Konzernisierung: Gesundheit ist kein Spekulationsobjekt

15.07.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die geplante Filetierung und Abverkauf des wichtigsten österreichischen Gesundheitskonzerns VAMED zeigen die großen Gefahren der Konzernisierung, warnt die Österreichische Ärztekammer.

Sascha Bunda

Ganz unscheinbar kam die Pressemeldung Anfang Mai daher: „VAMED Postakut-Geschäft wird eigenständiges Unternehmen unter dem Dach von PAI Partners“, hieß es im Titel. Die Sprengkraft hinter diesem Vorgang offenbarte sich erst später – scheibchenweise. Ebenso filetiert soll nämlich auch der wichtigste österreichische Gesundheitskonzern VAMED werden. Die Anteile an österreichischen Thermen, die technische Betriebsführung im AKH Wien und das österreichische Projektgeschäft sollen an die Baukonzerne Porr und Strabag gehen. Das oben genannte Postakut-Geschäft, also die Reha-Sparte, die in Österreich 17 Häuser umfasst, darunter Reha-Zentren, Altersheime und Entzugskliniken, sollen zu 67 Prozent an den französischen Investmentfonds PAI Partners verkauft werden. „Die Aufspaltung und der geplante scheibchenweise Abverkauf von Österreichs wichtigstem Gesundheitskonzern VAMED zeigt klar und deutlich, wie groß die Gefahr der Konzernisierung ist, vor der wir seit langem warnen“, kommentierte ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart. Denn PAI Partners steht in der Kritik, den Wert seiner Investments mit Qualitätsabbau in die Höhe zu treiben und dann wieder mit Gewinn abzustoßen. So geschehen 2014 in Frankreich: Der Fonds kaufte die Pflegeheimkette DomusVi und stieß sie 2017 wieder ab – beim vierfachen Marktwert von 2,4 Milliarden Euro, wie es stolz auf der eigenen Homepage vermerkt ist. Und einer danach deutlich schlechteren Behandlungsqualität, ergänzen Kritiker.

Gefährliche Marktkonzentration

Auch in Deutschland ist der Fonds ein geläufiger Name. PAI Partners hat dort im großen Stil Zahnarztpraxen erworben und war Ende 2023 drittgrößter Großinvestor im Bereich zahnärztlicher Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) – hinter einer Private Equity Gesellschaft aus Bahrain und der Jacobs Holding aus dem Umfeld der gleichnamigen Kaffee-Dynastie. Leidtragende waren die Ärzte, die teils massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen beklagten – und die Patienten. Die deutsche Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung übt in einem aktuellen Bericht scharfe Kritik an investorengetragenen MVZ: Sie würden keinen nennenswerten Beitrag zur Versorgung in strukturschwachen, ländlichen Gebieten leisten und kaum an der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderung im Rahmen der aufsuchenden Versorgung teilnehmen. Es bestehe eine große Gefahr durch Marktkonzentrationen und zudem seien auch die Arbeitszeitmodelle für die Ärztinnen und Ärzte keinesfalls besser – im Gegenteil: Bei der Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, hätten investorengetragene MVZ mit gerade 36 Prozent die schlechteste Teilzeitquote von allen Praxisformen.

In den deutschen Ärztekammern sieht man das Problem ebenfalls seit langem mit zunehmender Besorgnis: „Wir müssen die Heuschrecken aus der ambulanten Versorgung fernhalten“, meinte etwa Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Die Bundesärztekammer appelliert seit geraumer Zeit an das Gesundheitsministerium, Patienten vor Fehlentwicklungen durch den Einfluss fachfremder Finanzinvestoren zu schützen und endlich entsprechende gesetzliche Regulierungen auf den Weg zu bringen. Trotz mündlicher Zusagen von Minister Karl Lauterbach ist aber noch nicht viel geschehen.

Für Johannes Steinhart gibt es bei der Konzernisierung eine ganz klare Ansage: „Solche Entwicklungen müssen gestoppt werden. So darf man mit Gesundheitseinrichtungen und mit den Patienten nicht umgehen. Ihre Gesundheit ist kein Spekulationsobjekt“, kritisiert Steinhart. Seit Jahren beobachte man das Vordringen fachfremder Kapitalinvestoren in den Gesundheitsmarkt mit großer Besorgnis, in Österreich kämpfe die Ärztekammer vehement dafür, dass Finanzinvestoren nicht in Primärversorgungszentren einsteigen dürfen. „Denn ein stark investorengetriebenes Gesundheitssystem lässt natürlich negative Auswirkungen auf die Qualität der medizinischen Versorgung befürchten“, so Steinhart. „Wir brauchen deshalb dringend eine strengere und restriktivere gesetzliche Regulierung von Investorenbeteiligungen in medizinischen Bereichen“, lautet sein dringender Appell an die Politik: „Und legen Sie beim VAMED-Verkauf eine Vollbremsung hin, bevor es zu spät ist.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2024