutenden Anteil innerhalb der niedergelassenen Ärzte bilden, stehen im Fokus.

„Wir müssen im Rahmen unseres Gesundheitssystems zur Kenntnis nehmen, dass die Interessen von Wahlärzten immer mehr im Mittelpunkt stehen werden – und am besten fangen wir gleich morgen damit an, das zu berücksichtigen. Die Wahlärzte sind mittlerweile eine der wichtigsten Säulen in unserer Gesundheitsversorgung“, unterstreicht Wutscher. „Wir müssen in unserer standespolitischen Arbeit aber auch überlegen, wohin sich die Kassenmedizin generell entwickelt und zur Kenntnis nehmen, dass die Kassenmedizin leider in vielen Bereichen noch nicht zukunftsfähig ist.“

Zeitgemäße Visionen
Harald Schlögel
aktuell: ÖÄK-Vizepräsident, Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich
1999: Vizepräsident der Ärztekammer für NÖ und ÖÄK-Turnusärztevertreter  

„Zwei Tage vor der Geburt der Bundeskurien in der ÖÄK haben meine Frau und ich den positiven Schwangerschaftstest bekommen“, erinnert sich Harald Schlögel genau. „Das waren sehr spannende Zeiten.“ Neun Monate später wurden die beiden Eltern einer Tochter, die nun im kommenden Jahr heiraten wird. Am 25. Juni 1999 aber wurden bei großer Hitze und mit einer spürbaren Aufbruchstimmung neue Weichen in der Struktur der Österreichischen Ärztekammer gestellt, die aus Sicht von Schlögel – insbesondere für eine adäquate Repräsentanz der angestellten Ärzte – unausweichlich waren: „Die ÖÄK hat sich zum damaligen Zeitpunkt eigentlich ausschließlich um die Honorarverhandlungen der niedergelassenen Ärzte mit den Krankenkassen gekümmert. Die angestellten Ärzte waren massiv unterrepräsentiert.“ Dabei, so Schlögel, „explodierten damals die Zahlen bei den angestellten Ärzten“.

„Daher war es dringend notwendig, dass man rein von der Widerspiegelung der Realität eine Vertretung für deren Interessen brauchte. Spätestens ab Mitte der 90er-Jahre haben sich die Interessen der Allgemeinmediziner und der angestellten Ärzte in den Spitälern stark divergierend entwickelt, dieser Entwicklung mussten wir Rechnung tragen“, betont Schlögel.

Zugleich hatte man im Juni 1999 die Hoffnung, dass man mit den Bundeskurien als standespolitische Vertretung künftig auch die Gehälter selbst verhandeln könnte. Schlögel: „Das Ziel war eigentlich die Kollektivvertragsfähigkeit.“ Eine Vision, die sich letztlich aber nicht nach Wunsch entwickelte. Was aber durch die Bundeskurie der angestellten Ärzte gelang, so Schlögel, war ein stärkeres Auftreten gegen die überbordenden Arbeitszeiten – bis hin zu 100 Wochenstunden: „Damals hat wochentags ein Dienst um 7 Uhr begonnen und erst dann geendet, wenn einem der Chef die Hand gegeben hat. Am Wochenende ging dies von Freitag, 7 Uhr, bis Montagnachmittag. Und am Dienstag um 7 ging’s wieder weiter.“

Rückblickend sagt Schlögel: „1999 wurde eine standespolitische Tätigkeit als ‚Hobby‘ abgetan. Das hat sich massiv geändert. In der Vertretung der Ärzte wird viel gearbeitet. Die Interessensvertretung neu aufzustellen, war zu 100 Prozent richtig.“ Genauso wie er es jetzt für richtig hielte, über eine Verschlankung der ÖÄK nachzudenken: „Das eine oder andere Gremium könnte man vielleicht einsparen, da dort oft ein und dieselbe Person sitzt und nur einen anderen Hut aufhat. So wie vor 25 Jahren die Geburtsstunde der Bundeskurien zeitgemäß war, ist es jetzt die Vision von einer schlankeren ÖÄK-Struktur.“

Wohl dosierter Modus Vivendi
Artur Wechselberger
1999: Präsident der Tiroler Ärztekammer und Vorstandsmitglied der ÖÄK
aktuell: Referatsleiter Sozial- und Vorsorgemedizin der ÖÄK, Referent für Qualitätssicherheit und -management der ÖÄK

„Rückblickend muss man vor allem eines sagen: Das Damoklesschwert einer Spaltung der Österreichischen Ärztekammer ist nicht auf die ÖÄK herabgestürzt. Die Bundeskurie der angestellten Ärzte und jener der niedergelassenen haben einen sehr praktikablen, wohl dosierten und vernunftgetragenen Modus Vivendi gefunden – mit der ÖÄK als wirksamer Klammer“, befindet Artur Wechselberger, von 2012 bis 2017 ÖÄK-Präsident und 1999 als Präsident der Tiroler Ärztekammer im Vorstand der ÖÄK.

Dass die Zahnärzte sich 2006 aus der ÖÄK verabschiedeten, obwohl sie zunächst auch eine eigene Kurie hatten, sei von Anfang angestrebt worden, insbesondere im Hinblick auf den EU-Beitritt Österreichs. „Die Bestrebungen der Zahnärzteschaft war, so viel Autonomie wie möglich zu erlangen. Auch mit dem Hintergrund, dass es damals viele Zahnärzte in der EU gab, die in ihren Heimatländern kein volles Medizinstudium absolvieren mussten.“

Weitere Faktoren für die wichtige Gründung der Kurien, so der heutige Referatsleiter Sozial- und Vorsorgemedizin der ÖÄK, würden die Ärzteschwemme der 1980er-Jahre, die stark zunehmende Zahl der Spitalsärzte und die schnell wachsende Zahl ihrer Aufgaben darstellen. Aber auch, dass die niedergelassenen Ärzte im Gegensatz zu den angestellten – die etwa durch die Krankenhausbetriebsräte vertreten wurden – „zu dem Zeitpunkt eigentlich keine spezifische, eigene Vertretung hatten“. Durch die Konzentration der einzelnen Kurien auf die Interessen ihrer Mitglieder habe sich auch eine spürbare Spannung zwischen den beiden Gruppen schnell entspannt, erinnert sich Wechselberger: „Dass die beiden Kurien noch immer so gut innerhalb ihrer autonomen Entscheidungsfindungen zusammenarbeiten und dass es auch 25 Jahre nach ihrer Gründung so gut funktioniert, das war damals nicht eindeutig und hatten viele nicht erwartet.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2024