Niedergelassene Ärzte: Starke Ordis, starke Versorgung

15.07.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Bevor die Gesundheitsreform in die entscheidende Phase kommt, präsentierte die Österreichische Ärztekammer ihren 7-Punkte-Plan zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs.

Sascha Bunda

„Es liegt in der Verantwortung der Sozialversicherungen, der Bevölkerung genügend Kassenärzte zur Verfügung zu stellen“, hielt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, die zentrale Spielregel des österreichischen Kassensystems fest. Die Umsetzung dieser sinnvollen Regel lasse aber zunehmend zu wünschen übrig, was nicht zuletzt einem Kardinalfehler der österreichischen Gesundheitspolitik geschuldet sei, nämlich der Einführung der sogenannten ‚Kostendämpfungspfade‘. Jahr für Jahr sei auf Kosten der notwendigen Leistung eingespart worden, sagte Steinhart. Eine Zeitlang habe das einigermaßen funktioniert – „durch Raubbau an der wichtigsten Ressource im Gesundheitssystem: den hoch motivierten Mitarbeitern.“ Aber natürlich könne man diesen Weg nicht langfristig weitergehen. „Ärzte, die das System über Jahre am Laufen gehalten haben, sind zunehmend erschöpft und ausgebrannt, sowohl in der Kassenordination als auch im Spital“, so Steinhart.

Edgar Wutscher, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, betonte, dass gerade der von der Ärztekammer ausgearbeitete einheitliche Leistungskatalog ein eminent wichtiger Impuls für die moderne Kassenmedizin sei – dieser liege aber nun schon drei Jahre in den ÖGK-Schubladen. „Zudem brauchen wir eine leistungsbezogene Honorierung ohne Limits und Degressionen, um das Kassensystem wieder attraktiver für niedergelassene Ärzte zu machen.“

Wutscher forderte auch, dass der Startbonus von 100.000 Euro auf alle offenen Kassenstellen ausgeweitet werden solle – und zwar für alle medizinischen Fächer. „Das ist aber keine Garantie, dass diese auch besetzt werden, daher ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig, wie die Flexibilisierung der Kassenverträge, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und auch der Schutz der Hausapotheken. Es ist fast genau ein Jahr her, dass wir eine Studie präsentiert haben, wonach der Ausbau der ärztlichen Hausapotheken 400 neue Kassenärzte bringen könnte“, erinnert Wutscher.


Der 7-Punkte-Plan der ÖÄK zur Förderung der Kassenmedizin:

  • Umsetzung des einheitlichen Leistungskatalogs durch ausreichende finanzielle Dotierung der Sozialversicherung
  • Moderne kassenärztliche Leistungen, an die aktuellen Möglichkeiten in der Niederlassung angepasst, keine Limitierungen und Degressionen
  • Startbonus von 100.000 Euro für alle offenen Kassenstellen und alle medizinischen Fächer
  • Investitionen in die nationale Gesundheitstelematik-Infrastruktur (GTI) in Form einer „e-Health-Milliarde“.
  • ELGA: Patient Summary mit allen haftungs- und handlungsrelevanten Gesundheitsdaten in übersichtlicher Form auf Knopfdruck
  • Grundsätzlich muss jede Impfung, die im österreichischen Impfplan empfohlen wird, kostenfrei zugänglich sein.
  • Recht auf Medikamentenabgabe für alle Ärzte im Sinne des besten Patientenservice sowie Schutz der ärztlichen Hausapotheken

Ende der Aufsplittung

Dietmar Bayer, stellvertretender BKNÄ-Obmann, erkannte in den Entwicklungen der vergangenen Wochen auch positive Aspekte, „Mit der Schaffung einer starken, zentralen Gesundheitsdrehscheibe für e-Health-Projekte durch den Ausbau der ELGA GmbH wird eine langjährige ÖÄK-Forderung erfüllt: Schluss mit der Aufsplittung in drei verschiedene staatliche IT-Firmen. Wenn Entwicklung und Umsetzung künftig aus einem Guss kommen, könnten etliche Unschärfen und Fehlerquellen beseitigt werden“, sagte Bayer. Fest stehe nämlich: „Eine durchsetzungsstarke ELGA kann und wird ein Gewinn sein, wenn endlich in einer Patient Summary alle haftungs- und handlungsrelevanten Gesundheitsdaten in übersichtlicher Form auf Knopfdruck zur Verfügung stehen.“ Bayer forderte zudem eine „e-Health-Milliarde“ für den flächendeckenden Ausbau von zentralen Komponenten, Breitbandnetzen und Anwendersoftware als Basis für den Einsatz von Telemedizin.

Auch Naghme Kamaleyan-Schmied, stv. Obfrau der BKNÄ, konnte positive Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, etwa die angekündigten Ausbau-Maßnahmen im Impfprogramm: „Die kostenlose Influenza-Impfung ohne Selbstbehalt wurde schon lange von uns gefordert. Ich bin überzeugt, dass sich das sehr positiv auf die Impfrate und auch auf die Zahl der teilnehmenden Ärzte auswirken wird.“ Das alles könne aber nur der erste Schritt sein: „Wir müssen an den Punkt kommen, dass alle

im nationalen Impfplan empfohlenen Impfungen kostenfrei angeboten werden“, forderte sie die Politik auf. Ebenfalls sollten sämtliche Testungen in den Ordinationen als Kassenleistungen verfügbar sein.

„Selbstverständlich wäre es für uns auch eine große Hilfe, wenn endlich das Dispensierrecht für alle Ärzte kommen würde“, sagte Kamaleyan-Schmied, die regelmäßig bis 19 Uhr ordiniert. „Da machen die meisten Apotheken zu und kranke Menschen müssen sich selbst auf die Suche nach der nächsten Nachtapotheke machen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2024